Es scheinen sich wirklich Tränen anzubahnen. Jetzt tut er mir schon etwas leid. Dass mit dem Buchstabieren hätte ich wohl nicht erwähnen sollen. Aber es ist kein Grund, sich diesem Wahnsinn anzuschließen ... Ob Siggi davon wusste? Es wäre zumindest ein Grund, warum ich nie auf ihn getroffen bin. Aber was hat das alles mit mir zu tun? Und was konnte seine Nichte dafür? Oder Fia?
Die Geschichte an sich habe ich schon verstanden, denke ich. Hoffe ich. Aber hinter das 'Warum' steige ich nicht.
Es macht gerade den Anschein, als wüsste er gerade nicht einmal mehr, dass wir beide hier in diesem Raum sind. Dass er mir gerade noch dieses traurige Kapitel seines Lebens mitgeteilt hat. Er wirkt abwesend, in Trance oder so. Er starrt ins Leere. Sein Fokus ist offensichtlich nicht im Hier.
Sollte ich ihn auf mich aufmerksam machen oder nicht?! Immerhin meinte er, dass die anderen beiden wohl bald wiederkommen könnten.
Ich entscheide mich nach kurzem Überlegen zu einem Räuspern. Keine Reaktion. Na toll. Dafür diese ganzen Für und Wider, um dann gar keine Reaktion zu bekommen. Ich räuspere mich noch einmal – etwas lauter. Immer noch nichts. Das macht mich jetzt schon wieder wahnsinnig. Was ist nur los mit diesem Typen?! Fieberhaft versuche ich nachzudenken, was mir noch möglich ist, ohne ihn direkt zu beleidigen. Ich glaube, das wäre jetzt nicht so sinnvoll. Auch wenn mir seine Aufmerksamkeit dann garantiert wäre. Wenn ich alles so richtig verknüpft habe. Aber die Handlungen darauffolgend wären wahrscheinlich nicht die, die ich anstrebe.
Nur leicht komme ich mit meinen Fingerkuppen an die Stuhllehnen heran und tippe dagegen. Ein wirklich lauter oder gar eindringlicher Ton ist es nicht, aber vielleicht ein störender für ihn? Eine Zeit lang halte ich es durch. Doch auch darauf kommt nichts.
Als letzte Option habe ich natürlich meine Füße. Dagegen sträubt sich mir nur so viel. Denn ich will nicht auf seiner persönlichen Racheliste stehen. Und ein Stampfen mit den Füßen ... Ich habe irgendwie das Gefühl, dass es zu aufdringlich ist.
Nur was bleibt mir noch?! Vor allem, wenn Michel und Ken vermutlich bald wieder eintreffen werden?! Und wenn, dann ja sogar mit Fia. Ich muss es versuchen.
In der Hoffnung, damit die bessere Wahl getroffen zu haben, als los zu rufen, beginne ich mit meinem Hacken des linken Fußes auf dem Boden zu stampfen.
Siehe da, er bewegt sich. Unmittelbar unterbinde ich weitere Geräusche und warte wieder ab. Er senkt seinen Kopf seitlich, sodass mich seine Bewegung direkt an Fritzi erinnert. Nur das sie dabei niedlich aussieht. Bei ihm ... zeichnet sich schon wieder dieses Gesicht des Teufels ab.
»Dann prüfen wir mal, ob du hingehört hast.«
»Ich weiß nicht, was du genau hören möchtest. Oder besser gesagt, wie ich was sagen kann. Ich bin nicht gut in so was. Für den Scherz mit dem Buchstabieren entschuldige ich mich«, äußere ich, nachdem ich vergebens auf Fragen gewartet habe, aber nichts kam und mir bewusst wurde, dass er wahrscheinlich auf etwas von mir wartet.
»Das ist doch ein Anfang«, gibt er anerkennend zurück.
»Seb, deine Geschichte ist wirklich tragisch und alles, was dir widerfahren ist, tut mir leid. Auch die Jahre vorher, bevor das eine Erlebnis geschehen ist. Aber ich bin ehrlich, ich verstehe den Zusammenhang nicht. Also die Verbindung zu mir oder zu dem Mädchen.«
»Ich merke schon. Du hast ZUgehört, aber nicht HINgehört.«
»Ich denke schon, dass ich hingehört habe. Doch was an deiner Geschichte berechtigt dich für diese Leute zu arbeiten, die deine Nichte auf dem Gewissen haben oder andere Unschuldige jagen? Die so gesehen Menschen verhöhnen, wie es dir ebenso mal erging? Sag es mir, was?« Jetzt werde ich wütend. Egal, ob ich etwas übersehen hatte oder nicht. Darauf will ich eine Antwort haben. Meine Arme sind bis zum Äußeren angespannt, wobei mir die Fesseln die Grenzen aufzeigen. In mir lodert es so richtig.
»Frederik, Frederik.« Er schüttelt mit seinem Kopf. »Wie denkst du nur von mir?«
»Ähm ... Na, mit wem hältst du dich denn hier auf? Wer sitzt hier auf dem Stuhl oder wer steht dort? Wer hat deine Nichte großgezogen, bis sie aus dem Leben gerissen wurde?«
»Es tut mir leid. So kann ich dir nicht helfen. Du verstehst es nicht. Dieser Junge machte sich auf dem Weg. Er war nicht da. Er konnte nicht da sein. Er tüftelte an seinem Plan. So auch gehe ich jetzt.«
Tatsächlich setzt er sich in Bewegung. Ich fordere meinen Verstand auf, etwas Kluges auszuspucken. Ich habe es gerade mal wieder ordentlich verbockt und mich von der Wut leiten lassen. Er kann mir so nicht helfen, hat er gesagt. Der Junge tüftelte an seinem Plan ...
»Seb, warte! Ich hab es begriffen. Du teilst nicht ihre Werte.«
Er dreht sich breit grinsend um. Ein Glück, so skurril das auch klingen mag. Er ist meine einzige Chance. Sehen will ich ihn danach aber nie wieder.
»Du bist ja doch ganz clever, Frederik«, belustigt er sich nun. Und ich bin mir wieder unsicher, ob er nun verrückt ist oder nicht.
Er kommt mit schnellen Schritten auf mich zu, zückt einen Schlüssel und macht die Fesseln los. Laut aufseufzend reibe ich mir über die Stellen. Ordentliche Abdrücke werden noch lange sichtbar sein. Aber das ist mir egal.
»Also hilfst du mir?«, gehe ich auf Nummer sicher.
»Deswegen bin ich hier«, trällert er auf einmal los. »Obwohl eigentlich nicht, aber auf den heutigen Tag bezogen schon«, fügt er noch hinzu.
»Danke«, bekomme ich irgendwie aus mir heraus, als er mir die Unterlagen reicht. Auf dem ersten Blick sieht es nach einer Sammlung aus Zeichnungen, Formeln und Erklärungen aus. Ich hoffe, dass ich das wirklich verstehen werde. Er hat es mir erklärt, jetzt muss sich mein Verstand nur alles merken.
Er zieht mich hinter sich, als wir zur Tür gehen und befiehlt mir, immer hinter seinem Rücken zu bleiben. So leise wie möglich dreht er den Schlüssel, den er wohl im Schloss hängenlassen hat, um und reißt sie mit Schwung auf.
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Hat-Schi
Science Fiction◦𝗦𝗰𝗶𝗙𝗶/𝗗𝘆𝘀𝘁𝗼𝗽𝗶𝗲-𝗔𝗯𝗲𝗻𝘁𝗲𝘂𝗲𝗿-𝗬𝗼𝘂𝗻𝗴𝗔𝗱𝘂𝗹𝘁◦ ||1.ᴘʟᴀᴛᴢ ᴋᴀᴛᴇɢᴏʀɪᴇ ꜱᴄɪꜰɪ ʙᴇɪᴍ ʙᴏᴏᴋᴀᴡᴀʀᴅ 2024 ⁓ ɪɴꜱɢᴇꜱᴀᴍᴛ 2.ᴘʟᴀᴛᴢ|| 𝘡𝘸𝘦𝘪 𝘔𝘦𝘯𝘴𝘤𝘩𝘦𝘯 - 𝘡𝘸𝘦𝘪 𝘎𝘦𝘴𝘤𝘩𝘪𝘤𝘩𝘵𝘦𝘯. 𝘋𝘢𝘻𝘸𝘪𝘴𝘤𝘩𝘦𝘯 𝘭𝘪𝘦𝘨𝘦𝘯 𝘞𝘦𝘭𝘵𝘦𝘯. �...