Als ich nicht antwortete, wiederholte Iris ihre Frage.
"Was hast du dir dabei gedacht?" Anhand ihrer Stimme konnte ich nicht deuten wie sie die Frage meinte.
"Ich bin vielleicht ein ganz klein wenig durchgedreht.", antwortete ich leise und versuchte, ihrem Blick standzuhalten. Diese blauen Augen..."Durchgedreht, hm?" Noch immer machte sie keine Anstalten, in irgendeiner Weise auf meine Liebeserklärung zu reagieren. Was sollte das hier gerade? War das eine Art Verhör?
"Ja. Bei mir sind einfach die Sicherungen durchgebrannt. Ich glaube, das war einfach alles ein bisschen viel die letzten Tage."Eine Zeitlang schwiegen wir. Anscheinend wusste keine von uns beiden wie es jetzt weitergehen würde.
"Kannst du... Kannst du vielleicht...", Iris brach ab und blickte mich ein wenig schüchtern an.
"Ja?" Ich konnte mich nur einmal mehr darüber wundern, dass sie im einen Moment so dominant und fast schon einschüchternd war und im nächsten Moment die Schüchternheit höchstpersönlich repräsentierte.
"Ich würde dich jetzt gerne umarmen.", sagte sie ein wenig steif.Umarmen, dachte ich erleichtert. Ja, das konnte sie gerne.
Sofort machte ich einen Schritt auf Iris zu und schloss sie in meine Arme. Ihr Duft zog mir in die Nase und ich drückte sie noch ein wenig fester an mich.
Ich war mir sicher, dass mir dieses Gefühl von Geborgenheit, das ich in diesem Moment empfand, keine andere Person auf dieser Welt würde geben können. Tief atmete ich ein und wartete auf eine Reaktion von Iris.
Doch anstatt etwas zu sagen, drückte sie mich nur ein wenig fester an sich. Dann fasste ich mir ein Herz."Du musst mich nicht fragen, wenn du mich umarmen willst. Das kannst du auch einfach so tun.", flüsterte ich ihr ins Ohr. Im selben Moment stellten sich die feinen Härchen in ihrem Nacken auf.
"Okay." Sie atmete hörbar aus.So standen wir eine Weile eng aneinander gedrückt da und genossen die Nähe der jeweils anderen.
Irgendwann lösten wir uns voneinander und Iris schlug vor, den restlichen Tag noch zum Skifahren zu nutzen.
Uns war beiden bewusst, dass Iris mir noch eine Antwort schuldig war, doch ich war bereit, ihr noch ein wenig Zeit zu gewähren. Seitdem mir Bettina einen weiteren Teil ihrer Vergangenheit offenbart hatte, konnte ich verstehen, warum es für sie neu und somit auch gleichzeitig schwer war, Gefühle zuzulassen.
Und dann war da auch noch die Sache von heute Morgen. Was hatte Iris plötzlichen Stimmungswandel ausgelöst?Redebedarf hatten wir auf jeden Fall noch viel, aber für den Moment war ich zufrieden, wenn wir das noch im Laufe des restlichen Tages klärten.
Wir schnallten unsere Skier an und ich fuhr Iris hinterher. Ich bemerkte, dass ich erst seit dieser Umarmung den Tag genießen konnte. Manchmal sagte eine Berührung ja auch mehr als tausend Worte. Auch wenn wir natürlich wie gesagt trotzdem noch miteinander sprechen mussten.
So verging der Nachmittag und tatsächlich machte es wirklich Spaß. Als ich noch kleiner war, war ich jedes Jahr mit meinen Eltern Skifahren gegangen, doch seit dem Schlaganfall meines Vaters hatten wir diese Tradition eingestellt.
Gerade fuhren Iris und ich in die Talstation ein, um den letzten Lift zum Ferienhaus zu nehmen. Es war bereits recht leer im Skigebiet geworden und die meisten hatten wohl beschlossen, den Tag nicht bis zum bitteren Ende zu nutzen. Da wir aber ja am Vormittag eine kleine, wenn auch aus meiner Sicht unfreiwillige, Pause eingelegt hatten, fuhren wir länger als die meisten anderen.
Als wir dann im Lift saßen, waren wir alleine und ein Kribbeln machte sich in mir breit. Den gesamten Nachmittag über waren wir in keiner so ungestörten Situation mehr gewesen.
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Ich will dich
RomanceCharlotte studiert Literatur in München. Iris unterrichtet an der gleichen Uni. Als sie aufeinandertreffen und Charlotte bemerkt, dass Iris die Frau ist, die sie vor ein paar Jahren im Urlaub getroffen hat und die sie seit dem nicht mehr vergessen k...