Chapter 35

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Die Heirat, das Testament ihres Vaters, die Beziehung zu Bettina - ihrer Mutter, ihre Arbeit, ihr Halbbruder Tom - alles besprach sie mit mir, außer ihren Gefühlen für mich. Die sie ja offensichtlich hegte.
Iris erzählte mir einen Großteil ihrer Vergangenheit, der mich sie in manchen Fällen besser verstehen ließ. Und als sie geendet hatte, war sie ein bisschen weniger Rätsel für mich. Dennoch hatte sie mir meine dringendste Frage nicht beantwortet und so konnte ich meine Reaktion auf ihr Gesagte nicht verhindern. 

„Und was sagst du jetzt zu uns?" Die Frage brach aus mir heraus, ohne dass ich verhindern hätte können und ich biss mir sofort auf die Lippe, nachdem ich sie gestellt hatte.
„Du machst etwas mit mir, was noch niemand zuvor geschafft hat, Charlotte.", antwortete Iris.
„Du weißt von mir wie ich für dich fühle.", sagte ich und konnte mich nicht länger zurückhalten. Ich musste jetzt erfahren wie Iris zu mir stand.
„Wie konnte das zwischen uns eigentlich passieren?", fragte Iris in die Stille hinein und ich merkte deutlich, dass sie um das Thema herumkommen wollte. Nur warum? Fühlte sie vielleicht doch nicht das gleiche wie ich für sie?

„Schon damals beim Skifahren fand ich dich anziehend. Du warst ein Auslöser von mehreren, durch die ich bemerkt habe, dass ich mich für Frauen interessiere. Aber auch schon damals hast du deine Vergangenheit verschleiert. War dein damaliger Freund dann Ferdinand?"

Ich malte mit meinen Fingern beim Wort Freund Anführungsstriche in die Luft.

Ich sah Iris kurz schlucken.
„Ja, die Anziehung zwischen uns beiden habe ich damals auch verspürt.", murmelte sie mehr zu sich selbst als zu mir.
„Ich war damals mit Ferdinand im Urlaub. Auch wenn man es nicht wirklich Urlaub nennen kann, nachdem was ich gerade hier mit dir erlebe. Auf jeden Fall ist es richtig. Aber wir waren zu der Zeit bereits verheiratet. Dass ich das so gesagt habe war also nicht ganz richtig. Mir war die ganze Sache nur immer so unangenehm."
„War?", fragte ich berechtigterweise.
"Naja. Irgendwie ist die Situation ja jetzt eine andere."

"Ja? Inwiefern?" Ich lehnte mich ein Stück in ihre Richtung und blickte sie durchdringend an. Zumindest hoffte ich, dass mein Blick durchdringend war.

"Ich... Du..." Iris schwieg. Offensichtlich fehlten ihr die Worte. Ich konnte verstehen, dass es ihr schwerfiel, über ihre Gefühle zu sprechen, doch wir waren gerade in einer so intimen und geschützten Umgebung, dass sogar ich ihr ohne meinen Wutanfall in diesem Moment meine Gefühle gestanden hätte. 

"Ich habe heute morgen einen Zettel gefunden.", gab sie dann auf einmal mit kühler Stimme von sich und rückte das Stück, das ich gerade eben zu ihr hingerückt war wieder weg von mir. Ihr Stimmungswechsel stand in einem krassen Gegensatz zu der intimen Stimmung, die bis gerade eben noch geherrscht hatte.
"Einen Zettel? Ich verstehe nicht ganz..." Ich war ehrlich verwirrt. Was meinte sie? Oder war es... Nein, bitte nicht!

"Jetzt gib doch einfach zu, dass du mit Ferdinand unter einer Decke steckst. Er bezahlt dich und dafür lieferst du ihm Gründe, mit denen er mich um mein geerbtes Vermögen bringen kann. Warum sonst solltest du dich mit einer verheirateten und noch dazu älteren Frau abgeben? Dass du mir heute Vormittag aber auch noch gesagt hast, dass du mich liebst ging zu weit. Schließlich ist Liebe ein Thema, bei dem man nicht scherzt. Oder lügt. Sollte. Ich weiß nicht, warum du keinen anderen Weg gefunden hast, Geld zu verdienen. Und zwar auf ehrliche und ehrenhafte Weise, aber ich will dir sagen, dass ich nicht auf dich hereinfallen werde."

Iris blickte mich mit einem Mal ohne jegliche Emotion an, stand auf und verließ mein Zimmer. Die Tür fiel hinter ihr zu. Dann war es still und ich konnte nur gedämpft jemanden den Schnee vor dem Haus räumen hören. 

Wie vom Donner gerührt saß ich da und bewegte mich keinen Zentimeter. Dann schloss ich meine Augen und versuchte mit aller Macht den engen Kloß in meinem Hals zu ignorieren. 

Ich will dichWo Geschichten leben. Entdecke jetzt