»Lasst uns einen Plan machen. Aber vorher sollten wir uns gegenseitig erzählen, was wir wissen, sodass wir uns nicht unwissentlich ins Verderben stürzen.« Obwohl ich Waldtraud recht gebe, kann ich dem nicht zustimmen. Somit schüttle ich vehement mit meinem Kopf. Denn so schnell kann ich meine Antwort noch nicht niederschreiben.
Beide sehen mich überrascht an, warten aber geduldig, bis ich ihnen das Plättchen wie eine Tafel hinhalte.
Ich gehe alleine. Mit Fritzi. Aber ihr bleibt hier.
Es tut so gut, vernünftige Worte von mir zu sehen. Das letzte Mal ... war bei Frederik. Danach gar nicht mehr. Nur in meinem Kopf. Ich hatte schon Sorge, die letzten Tage, die mir wie eine Ewigkeit vorkommen, verrückt zu werden.
»Kommt gar nicht infrage. Wir kommen mit dir mit«, entgegnet Wilma mir perplex, »zumindest ich!«
Frederik ist wegen mir in dieser Lage. Ich mache das alleine. Ich danke euch. Aber nein.
»Du bist also genauso stur wie Frederik«, schaltet sich Waltraud nun ein, woraufhin ich sie verblüfft anblicke.
»Na ja«, beginnt Waldtraud mit einer ausladenden Handgeste. »Frederik mag auch gerne alles selbst in die Hand nehmen und wohin führte ihn das?!«
Ich drehe meinen Kopf zur Seite, sodass sie aus meinem Sichtfeld ist. Darauf soll ich jetzt anspringen. Innerlich wüten nun mehrere Anteile. Einerseits will meine Neugierde, dass sie mir mehr erzählt, andererseits will ich standhaft bleiben. Doch vielleicht nützt es mir ja auch, wenn sie weiter berichtet? Ich wende mich ihr wieder zu und blicke in ein lächelndes Gesicht. Ich kann es in ihren Augen ablesen, dass sie es wusste und ich muss nun zugeben, sie hat es geschafft. Ich bin darauf angesprungen.
»Du hast die Bilder gesehen und mir ist dein Blick nicht entgangen. Du hast nicht nur Frederik wieder erkannt. Das Mädchen, was damals etwa in deinem Alter war, hieß Frida.«
Waldtraud macht eine Pause, in der sie ihre Augen schließt. Es kostet sie offensichtlich viel Kraft darüber zu sprechen. Die Vergangenheitsform entging mir nicht. Mich fröstelt es plötzlich noch mehr und das liegt nicht an dem maroden Haus. Sorge überkommt mich, was ich nun zu hören bekomme, dass sich meine Vorahnung bestätigen würde können.
»Frida war ein außergewöhnliches Mädchen. Sehr fröhlich, trotz vieler Umstände. Ihre Eltern starben. Es war ein Unfall. So heißt es. Das kann auch gut sein. Aber wir wissen hier nie, was die Wahrheit ist und was nicht. Doch das ist schon lange her. Frederik hatte seiner Schwester schon früh versprochen, dass, wenn mal etwas geschehen sollte, er sich um Frida kümmern würde. Die beiden standen sich immer sehr nah. Er war kein Onkel, der nur zum Geburtstag oder anderen Festlichkeiten von sich hören ließ. Er war immer da. Er war vielleicht eher wie ein zweiter Vater für Frida und sie für ihn wie eine Tochter. Sein Sonnenschein. Die beiden haben sich gegenseitig Halt und Kraft gegeben, nach dem Rita und Siggi umgekommen sind. Er wollte keine Hilfe von irgendjemanden. Das brauchten sie auch nicht. Doch eines Tages tauchte Frida in meinem Garten auf.«
Gebannt warte ich, bis sie bereit ist, weiter zu erzählen.
»Sie gab mir Leichtigkeit und Schwung zurück. Wilma ist oft arbeiten und ich bin hier alleine. Allerhöchstens kommt Fritzi an manchen Tagen noch vorbei. Wobei Frederik glaubt, dass mich das stört.« Waltraud muss lachen. Sie hat ihn bestimmt im Glauben gelassen. Der Gedanke beschert auch mir ein Grinsen. Doch nun verdunkelt sich ihre Mine.
»Ich weiß nicht genau, wie es dazu kam ... Aber auch ich habe mir lange Vorwürfe gemacht, ob ich es nicht hätte ahnen können ... Doch ich habe mich nicht so abgekapselt wie Frederik. Er hat niemanden mehr an sich ran gelassen. Frida wurde bei einem Diebstahl erwischt.«
Nach einigen Momenten der Stille schaue ich sie an und bemerke, dass sie wohl zum Schluss gekommen war. Aber ... Schnell schnappe ich mir die Utensilien und halte ihr – in der Hoffnung, dass sie keine böswillige Absicht meinerseits dahinter verstehen würde – meine Fragen hin.
Warum Vorwürfe?
Diebstahl hatte diese Konsequenzen?»Ja zur zweiten Frage. Hier ist das so. Vielleicht kommt es auch darauf an, wer du bist. Das weiß ich nicht. Es gibt kaum Waren und Ressourcen. Diebstahl wird daher als eine Straftat angesehen, die harte Konsequenzen mit sich tragen soll. Du musst das System hier nicht verstehen. Es ist ... Egal. Zu deiner ersten Frage. Ich konnte meine Schuldgefühle mehr oder weniger ablegen. Denn nicht ich, sondern dieses System ist schuld und trägt die Verantwortung. Frederik macht sich bis heute Vorwürfe. Er hat es Rita und Siggi versprochen, sich um ihre Tochter zu kümmern, sie zu schützen. Und er glaubt, versagt zu haben. Er ist davon überzeugt. Daher wollte er auch niemanden mehr an sich ran lassen. Zumindest, bis du kamst. Und auch hier wollte er es wieder nur allein schaffen.«
Er hat sich nichts vorzuwerfen. Eine grausame Welt ist das hier. Schrecklicher, als ich angenommen hatte.
Danke für deine Ehrlichkeit.
»Ich nehme an, du willst dennoch alleine gehen?«
Ich nicke Waltraud zur Bestätigung zu. Ja, das will ich.
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Hat-Schi
Science Fiction◦𝗦𝗰𝗶𝗙𝗶/𝗗𝘆𝘀𝘁𝗼𝗽𝗶𝗲-𝗔𝗯𝗲𝗻𝘁𝗲𝘂𝗲𝗿-𝗬𝗼𝘂𝗻𝗴𝗔𝗱𝘂𝗹𝘁◦ ||1.ᴘʟᴀᴛᴢ ɪɴ ᴅᴇʀ ᴋᴀᴛᴇɢᴏʀɪᴇ ›ꜱᴄɪꜰɪ‹ ʙᴇɪᴍ ʙᴏᴏᴋᴀᴡᴀʀᴅ 2024 ⁓ ɪɴꜱɢᴇꜱᴀᴍᴛ 2.ᴘʟᴀᴛᴢ | 3.ᴘʟᴀᴛᴢ ʙᴇɪᴍ ꜱᴜɴʀɪꜱᴇ-ᴀᴡᴀʀᴅ 2024 || 𝘡𝘸𝘦𝘪 𝘔𝘦𝘯𝘴𝘤𝘩𝘦𝘯 - 𝘡𝘸𝘦𝘪 𝘎𝘦𝘴𝘤𝘩𝘪𝘤𝘩𝘵𝘦𝘯. 𝘋𝘢�...