Kapitel 27

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Grace saß wie ein Häufchen Elend vor meiner Zimmertüre. Die Augen und Nase waren noch gerötet vom Weinen, doch es flossen keine Tränen mehr.

Als sie mich kommen sah, stand sie auf, sagte aber nichts. Durch die geröteten und wässrigen Augen, leuchtete das Grün ihrer Augen wie ein Frühlingswald im Morgentau, noch durchzogen von Nebelschwaden. Ich strich dem Mädchen über den Kopf, als ich die Klinke mit dem roten Tuch zu meinem Zimmer herunterdrückte und wir beide mein Zimmer betraten.

Ich schloss die Türe und Loopi, die ich nicht mit zum Frühstück genommen hatte kam angesaust. Sie landete in Grace Armen, die sie sofort an sich drückte und schmiegte. Ich schob das Mädchen mit dem Hasen weiter in den Raum und drückte sie auf einen Sessel. Während ich mich auf den anderen setzte. Nathan hatte schon das Feuer entzündet und es stapelten sich frische Holzscheite an der Wand.

Grace blinzelte zu mir hinüber, während sie ihr Gesicht im weichen Fell von Loopi vergrub. Ich lächelte sie warm und aufmunternd an. Ein schwaches Lächeln erschien auf ihrem blassen Gesicht. Und ich streckte die Hand aus, um dem Mädchen übers Haar zu streichen.

„Darf ich mich zu dir setzen?", fragte sie ungewohnt schüchtern. Ich nickte und rutschte ein Stück zur Seite, sodass sie sich zu mir auf den Sessel quetschen konnte. Ich legte den Arm um sie und Grace lehnte ihren Kopf gegen meine Schulter.

„Ellan mag dich nicht", murmelte sie in Loopis Fell. Ich lächelte leicht. Ich glaube das beruht auf Gegenseitigkeit. Ich sagte aber nichts und strich nur über Grace Arm.

„Magst du sie denn?", fragte ich stattdessen leise. Ich spürte wie Grace den Kopf schüttelte, dann aber innehielt und heftig nickte. Schließlich meinte sie niedergeschlagen: „Ich mag sie eigentlich schon. Aber manchmal ist sie sehr gemein zu mir. Dann mag ich sie nicht. Doch ich glaube, wenn sie jetzt bald wegzieht, dann vermisse ich sie schon. Sie hat mir früher immer vorgelesen und Seilspringen beigebracht. Und ganz früher hat sie auch noch Verstecken mit mir gespielt."

Ich lächelte: „Ich glaub, sie mag dich auch." Ich spürte wie Grace Kopf auf meinem Arm sich hin und her drehte, als sie ihn schüttelte.

„Ich glaube nicht nur, dass sie dich gern hat. Ich weiß es sogar", erklärte ich mit fester Stimme. Grace hob den Kopf und sah zu mir auf. „Woher willst du das wissen?", fragte sie mit ehrfürchtiger Stimme. Ich tippte mit der Hand auf meine linke Brust. „Manche Sachen, die weiß man einfach, nur weil man es tief hier drinnen spürt. Auch wenn man sie hier nicht weiß." Ich tippte auf meinen Kopf. „Und weißt du was? Du kannst das auch. Wenn du nicht mehr weiter weißt oder du etwas Bestimmtes vergessen hast, dann höre auf dein Herz", ich tippte dem Mädchen auf die Brust, „denn die wichtigsten Sachen und Antworten, sind hier drin abgespeichert und können niemals geklaut werden."

Grace blinzelte: „Meinst du wirklich, dass das bei mir geht?" Ich nickte und lächelte sie an: „Ich weiß es sogar." Grace lächelte nun auch und kuschelte ihren Kopf wieder gegen meine Schulter.

Nach einer Weile, während wir nur schweigend ins Feuer gestarrt hatten, fragte sie: „Kann das jeder? Ich meine das Wissen im Herz haben?" Ich überlegte einen Moment: „Ja ich denke schon."

„Aber du weißt es nicht?", Grace drehte wieder den Kopf nach oben. Ich zögerte. „Nein, dass weiß ich nicht so genau."

„Aber ich weiß es!", Grace Augen leuchteten mich an, bevor sie den Kopf wieder senkte. Ich drückte ihr ein Kuss auf die hellen Haare und murmelte: „Na dann ist es gut." Und das meinte ich auch so.

Als das Feuer kleiner wurde, durchbrach ich die angenehme Stille: „Sollen wir Daria noch das Kleid zurückbringen?" Grace nickte und wir pellten uns aus dem Sessel. Ich nahm das Kleid, dass immer noch zusammengeknautscht auf dem Boden lag, schüttelte es schuldbewusst aus und hängte es über meinen Arm. Loopi landete auf meiner Schulter und Grace führte mich aus dem Raum.

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