27 ☾ ER

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Ken, wie der Anführer den einen genannt hat, hat mich über eins der Pferde geschmissen und seitdem werde ich darüber hängend irgendwo hingebracht. Meine Augen haben sie mir verbunden. Auf mein Zeitgefühl ist nicht mehr Verlass, aber es sind sicherlich schon ein oder zwei Stunden. Meine Gedanken sind allerdings auch mehr bei Fia. Wenn ich nicht gerade wieder mein Bewusstsein verliere.

Hoffentlich konnte sie entkommen. Bestimmt. Und Fritzi wird bei ihr sein, auf sie aufpassen. Fritzi hat zwar bisher noch nie jemanden etwas getan, aber wenn jemand Fia zu nah kommt? Ich kann es mir vorstellen. Ich habe es gleich gespürt, dass sie Fia auch mag. Sie wird bei ihr sein und aufpassen. Ganz bestimmt. 

Mein Körper hat doch einiges mehr einstecken müssen, als ich zu Beginn vermutet hatte. Obwohl ich einige Treffer landen konnte, so hat es den Anschein, dass es ihm kaum etwas ausmachte. Er brauchte nur einen Wimpernschlag, um sich erneut auf mich stürzen zu können. Da benötigte ich doch länger. Dazu kommt wahrscheinlich der wenige Schlaf. Der Rücken des Pferdes rammt mir bei seit geraumer Zeit immer schmerzvoller in die Rippen. Immer wieder reißt mein Körper, vielleicht auch mein Geist mich in traumlose Phasen, ob es nun Schlaf oder Bewusstlosigkeit ist ... Ich kann es nicht genau bestimmen.

»Hey. Wach auf, du Idiot!«, werde ich aus einer meiner Trancen geweckt. Das regelmäßige Traben der Pferde hat offensichtlich ein Ende genommen. Mein Körper schmerzt, doch die Angst nimmt überhand, und so versteifen sich meine Gliedmaßen sofort.

»Na, da ist er ja wieder.«

»Gut, dann lasst ihn uns reinbringen.«

»Rrrei...« Weiter komme ich nicht, so trocken wie mein Rachen ist. Sie packen mich an. Zunächst werden überall durch meinen gesamten Körper Schmerzwellen losgeschickt, dass ich gar keinen Ausgangspunkt festlegen kann. Dann spüre ich, dass das Nichts greifbar nah ist und lasse mich ins Schwarz fallen.

»Wach endlich auf!«, ruft jemand zu mir. Mein Kopf dröhnt. Himmel! Meinetwegen auch Hölle! Jeder Gedanke ist zu viel.

»Jetzt komm endlich zu dir!«, werde ich schon wieder angeschrien. Haben die eine Ahnung, wie schwer es ist mit diesem Schleier, der einen komplett benebelt?! Aber mein Geist hört tatsächlich auf sie und mir wird schlagartig bewusst, in was für einer womöglich drastischen Situation ich mich befinde. Als ich gerade meine Augen öffnen will, kommt mir ein Schwall eisig kaltes Wasser entgegen. Verflucht. Könnt ihr denn nicht einen kleinen Moment länger warten?

»Na, sieh mal einer an. Da ist er ja, der Ritter in seiner nicht strahlenden Rüstung«, äußert sich der Anführer belustigt. Da ich noch ziemlich matt bin, verbrauche ich allein viel meiner Kraft beim Aufhalten meiner Augen.

»Na, willst du gar nichts sagen?«

Was soll ich denn dazu sagen? Dass ich gerne eine zweite Runde hätte und ich seine zwei Lakaien belustigend finde? Erst einmal abwarten, was das hier werden soll und herausfinden, wo ich überhaupt bin.

So langsam kommt mein Körper meinem Geist nach und erspürt seinen Untergrund. Ich sitze auf einem Stuhl, an deren Lehnen meine Arme an den Handgelenken festgebunden sind. Meine Beine sind frei beweglich. Na immerhin.

»Was glaubst du, warum du hier bist?«

Ich schaue ihm ins Gesicht. Hm, vielleicht, weil ihr zu doof seid, euren Job zu machen?, denke ich mir lieber nur. Statt eine Antwort zu geben, versuche ich den Stuhl zu bewegen. Aber leider scheint der überhaupt gar nicht so wie ich zu wollen.

»Sag mal Frederik. Für die willst du draufgehen?« Dabei macht er – der Anführer, weil die anderen wohl Redepause haben – dieses abwertende Schnalzgeräusch und hebt eine Augenbraue. Beim nächsten Mal ist er dran!

Mit jeder Frage schien er näher gekommen zu sein, wie mir jetzt erst klar wird. Nun steht er nur noch eine eineinhalb Armlänge von mir entfernt und ich muss mich ordentlich anstrengen, den Blickkontakt erwidern zu können.

»Habt ihr ...« Ich muss abbrechen, um mich zu räuspern. Ungewöhnlich freundlich reicht mir der Aufschneider etwas zu trinken, aber ich komme ja nicht dran. Er grinst widerwärtig wissend. Dann zückt er einen Halm und steckt ihn ins Behältnis. Kurz frage ich mich, ob es eine Falle ist, aber das muss ich wohl riskieren. Ich trinke ordentlich von dem wohltuenden Wasser und meine Kehle verlangt nach mehr.

»So, was wolltest du sagen?«, fragt er, nachdem er mir das Trinken wieder wegnimmt.

»Ach ja. Ich wollte wissen, ob ihr einen bestimmten Dresscode oder auch charakteristische Merkmale vorschreibt?« Er scheint so perplex, dass er einen Schritt zurückgeht, was mich zum Weiterreden animiert. Vielleicht kann ich sie ja auch aus der Reserve locken. »Ich meine, ihr habt alle helle Haarfarben. Dann diese komische Gruftkleidung. Seid niemals fröhlich. Bei dir wundere ich mich aber, dass du es geschafft hast. Du hast entgegen der anderen beiden Idioten eine fette Narbe auf deiner rechten Wange.«

»Ach, du hältst das alles hier für einen Spaß, hm?«

»Bisher habe ich zwar noch keine Glückshormone ausschütten können, aber vielleicht wird das ja noch.«

»So so, wir haben hier also einen richtigen Witzbold, Leute.« Dabei guckt er seine zwei Spinner an, was meinen Blick ebenso dort hinschwirren lässt.

»Vielleicht hat der Lumpen ja auch an unserem Experiment Freude«, belustigt sich der schlaksige dritte Kompagnon der Bande. Warte, was? Was für ein Experiment?

Diese Aussage verärgert wohl nicht nur mich.

»Halt deine Klappe«, übernimmt wieder der Anführer mahnend das Wort, den ich nun erneut fixiere.

»Aha. Also ich kenne eure Definition von Lumpen nicht, aber die hätte ich ja eher Ken zugeschrieben.« Was Besseres fällt mir gerade dazu nicht ein. Zumal ich davon ausgehe, dass ich nicht mehr zu diesem Zeitpunkt über das Experiment erfahre.

»Du kannst deinen Mund auch nicht halten oder?«

Oh, darauf antworte ich doch gerne und setze schon ein Grinsen auf. Gerade öffne ich meine Lippen, um zu beginnen, da werde ich schon wieder in die Düsternis geschickt ... 

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