Chapter 10

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Die Oper begann. Ich würdigte Iris keines Blickes mehr. Sie wollte mir nicht antworten. Okay. Ich war verletzt. Aber was hätte ich auch anderes erwarten sollen? Sie war schließlich meine Dozentin. Auch schon eine kurze Affäre, obwohl es ja doch nicht das war, was ich wollte, würde sie in große Schwierigkeiten bringen und inzwischen kannte ich sie so gut, dass ich wusste, dass sie sich über solche Regeln nicht hinwegsetzte. Oder es zumindest versuchte. Bisher hatte ich sie nur in der Uni erlebt. Ich konnte schlecht wissen, was sie privat machte, bis auf die Tatsache, dass sie wohl gerne in die Oper ging.

Nachdem der Orchestergraben eine Einführung gegeben hatte, ging der Vorhang auf und vier Männer, beladen mit je einem Blumenstrauß, betraten die geschäftig angefüllte Bühne. Sie knieten sich alle vor derselben Frau nieder.
Ich fragte mich, was die Schauspielerin wohl gerade empfand. So viel Aufmerksamkeit...

Nach ungefähr einer Viertelstunde kam die erste "romantische" Szene. Inzwischen hatte mich das Opernfieber gepackt und ich folgte gespannt dem Geschehen. Doch diese Szene ließ mich natürlich wieder an Iris denken und ich zwang mich, nicht zu ihr zu schauen.

Doch es klappte natürlich keineswegs so, wie ich es mir vorgenommen hatte und mein Blick zuckte zu ihr. Da trafen meine Augen auf ihre. Sie musste mich wohl angesehen haben.

"Gefällt es Ihnen?", fragte sie mich. Ich hätte jetzt alles erwartet, aber keine solche Frage.
"Die Oper?", fragte ich nach. Ich hatte nun mal ein angeknackstes Ego. Sie hatte mich abgewiesen. Das hieß, dass sie nicht so für mich wie ich für sie empfand.
"Was denn sonst?", erwiderte sie.
Ich wollte sie jetzt aber auch nicht verletzten, denn damit wäre keinem geholfen, daher meinte ich nur "Ich finde sie ganz schön. Passen Sie auf, ich bin mir sicher, dass sie sich gleich küssen."

Dieses Mal meinte ich tatsächlich die Schauspieler. Der Mann, der eben noch vor der schönen Dame gekniet hatte, hatte sich erhoben und sang lauthals. Gleich würde die Dame mit ihrem übergroßen Rock aufstehen und zu ihm gehen.

"Ich weiß. Ich habe diese Oper schon gesehen."
"Warum sind Sie denn dann noch einmal hier?", fragte ich.

"Pssst.", machte ein älterer Herr, der drei Plätze neben Iris saß.
Ich musste kurz grinsen, da es absurd war, dass Iris ermahnt wurde, leiser zu sein. Auch sie lächelte kurz ertappt, so weit ich das bei der Dunkelheit erkennen konnte.

Und anstatt den Kuss auf der Bühne zu beobachten, redeten wir leise weiter.

"Es tut mir leid wegen vorhin.", sagte sie und sofort war das Verlangen nach ihr wieder da. Ich schluckte. Jetzt war ich keineswegs mehr so mutig wie vorhin.
"Okay.", antwortete ich.
"Bitte glauben Sie mir, das hatte nichts mit Ihnen zu tun.", fügte sie noch hinzu und nahm auf einmal meine Hand in ihre und drückte sie leicht.

Was sollte ich denn darauf jetzt erwidern? Sie sprach in Rätseln für mich. Erst wollte sie mich nicht und dann schon?
Kurz blickten wir uns einfach nur an und sie versuchte sich an einem Lächeln, das ich bisher noch nicht allzu oft an ihre gesehen hatte.

Auf einmal sang die Frau auf der Bühne einen wahnsinnig hohen Ton und wir erschreckten uns beide, sodass wir auf die Bühne starrten und dann feststellten, dass nichts schlimmes passiert war. Iris drückte wieder meine Hand und machte auch keine Anstalten, sie loszulassen. Dagegen hatte ich nichts einzuwenden.

Inzwischen war der Mann von der Bühne verschwunden und die Frau sang alleine auf der Couch, auf der sie saß. Mir gefiel die Oper ziemlich gut und obwohl ich durch den kleinen Ratsch mit Iris ein bisschen was verpasst hatte, verstand ich die Geschichte immer noch und war gespannt, was passieren würde.

Ich warf einen Blick auf die Uhr, die dummerweise an dem Handgelenk war, das zu der Hand führte, die Iris hielt. Natürlich bemerkte sie die Bewegung.

Ich will dichWo Geschichten leben. Entdecke jetzt