Kapitel 35

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Erschöpft stolperte ich hinter Grace aus dem Geheimgang. Wir redeten nicht und wir schlossen auch nicht mehr den Geheimgang. Wir hatten keine Zeit. Außerdem kam Nathan vielleicht doch noch durch den Geheimgang.

Ich wusste, dass es eine Lüge war.

Nathan war zurückgeblieben um uns zu schützen. Er hatte den Geheimgang hinter uns geschlossen und würde uns decken. Trotzdem sollte ich so schnell wie möglich in mein Zimmer zurück, falls sie ihm nicht glauben sollten, dass er alleine war.

Grace öffnete leise die Türe und spähte in den Gang, bevor sie hinaus schlüpfte und mich schnell und sicher zu meinem Zimmer führte. Keiner hatte uns gesehen.

„Ich komme später wieder", erklärte Grace bevor sie wieder verschwand.

Ich striff mir die Schuhe von den Füßen und legte mich ins Bett zurück. Wo sich mein Puls langsam wieder beruhigte, meine Gedanken aber keine Sekunde still stehen konnten.

Was war mit Nathan? Was würden sie mit ihm machen? Was hatte Julius gesagt? Was war mit Nathan?

Nichts Anderes konnte ich denken und als es schließlich an meiner Türe klopfte, dachte ich, dass man mir meine Fragen regelrecht auf die Stirn geschrieben stehen sehen müsste. Jeder würde sofort wissen, dass Nathan mit mir in der Bibliothek war!

„Ja?", ich versuchte meine Stimme fest klingen zu lassen. Doch sie zitterte erbärmlich. Die Türe ging auf und Adam kam ins Zimmer. Er sah übermüdet und abgeschafft aus. Ich richtete mich ein wenig im Bett auf und fragte: „Ist es schon so weit?"

Ich konnte die Erleichterung auf Adams Gesicht sofort erkennen und war selber etwas erleichtert. Sie hatten uns nicht gesehen. Und er konnte Julius erzählen, dass ich noch immer im Bett lag.

„Ja. Ich habe dafür gesorgt, dass du dein Essen hier auf dem Zimmer einnehmen darfst und alles für die Reise vorbereitet. Es wird dich jemand durch das Gebirge begleiten und anschließend kannst du mit einer Händlerkarawane weiterreisen, die auf dem Weg nach Carvas ist."

Ich stieg aus dem Bett und Loopi landete von ihrem Schlafplatz auf meiner Schulter. „Danke", sagte ich trocken und versuchte mir nichts anmerken zu lassen.

Was hatte Julius gesagt?

„Ich glaube es ist besser, wenn du dich von Lukes nicht verabschiedest. Ich werde nach dem Essen noch einmal kommen und dir ein Abschiedsgeschenk von mir geben", er lächelte mich müde an und ich erwiderte es gezwungen.

Dann schwiegen wir beide einen Moment. Schließlich räusperte sich Adam und meinte: „Ich muss noch einige letzte Vorkehrungen treffen und komme ungefähr in einer Stunde wieder. Bis dahin solltest du gegessen und alles gepackt haben."

Er drehte sich um und öffnete die Türe, woraufhin zwei Frauen hereinkamen. Die eine hatte ein Tablett in den Armen und die andere einen Krug mit Wasser und ein Schüsselchen mit Fleisch für Loopi.

Sie stellten beides auf meinem Nachtisch ab und verließen den Raum wieder. Auch Adam war verschwunden und ich blieb mit Loopi alleine zurück, die sich sofort auf ihr Fleisch stürzte.

Ich beobachtete, wie sie die Fleischbrocken herunterschlang, als hätte sie seit Tagen nichts mehr zu Essen bekommen. Ich seufzte und warf ein paar Holzscheite nach.

Nathan hatte sie mir aufgeschichtet gehabt. Wo er wohl jetzt war? Wie es ihm wohl ging?

Dann setzte ich mich auf das Bett und starrte lustlos das Tablett an, auf dem ein Teller mit dampfender Suppe, mehrere Scheiben Brot und ein Pott mit orangenem Gelee stand. Ich schüttete mir nur etwas Wasser aus dem Krug in ein Glas und nippte daran.

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