Prolog

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*vor 5 Jahren*

„Ist es für Sie in Ordnung, den Tisch zu teilen? Sie reservieren ja nur für eine Person..."
„Ja sicher, das geht in Ordnung, dann holen Sie mich morgen um halb 1 an der Talstation mit der Schneekatze ab?"
„Genau. Wiederhören."
„Auf Wiederhören."

Ich sprang in die Luft. Morgen, an meinem zweiten Urlaubstag in der verschneiten Schweiz, würde ich mit der Schneekatze zu einer etwas entfernteren Alm fahren. Die Sonne schien und der Himmel war blau. Die perfekte Urlaubsstimmung. Eine meiner engsten Schulfreundinnen, die mit mir kürzlich ihr Abitur gemacht hatte, Patricia, war ebenfalls mit von der Partie, wollte jedoch am morgigen Tag ins benachbarte Skigebiet fahren und hatte mich so zu meiner Entscheidung, ein Abenteuer mit der Schneekatze zu machen, gebracht.
„Charlotte? Wo steckst du denn schon wieder? Wir wollten doch noch an die Bar unten..."
„Ich bin noch auf dem Balkon gewesen!", antwortete ich und streckte dabei meinen Kopf durch das Fenster nach innen.
„Komme sofort."
„Sonst gehe ich ohne dich. Schon gestern war dort diese eine sehr heiße Schnitte unterwegs. Wenn mich nicht alles täuscht hieß er Henry."
„Du bist gerade mal zwei Tage hier und denkst nur an Sex?". Ich lief durch den Gang zu unserem Schuhregal, um mir meine Winterstiefel anzuziehen.

"Und du bist im Urlaub, Charlie! Entspann dich mal und fang an, dir Gedanken über deine Zukunft zu machen."
"Sex nennst du Zukunft?"
"Aber ja doch, so vermehren wir uns schließlich."
"Man, warum willst du nur Jura studieren? Dann wirst du noch besser im gegenseitigen Schlagabtausch, wo ich doch jetzt schon fast keine Chance habe.", seufzte ich. 
"Und du Langweilerin hast dich natürlich für Literatur eingeschrieben."
"Von wegen Langweilerin! Ich mache morgen eine Tour mit  der Schneekatze."
"Jetzt konzentriere dich lieber mal auf heute Abend und dann sehen wir weiter."
Nachdem ich meine Schuhe angezogen hatte, zog Patricia mich zur Tür hinaus.

"Wir haben jetzt ein paar Stunden richtig Spaß!" Als wir in der Bar ankamen, waren schon recht viele Besucher da. Ich schätzte die Menschenmasse auf ungefähr 100 Leute ein. Als Patricia und ich dann an der Bar standen, fiel auch von mir jegliche Abspannung ab und ich bestellte mir einen Tequila. 

Patricia war schon längst irgendwo im Gedränge der Leute verschwunden und würde mit ziemlich großer Sicherheit in zehn Minuten bei einem Schönling mit am Tisch sitzen. Direkt neidisch war ich nicht, denn ich machte mir nicht besonders viel aus einem Flirt mit Männern. Im Gegenteil, oft verspürte ich sogar keinerlei Kribbeln in meinem Bauch, von dem mir Patricia immer berichtete. Es waren für mich eher immer anregende Gespräche. Ob sich das wohl irgendwann einmal ändern würde? Ich wusste es nicht, vielleicht war ich mit meinen 19 Jahren auch einfach noch nicht reif genug. 

An solchen Abenden fand ich mich immer irgendwie auf der Tanzfläche wieder. Nicht dass ich jetzt die große Tänzerin gewesen wäre, nein, das war ich ganz und gar nicht, doch mich zu einer Musik, die mir gut gefiel, zu bewegen, wenn auch nicht immer im Takt, machte mir manchmal schon Spaß, besonders, wenn man bereits ein wenig Alkohol intus hatte. 

Auch jetzt bewegte ich mich zur Musik und erschrak, als ich beinahe hingefallen wäre, nachdem mich jemand unsanft aus dem Weg gedrängt hatte. Ich schaute der Person hinterher. Nicht mal entschuldigt hatte sie sich. Ich war mir sicher, dass es die braunhaarige Frau gewesen war, die jetzt gerade eilig die Bar verließ. 

Was sie wohl noch heute Abend machen würde? Ich wusste es nicht und zu interessieren hatte es mich auch nicht. Ein kleiner Teil von mir sagte doch. Du fandst die Frau attraktiv. 

Gut, sagte ich zu mir. Die hätte jeder attraktiv gefunden. Wie sie ihre Hüften geschwungen hatte und das nicht mal mit dieser Absichtlichkeit oder auch Offensichtlichkeit, mit der es die meisten anderen Frauen taten. Ihr Kleid hatte ihrer Figur wahnsinnig gut geschmeichelt und ich musste mir eingestehen, dass ich mir, obwohl ich sie nur von hinten und auch da nur ganz kurz gesehen hatte, das Aussehen dieser Frau erschreckend gut eingeprägt hatte. 

Ich will dichWo Geschichten leben. Entdecke jetzt