17 ☾ ER

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Bisher habe ich Glück auf meinem Weg. Sonderlich ungewöhnlich ist es andererseits auch nicht, dass ich keinem begegne. Immerhin wohnen hier draußen nicht viele. Grosche, ich und Fritzi, dann kommen erst weiter weg ein paar weitere Hütten, von denen aber auch nicht alle bewohnt sind. Und in diesen wenigen, in denen welche untergekommen sind ... Tja, da hocken die Leute entweder in ihren Buden oder eben in solchen, in denen sie sich nur Ärger einfangen. Wie ich wahrscheinlich auch. Wir werden sehen. So wird es wenigstens nicht langweilig. 'Ne Fritzi? 

Und dennoch achte ich bei jeder Hütte, jedem Gebäude, ob es bewohnt ist oder nicht, auf Geräusche.

Bei dem Gedanken an Fia und dass ihr womöglich Ähnliches geschehen könnte wie Frida, da kreucht ... Stopp. Diese Gedanken muss ich beiseiteschieben. Wenn das so einfach wäre. Aber ich muss stark bleiben. Gerade für sie. Grosche hat in diesem Punkt recht. Das System. Grauenvoll. Was nur aus unserer Welt geworden ist. Würden sie das ihren eigenen Kindern auch antun? So traurig es ist, ich kenne die Antwort darauf nicht. Langsam keimt Wut in mir auf. Woher und warum kann ich gar nicht genau sagen. Vielleicht ist es auch eine Mischung aus Zweifel und Frust, die ich lieber als Wut bezeichne. Lieber Wut als das andere.

Fritzi trabt neben mir her. Sie würde mich ebenfalls früh genug auf Entgegenkommende aufmerksam machen. Zudem nehmen wir extra Umwege in Kauf, um so unentdeckt wie möglich unserem Ziel näher zu kommen.

Es ist bereits dunkel gewesen, als wir uns auf den Weg machten, doch noch früh genug, um die Leute anzutreffen, die ich sprechen will. Vor allem den einen.

Vor der letzten Biegung bleibe ich stehen. Ist das richtig? Ja oder Nein? Eindeutig Ja! Für die beiden. Also lockere ich meine Arme mit Schwingbewegungen, um danach meine Schultern zu straffen. Streng und ernst muss ich wirken, bloß nicht eingeschüchtert. Mit dieser aufgesetzten Mimik und der angepassten Körperhaltung setze ich einen Fuß nach dem anderen auf den unebenen, schon lange reparaturbedürftigen Boden mit Nachdruck auf. Ich biege um die Kurve und stoße gleich die erste Tür um die Ecke, die zum Stammtisch reinführt, schwungvoll auf. Gefühlt starren mich alle an. Ist ja aber nicht unbedingt ein schlechtes Zeichen. Auch wenn es mir ein unbehagliches Kribbeln bringt.

Am Eingang schaue ich durch die Runde und erblicke schon denjenigen, den ich ausquetschen will. Schnurstracks gehe ich auf ihn zu.

»Hast du schon gehört? Deine Hütte wurde gestern abgefackelt«, beginnt Kev ohne ein Hallo oder Sonstiges zur Begrüßung.

»Was?«, kommt es aus mir wie aus der Pistole geschossen.

Seine Augenbrauen verraten mir, dass ich meine Haltung nicht ganz gewahrt habe, aber bei so einer Neuigkeit vielleicht noch im Rahmen?!

»Weißt du etwas über das Mädchen?«, frage ich ihn direkt.

»Wie kommst du denn darauf?«

»Wie wohl?!«

Er blickt mich nur an und tut tatsächlich so, als hätte er keine Ahnung.

»Hätte doch sein können. Bei deinen Verbindungen, wie die auch immer gestrickt sind.« Denn da steigt ja keiner wirklich durch.

Irgendwie wissen alle, dass Kev Einfluss hat sowie die gewissen Kontakte zur Sektion und dem Senatsrat, aber nicht genau, welchen und inwiefern.

»Hah. So eng nun auch nicht.« Einerseits hat er sich mit dem 'so eng' etwas verraten. Aber die Frage hat er immer noch nicht beantwortet.

»So und nun mal wieder zurück zur Frage. Was weißt du denn?«

»Heißt nur, dass sie bei dir wäre, aber selbst wenn, dann jetzt wohl nicht mehr.« Beim letzten Satz zuckt er mit den Schultern, als wäre es egal. Was meine Finger jedoch zappeln und meinen Wunsch immer größer werden lässt ihm genau diese zur Faust geballt etwas unterhalb der Stirn reinzuhämmern. Doch er spricht schon direkt weiter. »Ich wusste ja gar nicht, dass du auf so junge ... Na ja, du weißt schon.«

Eine oder zwei Sekunden braucht mein Hirn, um die Information zu verarbeiten, die es da gerade bekommen hat.

»Was gibst du da von dir? Wie widerlich bist du eigentlich?« Damit hat sich das Gespräch auch erledigt. Eigentlich wollte ich mich gerade zur Tür drehen, um zu gehen. Doch ich entscheide mich um. Lieber kicke ich ihm den Stuhl unterm Hintern weg. Und dann wende ich mich ab und würdige ihm nicht mal mehr eines Blickes, wie er dort erschrocken auf dem Boden liegt. Widerlicher Mistkerl. 

Okay. Auf Kev und seine Hilfe können und müssen wir verzichten. Wenn nicht sogar mit Konsequenzen rechnen. 

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