12 ☾ SIE

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Mit einem Ruck jagen diese Worte den Rücken hinauf, gefolgt von einem Schauer, gefolgt vom Schweiß. Gleich haben wir dich!

Weiter. Ich muss weiter. Meine Sicht verschwimmt langsam. Meine Augen brennen. Durch das Rennen laufen mir meine Tränen quer an meinen Wangen herab. Sogar in die Ohren. Ich fühle mich so hilflos und weiß noch nicht mal, wo ich hinlaufen soll.

Die Männer hinter mir brüllen zu mir, sie kommen näher. Sie machen mir Angst. Ich will nicht wieder bei ihnen sein. Ich weiß zwar nicht, was sie mit mir gemacht haben, aber die eine Stimme habe ich wieder erkannt. Gleich haben wir dich!

Wie kann ich ihnen entkommen? Ich will weg, am liebsten ...

Auf einmal ist es ganz leise.

Ich registriere meine geschlossenen Augen. Vorsichtig öffne ich eins nach dem anderen und erblicke ... die Wiese? Ist es wirklich diese Wiese, auf der ich übernächtigt hatte? Sie sieht genauso aus. Ist das möglich?

Angespannt – meine Beine über Kreuz eng beieinander gepresst, meine linke auf meinen rechte Hand fest vor meinem Brustkorb gedrückt – stehe ich da, traue mich kaum zu atmen, geschweige denn mich zu bewegen.

Nervös pfriemle ich wieder an meinem Arm und dessen Handgelenk herum, an dem dieser schöne Mond prangt.

Ein Geräusch lässt mich zusammenzucken, wodurch ich bemerke, dass die Anspannung bereits Schmerzen in meinem Rücken verursacht hat. Von rechts im Gebüsch kommen die Klänge. Ein Rascheln. Unfähig, mich zu entschließen, ob ich weiterlaufen soll oder nicht, bleibe ich wie angekettet dort stehen und fixiere die Stelle, von wo aus ich die Töne meine, vernommen zu haben. Irgendetwas geschieht gleich. Wird mich etwas angreifen? Meine Hände – immer noch auf meiner Brust – erzittern durch den wummernden Herzschlag. Warum laufe ich nicht davon? Mehr Bewegung im Gebüsch bremst meine Gedanken und zieht meinen Blick noch gebannter dorthin. Plötzlich springt es raus. Ein weißes Häschen. Es sieht nur kurz in meine Richtung, aber mich nicht einmal an. Als gäbe es hier überhaupt keine Bedrohung. Und hopst dann seiner Wege lang.

Das soll es nun gewesen sein, wovor ich mich geängstigt habe? Im Grunde weiß ich, dass dem nicht so ist, jedoch ist es so leichter. Beim Anblick des Kaninchens kann ich sogar ein wenig lächeln.

In meinem Inneren bleibt die Anspannung jedoch bestehen. Ich traue dem hier nicht. Es könnte ein trügerischer Schein sein und gleich ist alles vorbei und sie kommen, um mich zu holen.

Trotzdem lockere ich nun endlich etwas meine Arme und auch meine Beine entknote ich. Einen festen Stand behalte ich bei und schaue immer wieder um mich, ob sich etwas geändert hat.

Irgendwann muss ich mir eingestehen, dass sie nicht hier sind und wüssten sie, dass ich hier bin, wären sie schon längst hier gewesen.

Heute wage ich mich über die Wiese zu wandeln. Vielleicht habe ich auch nur den Mut, um nicht noch länger an der gleichen Stelle zu verharren.

Nachdem ich etwas weiter auf die Wiese gelange, sehe ich, dass sie sich noch viel weiter erstreckt, als ich angenommen hatte. Es ist wunderschön. Die Halme des Grases werden höher und nach ein paar Metern auf der Wiese reichen sie mir bis fast zu meinen Knien. An manchen Stellen ist es flacher. Bestimmt, weil jemand – oder Tiere – drüber gelaufen und gesprungen sind. Die Höhe der Halme bezeugen aber zum Großteil, dass sich hier schon länger nicht mehr Menschen aufhalten. Obwohl es so malerisch aussieht. Je weiter ich hineingehe, desto mehr kann ich die Gedanken an die Männer loslassen.

Mit den Armen seitlich ausgestreckt empfange ich den leichten Wind, der mir gerade entgegen weht. Herrlich. Ich schließe die Augen und sauge die frische Luft, die ich hier zum ersten Mal feststellen kann, auf. Meine Augen richte ich nun in den Himmel, der in einem hellen Blau getüncht ist. Auf dieser Wiese scheint es anders als im Rest dieses Ortes. Irgendwie friedlich. Mit den Händen streiche ich über die Halme, betrachte dabei meine Hände und erfreue mich an dem leicht pieksigen Gefühl, was ich an meinen Fingerkuppen spüre. Die Hände sanft oben auf liegend gehe ich weiter. Einfach quer durch. Meinen Sinnen nach.

Nach einer Weile kann ich etwas Plätschern hören. Ich bewege mich in die Richtung, aus der ich den Klang vermute. Und tatsächlich erscheint vor mir, womit ich nicht mehr gerechnet habe, fließendes Wasser. Innerlich zuckt mein Körper schon ganz freudig bei dem Anblick, doch ich halte noch ein.

Erst beobachten, sich in Sicherheit wähnen, dann. 

Ich hocke mich also ins hohe Gras und warte ab, ob noch jemand anderes am Wasser ist oder in nächster Zeit dort hinkommt. Genauso lausche ich angestrengt hin.

Doch sowohl sehen als auch hören kann ich nichts. Daher traue ich mich aus meinem Versteck und schleiche mich Schritt für Schritt an die Wasserstelle heran. 

Hat-SchiWo Geschichten leben. Entdecke jetzt