Nathan bewegte sich unter mir. Ich riss den Kopf zurück. Und starrte ihn an.
„Nathan?", flüsterte ich.
Er drehte den Kopf auf die andere Seite. Seine Augen waren geöffnet und seine Lippen bewegten sich, aber es kam nichts herüber.
„Nathan! Nicht! Wir sind hier um dich rauszuholen. Es tut mir so leid! Es tut mir alles so leid!", schluchzte ich.
Nathan schüttelte den Kopf und zog sich an der Wand in eine Sitzposition. Ich hatte vergessen, dass er mich gar nicht verstehen konnte. Also wendete ich mich an Lukes, der immer noch in der Mitte der Zelle stand.
„Lukes? Was heißt es tut mir leid?" Lukes sagte etwas und ich drehte mich zu Nathan um, der mich stumm anstarrte. Ich wiederholte das was Lukes gesagt hatte mit fester Stimme. Mehrere Male hintereinander und nahm ihn so vorsichtig wie ich konnte in den Arm.
Nathan erwiderte meine Umarmung und sagte etwas.
„Es ist alles okay. Es war meine Schuld, hat er gesagt", übersetzte Lukes sofort. Ich löste mich aus der Umarmung. Und schüttelte den Kopf.
„Wir müssen gehen", drängte Lukes. Ich nickte und stand auf.
Lukes ging nun auch zu Nathan und redete mit ihm. Dann übersetzte er mir, was Nathan erzählt hatte während er ihm auf die Beine half: „Es ist schon ein bisschen her, seit sie ihn ausgepeitscht haben. Er meinte er könnte es schaffen. Wir müssen ihm aber helfen. Kannst du ihn auf der anderen Seite stützen?"
Wir nahmen Nathan in die Mitte, damit er sich auf unseren Schultern abstützen konnte. So verließen wir die Zelle und schlossen sie sorgfältig wieder hinter uns. Je später Nathans Verschwinden bemerkt würde, desto besser.
Wir kamen viel langsamer voran als auf dem Hinweg. Nathan war geschwächt und wir mussten ihn mehr oder weniger die 420 Treppenstufen hochtragen.
Auch meine Schulter schmerzte noch und ich hatte Probleme auf den steilen Steinstufen, mit Nathan das Gleichgewicht zu halten.
„Wo sind wir?", presste ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor, als wir mal wieder eine nächste Treppe in Angriff nahmen.
„168", erwidert Lukes und ich stöhnte innerlich auf. Noch nicht mal die Hälfte.
Als wir gerade die Hälfte der nächsten Treppe geschafft hatten, hörten wir auf einmal Schritte, die sich von unten näherten. Jemand kam aus dem Gang, an dem wir gerade vorbeigelaufen waren.
Ich warf Lukes einen panischen Blick zu. Er schüttelte fast unmerklich den Kopf. Ich sollte ja ruhig bleiben. Keine Panik!
Wir gingen weiter die Treppe hinauf. Ohne auf die näherkommenden Schritte zu achten. Wenn wir Glück hatten, ging die Wache nach unten und würde nicht mal in unserer Richtung gucken. Aber wenn wir jetzt Panik schieben würde er auf jeden Fall auf uns Aufmerksam.
Ich sah schon das nächste Podest vor uns auftauchen. Gleich hatten wir es geschafft! Dann könnten wir uns kurz in dem Gang verstecken.
„Hey!", rief eine tiefe Stimme unter uns.
Ich zuckte zusammen. Der Mann schrie etwas zu uns hoch und rannte die Treppenstufen hinter uns nach oben. Nathan spannte sich an und ich sah aus dem Augenwinkel wie er sich ängstlich auf die Unterlippe biss.
Der Mann hinter uns rief und schrie. Panik stieg in mir auf, als seine Stimme immer näher kam. Wir waren auf dem nächsten Podest angekommen, aber an Verstecken war nicht mehr zu denken.
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Forgotten
FantasyAls sie in einem unheimlichen Wald aufwacht, herrscht in ihrem Kopf gähnende Leere. Sie kann sich an nichts mehr erinnern. Vergessen! Sie hat alles vergessen! Während sie versucht mit den neuen Bedingungen zurecht zu kommen, lernt sie die Dorfbewoh...