2 ☾ SIE

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Wo bin ich?, ist das Erste, was ich denke. Panisch reiße ich meine Augen auf. Bewegungslos verharre ich in der Hoffnung, unbemerkt zu bleiben. Es scheint niemand im gleichen Raum zu sein. Nur mit meinem Kopf versuche ich erste Anzeichen herauszufinden.

Wo bin ich? Wie bin ich hierhergekommen? Und ... und ... was ist ... passiert? Meine Hand lässt die Decke über mir wackeln. Das Zittern breitet sich aus, bis es auch meinen Hals und mein Gesicht erreicht. Mir wird ganz schwer, gleich bekomme ich keine Luft mehr. Tränen, die ich nicht mehr stoppen kann, kullern hinunter über meine Wangen.

Ich schließe meine Augen, wünsche mir ganz fest, dass es vorbei ist. Ich zähle alle Monde auf, die ich kenne und dann ganz langsam öffne ich sie wieder. Keine Veränderung ...

Mir ist ganz komisch ... schwindelig, sodass ich mich mit den Händen beim Aufrichten abstützen muss. Ich ziehe mich so weit hoch, dass meine Beine vom Bett runterhängen können. Vorsichtig streife ich mir dann über mein Gesicht, meinen Hals und schließlich auch über den Kopf. Was ist das? An der rechten hinteren Kopfseite habe ich eine Beule, die scheußlich wehtut. 

Du musst nachdenken. Wie bist du hierhergekommen? 
Wo ist hier? Panisch werde ich: Bei wem ist hier? 

Wieso erinnere ich mich an nichts? An das hier? Was oder wo auch immer dieses Hier ist.

Dieses Zittern beginnt von Neuem, nur stärker und heftiger. Luft. Ich brauche Luft! 

Du musst ruhig bleiben. Ich will mich gerade anzischen, aber schrecke dann direkt auf. Da ist ein Geräusch vor der Tür. Da ist jemand. Jetzt klopft da dieser Jemand. Was soll ich machen? Schande!

Die Tür geht auf. Ein Hund kommt herein, ganz langsam schreitet dieser zu mir heran. Wie hypnotisiert blicke ich auf dieses Geschöpf. Unfähig irgendetwas zu machen. Was ist nur los mit dir?, frage ich mich selbst.

»Das ist Fritzi. Sie ist eine ganz Liebe«, sagt der Fremde nun, zu dem ich meinen Blick direkt gleiten lasse. Ich muss ihn im Auge behalten. Auch wenn seine Hündin eine ganz Liebe scheint, muss er noch lange nicht ebenso einer sein. Ich weiß immer noch nicht, warum ich hier bin.

»Und ich bin Frederik.«

Aha, Fritzi und Frederik. Erwartet er jetzt etwas? Zumindest kommt er einen Schritt näher, was mich nur dazu veranlasst zurückzuweichen. Viel Platz nach hinten habe ich jedoch nicht mehr. Neuer Schweiß bricht hervor, der den alten überlagert.

»Ich tue dir nichts. Erinnerst du dich noch an gestern?«

Ich schüttele mit dem Kopf, was meinen Schwindel gleich wieder schlimmer werden lässt.

»Geht es dir nicht gut? Liegt bestimmt an dem Sturz, den du hier kurz vor der Hütte hattest, nachdem du anscheinend ...«

Neugierig blicke ich ihn an. Nachdem ich was? Was?

»Hauptsache es wird wieder. Und wie heißt du?«

Wie ich mich nenne, möchte er wissen? Und deute merkwürdigerweise auch noch auf mich, woraufhin er nickt.

»F-F...«, stammele ich. Völlig erschrocken schlage ich mir meine Hand vor den Mund.

»Ist in Ordnung.«

»Fia«, versuche ich in der Hoffnung, dass das Richtige rauskommt, schnell auszusprechen.

»Fia. Ein schöner Name«, antwortet er auf den Blödsinn. »Nun sollte ich aber wohl mal los. Dir etwas Medizin besorgen. Und vielleicht auch neue Kleider.«

Er scheint erst mal ganz in Ordnung. Sogar ganz nett. Kann ich ihm trauen? Traue niemanden, den du nicht kennengelernt hast, erinnere ich mich.

»Ist das in Ordnung?«, fragt er dann.

»Ulp gut ...« Was soll das nur?! Was ist das? Was zum Kuckuck sprichst du da? 

»Du bist bestimmt nur ein wenig durcheinander. Kann auch durch den Sturz kommen. Du scheinst gestern einen schweren Tag gehabt zu haben. Ruh dich noch aus. Ich bin bald zurück. Aber gut ist doch gut. Also ich gehe dann jetzt los. Okay?«

Ich öffne meine Lippen und wage es dann doch noch weiter zu antworten. »... umk bak.«

»Okay. Also bis später.«

Was ist nur los mit dir? Ich muss hier weg. Ganz schnell. 

Ich starre ihm hinterher, bis er wieder aus dem Raum verschwunden ist und ich wieder alleine bin. Nicht ganz. Mit Fritzi. Die hat er hier gelassen. Ich warte noch. Dann höre ich, wie die Tür ins Schloss fällt. Ich verharre weiter. Es kann ebenso eine Täuschung sein. Fritzi blickt mich aus ihren runden Augen an, legt ihren Kopf schief. Will sie mir auch sagen, dass gut gut ist?

Nichts ist gut. Oder doch? Immerhin habe ich keinen Schimmer, was hier geschieht. Geschweige denn, wo ich bin. Wie komme ich jetzt nach Hause? Warum weiß ich das nicht, obwohl ich weiß, dass ich es mal wusste?

Es ist so anstrengend, wie als Kleinkind an eine Kokosnuss, die noch an einer Palme hängt, zu gelangen. Ach Papi, deine verdrehten Lehren wären mir jetzt lieb. Papi ... Wo bist du nur? Neue Tränen bahnen sich an. Krampfhaft unterdrücke ich sie. Eins nach dem anderen. 

Dieser Frederik scheint wirklich gegangen zu sein. Vielleicht ist er ein Netter. Aber ich kann nicht hierbleiben. Ich weiß es, ich merke es, jede meiner Hautzellen pocht darauf, dass ich schnellstmöglich weiterziehen sollte. 

So enthusiastisch, wie es mir möglich ist, schlage ich die Decke von mir weg, blicke an mir herunter und schüttele – was mir immer noch nicht guttut – mit meinem Kopf über mein desaströses Aussehen. Der schöne Stoff ist nicht mehr so seiden, wie er einst war ... Immerhin kann ich kein Loch ausmachen. Warum meinte Frederik, ich bräuchte andere Kleider? So schlimm ist es nun auch nicht. Und wenn ich seine einfache Robe mit meiner vergleiche, so reicht das völlig aus. 

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