Ich versuchte mich auf das Essen vor mir zu konzentrieren, konnte jedoch die Blicke der Anderen am Tisch immer wieder zu mir schweifen spüren. Wie heiße Nadeln stachen sie in mich ein.
Ich selber ließ meinen Kopf gesenkt, beobachtete aber aus den Augenwinkeln die Familie McKay.
König Julius saß als Hausherr am Ende des Tisches und unterhielt sich mit einem rauen, breitschultrigen Mann zu seiner Rechten, der mit seiner Frau und seinem Sohn, gestern Nacht angekommen war. Sie waren die ersten Gäste für Ellan's Abschiedsfest, was mich eigentlich nicht wirklich sehr interessierte.
König Julius, war zu meiner Verwunderung, genau wie seine beiden Schwestern eine schmächtige Person. Er saß in einer vorgekrümmten Haltung am Tisch, als ob seine Schultern den purpurnen Mantel fast nicht tragen könnten. Er war viel jünger, als ich erwartet hatte. Ich schätzte ihn an die dreißig. Er hatte schön zurechtgekämmte, helle, blonde Haare, die unter einem gold-silbernen Kranz hervorkamen.
Obwohl er eher einem kahlen Strich in der Landschaft glich, klang seine Stimme energisch und gebieterisch über den Tisch zu mir herüber. Zu meinem Glück hatte der König sich noch mit keinem Wort, geschweige denn einem Blick, an mich gewandt.
Auf der anderen Seite neben ihm saß Adam. Lukes saß zum Glück neben mir am Tisch, was mich extrem beruhigt hatte. Ihm gegenüber saß Ellan. Pardon ich meine natürlich PRINZESSIN Ellan, seine Verlobte.
Sie hatte blonde, lange Haare und blaugraue Augen mit denen sie immer wieder Lukes über den Tisch hinweg schüchterne Blicke zuwarf. Ich konnte sehen, wie sie rot anlief und den Kopf schnell wieder senkte, wenn Lukes genau im gleichen Moment in ihre Richtung sah.
Auf Lukes Gesicht konnte ich jedoch keinerlei Regung sehen. Aber wann konnte man das schon richtig?!
Ellan hätte umwerfend hübsch aussehen können, wenn sie nicht ganz so abgemagert gewesen wäre. Ihre Augen saßen tief in den Höhlen, die Wangen waren ausgemergelt und ihr Kiefer endete in einem spitz zulaufendem Kinn. Durch die bleiche Gesichtsfarbe und die hellen, knochigen Hände, die aus ihrem hübschen blauen Kleid kamen, sah sie mehr tot als lebendig aus.
Ihre kleine Schwester Grace, die neben ihr saß, sah da schon um einiges gesünder aus, auch wenn sie genauso dünn wirkte. Sie hatte jedoch einen gesunden Appetit und ihre Wangen waren gerötet vor Aufregung, während ihre grünen Augen strahlten und von einem zum anderen am Tisch schossen.
Die schlimmste Person am Tisch, war jedoch die Frau, die neben Grace saß und alles Geschehen mit Adleraugen bewachte. Sie war die Mutter der drei Königsgeschwister und hatte ihre graubraunen Haare zu einem strengen Knoten nach hinten gesteckt. Die gleichen grünen Augen, wie die von Grace ruhten immer wieder überwachend und ernst auf den Leuten am Tisch. Dabei hatte ich das Gefühl, dass sie vor allem mich nicht aus den Augen ließ. Ich rutschte unruhig auf meinem Stuhl hin und her. Traute mich fast gar nicht auch nur in ihre Richtung zu blinzeln während ich mich zwang das Essen auf meinen Teller in meinen verkrampften und verknoteten Magen zu pressen.
Der Platz der Königin, am Ende der großen Tafel, war leer geblieben.
Königin Daria lag immer noch krank in ihrem Zimmer. Ich würde sie trotzdem heute noch kennenlernen, wenn ich ihr das Kleid zurückbrachte.
„Mummy?", die Stimme durchbrach meine Gedanken. Ich horchte auf, hob aber nicht meinen Blick vom Teller.
„Mummy!", wiederholte Grace etwas fordernder.
„Was ist Liebes?", die Stimme von Königin Eliza hörte sich auf eine Art scharf und schneidend, gleichzeitig aber auch wieder weich an.
Grace holte tief Luft: „Du hast mir doch versprochen, dass ich jemand von meinen Freunden auf Ellans Ball einladen darf, nicht wahr?"
Ich blinzelte in ihre Richtung ohne den Kopf zu heben. Grace strahlte über das ganze Gesicht, während ihre Mutter sie stirnrunzelnd betrachtete.
„Was hast du?!", mischte sich nun Ellan empört ein, „Mutter du hast doch nicht ernsthaft Gracie erlaubt einen ihrer schmutzigen Bauernfreunde zu MEINEM Ball einzuladen?"
Sie verschränkte die Arme vor der Brust und stierte ihre Schwester finster an, die sich fast beim eifrigen Luftholen verschluckte.
„Nun...", begann Eliza, wurde aber von Grace unterbrochen, die nun genug Luft in ihren Lungen gesammelt zu haben schien.
„Nein, nein!", ereiferte sie sich, „Ich lade niemand von den Dienstboten oder aus dem Dorf ein. Das hat Mommy mir sowieso verboten, ich lade jemand anderes ein."
Ich warf Grace einen warnenden und gleichzeitig bittenden Blick zu, doch das Mädchen sah nur zwischen ihrer Schwester und Mutter hin und her, wobei ihre wasserstoffblonden Haare hin und her flatterten. „Ich lade Ilaisha ein", erklärte sie begeistert. Alle Augen in der Nähe richteten sich nun auf mich und ich spürte wie mir ganz heiß im Gesicht wurde und ich rot anlief.
Es herrschte plötzlich eine angespannte Stille zwischen den drei Frauen vor mir. Während ich spürte, wie Lukes neben mir sich mit aller Macht das Grinsen unterdrücken musste. Ich sah nun doch auf und blickte den drei Frauen der Reihe nach ins Gesicht. Grace sah mich strahlend an, während Ellan mich leicht arrogant von oben herab betrachtete und Eliza mich nur stirnrunzelnd und eindringlicher denn je musterte.
Schließlich durchbrach Eliza die Stille und wandte sich zu meinem Glück Grace zu: „Du kannst sie leider nicht einladen", fing sie an ihrer Tochter liebevoll zu erklären, „du weißt doch, dass sie zu Adams Volk gehört und somit zu Ellans Zukunft in die wir sie geben. Bei dem Fest soll nur das Vergangene teilhaben und nicht das Zukünftige."
„Aber Mommy...", wandte Grace nörgelnd ein. Doch diese unterbrach sie scharf und redete in ihrer Sprache heftig auf ihre kleinste Tochter ein, die genauso heftig konterte.
Eine Weile ging ihr Gezeter hin und her, bis Ellan sich zynisch grinsend einmischte, ihre Schwester hart an der Schulter packte und ihr etwas scharf zuzischte.
Diese bekam riesengroße Kulleraugen und sah zwischen ihr, Eliza und mir immer wieder hin und her.
Langsam füllten sich ihre Augen mit Tränen und sie schob den Stuhl mit einem schabenden Geräusch auf dem Steinboden vom Tisch weg. Schneller als man schauen konnte verschwand das Mädchen durch die große Türe und schlug sie hinter sich mit einem Knallen zu. Alle am Tisch zuckten zusammen und das anschließende betretene Schweigen, war zum Bersten gespannt.
Mir tat Grace leid, wenn ich daran dachte, dass sie in so einer Familie leben musste. Alle total arrogant, zynisch und überlegen. Ich legte die Gabel beiseite und verknotete die Hände vor mir auf den Schoß.
Julius begann wieder mit seinem Gast zu reden und Adam's brummige Stimme ertönte, als er ein Gespräch mit Neil anfing. Ich spürte Lukes Blick auf mir mehr, als den von Eliza oder Ellan.
„Das tut mir jetzt unglaublich leid", sprach mich Eliza an, „du verstehst doch sicher, dass es nicht geht, dass du zu dem Ball kommen kannst. Es gehört zu unseren Traditionen, auch wenn Grace das nicht verstehen kann."
Ich blickte die Königin an, die mich mit einem entschuldigenden Ausdruck bedachte. Stumm nickte ich.
Ich wollte sowieso nicht zu dem Fest. Trotzdem hätten ihre Mutter und ihre Schwester nicht so schroff zu dem Mädchen sein müssen.
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Forgotten
FantasyAls sie in einem unheimlichen Wald aufwacht, herrscht in ihrem Kopf gähnende Leere. Sie kann sich an nichts mehr erinnern. Vergessen! Sie hat alles vergessen! Während sie versucht mit den neuen Bedingungen zurecht zu kommen, lernt sie die Dorfbewoh...