44 ☾ SIE

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Ein phänomenaler Anblick. Ganz klein komme ich mir vor. Obwohl ich nicht glaube, dass er mir nicht das Gefühl vermitteln mag. Staunend hebe ich meinen Kopf und fahre in meinem Kopf die Rillen in dem Ungetüm nach. Bis ich oben ankomme. Zumindest soweit ich schauen kann. Es ist magisch. Irgendwie freue ich mich hier zu sein. Ich schließe meine Augen, um diesen wunderbaren Moment in seiner Gänze aufnehmen zu können. Als ich sie wieder öffne, stehe ich auf einmal woanders. Das Glücksgefühl weicht. Ich fühle, wie mehrere Augenpaare mich durchbohren wollen, wie einige Finger auf mich zeigen. Sie bilden einen Kreis, schließen mich nicht ein. Ich bin die, die sich in der Mitte befindet. Auf keine zeremonielle Art und Weise. Nicht so wie ich es kenne. Sie kommen näher. Im Gegensatz zu dem Berg, der einladend und majestätisch wirkte, mir Energie geben konnte, fühle ich mich plötzlich ganz klein und kraftlos. Sie wollen mich nicht willkommen heißen. Gelächter dringt an meine Ohren, was meinen Körper zum Beben bringt. Hier gehöre ich nicht hin. »Was willst du? Hat-Schi? Hahaha.«

»Hat-Schi?« Meine Stimme klingt ganz quietschig und verängstigt, obwohl sie nur ein Hauch von dem ist, was sie eigentlich einmal war.

»Hast du gerade etwas gesagt, Fia?«

Ruckartig setze ich mich auf. Ich habe glatt schon wieder vergessen, wo ich bin. Geträumt habe ich mal wieder. Ich blicke zu Fritzi, die zu meinen Füßen liegt und mich mit ihren süßen Augen anschaut, was mir ein Lächeln abringt. Dann schaue ich zu Frederik. Er lächelt mich an und sieht wartend aus. Ich zucke mit den Schultern.

»Ich dachte nur, dass du gerade etwas gesagt hast. Schon okay.« Er klingt leicht verzweifelt. Bestimmt hat er wegen mir nicht viel Schlaf bekommen.

»Nei-« Ich sauge scharf die Luft ein und schlage meine Hand vor den Mund. War ich das gerade? Die ersten Tränen bilden sich. Ich kann es nicht glauben. Frederik, sag bitte etwas, flehe ich ihn in meinen Gedanken an.

»Ist schon okay«, spricht er aus, was ich befürchtet habe und kommt auf mich zu. Vorsichtig nimmt er meine Hand vom Mund weg und geht wieder einen Schritt zurück. »Fia, ähm, ich hoffe, du bist nicht böse mit mir. Als ich in deren Gefangenschaft war, ... und na ja, bevor ich entkommen konnte ... Ich weiß nicht, wie ich es sagen soll. Auf jeden Fall habe ich ...« Frederik greift in seine Hosentasche und zieht etwas heraus. Papier? Ich dachte, das gäbe es hier nicht. »Also hier, das habe ich mitnehmen können. Das sind die Aufzeichnungen zu den ... Dingen, die sie mit dir gemacht haben. Weil ich letzte Nacht nicht schlafen wollte, um aufpassen zu können, habe ich sie mir noch einmal angeschaut und ich war so wütend und frustriert, aber auch traurig, weil diese Leute so etwas machen. Und ich habe mich so hilflos gefühlt, obwohl sie das ja mit dir gemacht haben. Was ich dir eigentlich sagen will, Fia. Ich habe versucht, diese Manipulation, die da irgendwie mit deinem Armband oder wie auch immer das genannt wird zusammenhing, rückgängig zu machen. Es tut mir leid, Fia. Und du warst sogar aufgewacht und hast mir zugenickt, als ich fragte, ob ich weitermachen soll. Aber ich habe mir bereits gedacht, dass du das gar nicht richtig mitbekommen hast. Es tut mir wirklich richtig leid. Ich hätte warten sollen.«

Irgendwie lässt mir das mit dem Papier keine Ruhe. Ich hätte die ganze Zeit welches gebraucht, damit ich mich verständigen kann, vielleicht hätte mir dann jemand geholfen. Andererseits hätten sie mir auch so mal versuchen können, ehrlich und aufrichtig entgegen zu kommen. Ich kann jedoch nicht aufhören, diese Zettel anzustarren.

»Möchtest du diese Unterlagen haben? Hier.« Er macht wieder einen Schritt auf mich zu. Frederik hält seinen Kopf gesenkt und ich sehe, wie etwas auf seiner Wange glitzert. Das holt mich weg von den Unterlagen. Frederik. Er hat mir immer nur helfen wollen. Von Anfang an war er da. Er hat keinen Grund sich zu fürchten und ich keinen böse zu sein. Ich bin dankbar und froh, dass er da ist. Wie Waltraud meint, Frederik ist ein wahrer Beschützer. Ein sturer Beschützer. Ich kann es nicht verhindern, dass mir ein leises Lachen entwischt. Das entgeht ihm natürlich auch nicht.

»Alles in Ordnung?«

Oh nein, nicht, dass er denkt, dass ich über ihn lache. Ich muss schnell etwas sagen. Aber ... so lange habe ich nichts über meine Lippen bringen können und nun soll es wirklich so weit sein ... Es wäre unglaublich. Ob es wirklich gelungen ist? Kann das sein? 

Noch mehr als dem Bedürfnis nachzukommen, herauszufinden, ob ich wirklich wieder normal sprechen kann, möchte ich vermitteln, dass ich ihn nicht ausgelacht habe. 

»J-ja«, spreche ich daher. Was? War das wahrlich meine Stimme? Frederiks Gesicht nach zu urteilen wohl schon?! 

Ich kann nicht anders. Ich muss einfach strahlen. Ich kann sprechen. Das war meine Stimme mit richtiger Sprache. Etwas holprig, aber das ist mir egal. Unglaublich. Ich hole tief Luft. »JA!«, rufe ich voller Freude aus. 

Hat-SchiWo Geschichten leben. Entdecke jetzt