19 ☾ ER

55 10 73
                                    

Draußen an der frischen Luft schnappe ich schnell nach dieser. Die letzten Schritte habe ich doch den Atem angehalten, in der Sorge, dass mich noch jemand von hinten packt und wer weiß, was machen wird. Immerhin habe ich es mir nun verscherzt. Nichts wie weg hier.

Hinter mir höre ich, wie die Tür auf und zu geht. Ich bleibe stehen.

»Frederik?«, höre ich eine Stimme leise und doch ganz klar gegen meine Rückenwand sprechen. Erleichtert atme ich aus. Es ist Kara. Aber wieso? Weiß sie etwas? Ich sollte einfach gehen, mich hier nicht länger aufhalten.

»Ich ... ich habe sie gesehen«, erzählt sie nun noch vorsichtiger.

»Wann?«, frage ich im gleichen Ton nach, bleibe aber genau so stehen.

»Heute oder ... besser gesagt gestern.«

»Wo?«

»Auf ...«

Wir werden unterbrochen. Die Tür wird aufgestoßen. Geklapper. Getratsche. Ich verharre. Die Tür geht mit einem Ruck wieder zu. Nichts sehe ich von dem, was hinter mir geschieht, kann es nur erahnen. Ich räuspere mich. Wird sie es verstehen? Oder war sie diejenige, die wieder reingegangen ist?

Gerade will ich losgehen, da spüre ich ihre Präsenz nah an mir. Unter anderen Umständen viel zu nah. Äh. Konzentriere dich. 

»Auf dem Marktplatz. Drei Männer – sahen verdächtig nach Sektion aus – waren hinter ihr her. Ob sie sie erwischt haben? Ungewiss. Sie war auf einmal weg. Habe sie nicht mehr gesehen. Nur komischen lila Dunst.«

Ihre Worte rattern in meinem Kopf nochmals durch. Genauso schnell, wie sie eben an mich herankam, hat sich ihre Gegenwart nun ins Nichts aufgelöst und ist verpufft. Kara ist fort und ich sollte das Gleiche tun. Richtung Marktplatz.

Lila Dunst?! Na klar. Kara schmückt ihre Geschichten auch gerne aus. Sowie Kev. Gleiche Familie eben. Aber warum hilft sie mir? Oder ist es eine Falle? Ist gleich. Ich muss dorthin. Wenn es irgendwo Hinweise gibt, dann vielleicht da. Und nun bin ich sowieso schon hier, im Zentrum. Da kommt es auf die paar wenigen Meter auch nicht mehr an.

Auf der Hut sein sollte ich dennoch. Zu Fritzi blickend versichere ich mich, dass sie noch bei Kräften ist. Drei Männer. Diese drei Männer. Ganz sicher. In mir zieht sich wieder alles zusammen. Was, wenn sie sie schon haben? Das darf nicht sein! Nicht schon wieder! Verdammt!

Von Weitem kann ich den Platz schon sehen und stelle fest, dass er so gut wie leer ist. Das ist gut. Ich beschleunige meine Schritte, bis ich auf dem Platz angekommen bin. Dieselbe Gruppe wie immer steht an der gleichen Stelle wie auch sonst und treiben, was sie eben tun. Mit gesenktem Kopf gehe ich an ihnen vorbei. Tatsächlich kann ich Wortfetzen wahrnehmen.

Komisches Mädchen ... Hoffen, dass Männer sie noch bekommen haben ... Gehört weggesperrt ... Violetter Nebel.

Was haben die mit ihrem lila oder violett? Und dazu noch so einem schwachsinnigen Nebel? Was war denn heute auf dem Marktplatz los? Doch das andere macht mich viel wahnsinniger. Wie können die so etwas sagen? Sie kennen sie doch gar nicht! Angespannt stehe ich nun da, einige Armlängen von ihnen entfernt. An einer Laterne, die gerade genug Licht spendet, um den Boden vor sich sehen zu können. Ein kleines Stück vor mir macht ein Zettel ein seltsames Geräusch, ähnlich einem Motor. Wie lang habe ich so etwas schon nicht mehr gehört?! Tierisch genervt greife ich danach. Total geschockt ... lasse ich es beinahe direkt wieder fallen. Ich starre das Bild vor mir an, spüre im gleichen Atemzug die Seitenblicke der Gruppe, als würden sie mich mit ihren Augen malträtieren. Doch es ist mir egal. 

Das Bild. Es ist Fia.

»Das komische Mädchen, was nicht sprechen kann«, sagt der eine aus der Gruppe und ich hatte nicht mal mitbekommen, dass sie sich genähert hatten.

»Hm?«, mache ich bloß und drehe mich zu ihnen.

»Das Bild, was de da hast. Sie kann nicht ma wirklich sprechen.« Aber du, du Clown?! 

»Ach, das ist ja komisch. Was ist mit ihr?«, frage ich dümmlich nach.

»Hast wohl gar nichts mitbekomm, wa?« Und hier redet wohl nur einer und bekommt dann noch nicht mal richtig die Zähne auseinander, hätte ich gerne gesagt.

»Keine Ahnung. Hab heute den Markt ausgelassen.«

»Ah. Muss auch ma sein, ne?! Na, das Mädel haste dann verpasst.«

»Dann ist es so«, antworte ich nur noch, weil ich mir wohl nicht mehr erhoffen kann.

»Die ist in die Richtung abhaun.« Er zeigt über den Marktplatz auf die andere Seite zu einer Ecke. »Und dann Puff ... war se weg.«

»Gefangen worden meinste?!«, äußere ich so locker wie möglich.

»Nee nee. Die Sektion kamen ohne se wieder.«

»Ach was. Vielleicht haben sie sie ja aber jetzt.« Innerlich freue ich mich.

»Ja, vielleicht. Wer weiß, ne?!«

»Ja, hoffen wirs. Bis zum nächsten Mal«, verabschiede ich mich.

»Haunse.«

Ich gehe zur gegenüberliegenden Ecke – nicht zu der, auf die er gedeutet hatte – und werde dann von außen herum über einen Umweg dorthin gehen. Außerdem zerknülle ich das Bild von Fia in meinen Händen und am nächsten Mülleimer tue ich so, als würde ich es reinwerfen.

Auf zum nächsten Punkt. 

Hat-SchiWo Geschichten leben. Entdecke jetzt