Kapitel 3

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Vier weitere Tage vegetierte ich vor mich hin.

Meist befand ich mich in einem ähnlich dämmrigen Zustand, wie im Wald, wo ich zwar alles um mich herum mitbekam, jedoch mich wie in Watte eingepackt fühlte. Ab und zu packte mich ein außergewöhnlicher Tatendrang, und ich fing an den Raum und seine Regale zu erkunden, half Amy bei ihren Experimenten oder übte kleinere Tricks mit meinem Fresser, dem ich den Namen Loopi gegeben hatte, ein. Doch dieser Zustand dauerte nie länger als eine halbe Stunde und danach war ich meistens so geschafft, dass ich mit einem pochenden Kopf sofort einschlief. Ich spürte aber, dass von Tag zu Tag der Nebelzustand immer mehr verschwand und diese halben Stunden sich häuften.

Zweimal am Tag kam dann auch noch dazu, dass Amanda sich meine Wunden anschaute, dieses rote Zeug aus dem Glas, dass immer beim Kochtopf stand, auf meinem Handgelenk und meiner Schläfe verschmierte und mir den Verband wechselte. Das rote Zeug nannte Amy „Blutbrühe", war aber eigentlich aus Haselnussöl, dem Fruchtfleisch einer blutroten Frucht und einigen Kräutern.

Als ich an diesem Tag früh morgens aufwachte, spürte ich gleich, dass es mir schon viel besser ging. Die Watte war weg! Ich stand gleich auf. Loopi kam angeflogen und flatterte aufgeregt um mich herum. Dabei quietschte sie wie ein kleines Ferkel. Ich lachte.

Loopi brachte das zum Ausdruck, wie ich mich in diesem Moment fühlte. Barfuß lief ich zum großen Kochtopf hinüber und schnappte mir den Kochlöffel. Ich musste unbedingt testen, ob die Matsche darin nun endlich fertig war. Amy hatte gemeint, wenn man nicht mehr umrühren könne und die Matsche anfing Kleberfäden zu werfen, wäre sie endlich so weit.

Ich wollte rühren, doch es ging nur noch Millimeterweiße voran. Ich zog am Kochlöffel und mit riesigem Kraftaufwand bekam ich ihn endlich raus. Und siehe da, ein langer brauner, klebriger Faden führte vom Löffel bis zum Topf. Vorsichtig strich ich mit dem Finger darüber.

Er war so elastisch, dass ich mit dem Finger daran zupfen konnte und er wie ein Gummi hin und her wackelte. Ich kicherte. Das war ja total witzig, und daraus wollte Amy jetzt so einen coolen Stoff herstellen, wie diesen, aus dem meine Hose und T-Shirt gemacht waren? Ich konnte es mir irgendwie nicht vorstellen, vor allem, weil ich immer noch die Magen-Darm-Problem-Brühe vor meinem inneren Auge sah.

Als hinter mir ein Geräusch zu hören war, ließ ich den Kochlöffel wieder zurück fallen. Amy kam durch die Bodenluke gekrochen, mit einem großen Bündel Feuerholz auf dem Rücken.

Amy's Haus war nämlich hoch oben in den Wipfeln einer der Mutantenbäume aus dem Wald. Sie hatte, besser gesagt, einfach nur zwei solcher Holzkästen im Baum hängen. Einer war dieser, in dem sie ihre ganzen Experimente, Heilpasteten und sonstiges Zeug herstellte, und der andere Kasten hing etwas tiefer im Baum in dem ihr Bett und ihr Wohnbereich war und sie auch jede Art von Besuch empfing. Eigentlich mochte sie ja keinen Besuch, aber egal wie kratzbürstig man sei, man konnte trotzdem kein Besuch verhindern, hatte sie seufzend gemeint.

„Ich sehe, dir geht es wieder besser.", stellte sie fest, während sie ihr Holzbündel auf einen Haufen staubiger Stoffe fallen ließ.

Ich nickte grinsend und deutete auf den Topf: „Sieh mal da rein. Ich glaube das Zeug ist bald fertig."

„Ahja, meinst du das."

Amy schlurfte zu mir herüber und guckte in den Topf. Dann nahm sie mit kritischem Blick den Löffel und ließ ihn im Topf kreisen und anschließend noch ein paar Fäden ziehen.

„Das dauert noch ein paar Tage, der Löffel gleitet durch das Zeug ja noch wie durch einen frischen Quellbach.", kicherte sie, „ich glaube, dass du dünne Stelze einfach keine Kraft in deinen Armen hast."

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