Wir hatten uns noch ein bisschen unterhalten, waren jedoch nicht mehr auf persönliche Dinge zu sprechen gekommen. Trotzdem war ich die gesamte Zeit über wahnsinnig glücklich. Wahrscheinlich war Iris sogar ein bisschen verwirrt, weil ich ein Dauergrinsen im Gesicht hatte und mir langsam schon die Mundwinkel wehtaten.
Wir schauten beide aus dem Fenster. Inzwischen konnte man das beleuchtete München sehen und ich bemerkte gar nicht richtig, dass ich ein Stück näher an Iris heranrutschte. Ich konnte ihr Parfüm deutlich riechen und die Schmetterlinge in meinem Bauch fingen gewaltig an, umherzuschwirren.
Ich merkte wie Iris nach ihrem Sektglas griff und einen großen Schluck nahm. Ich tat es ihr gleich und wir mussten lachen.
"Wie spät ist es eigentlich? Ich habe überhaupt nicht gemerkt wie die Zeit vergeht."
Ich warf einen Blick auf meine Uhr, die ich immer anhatte.
"Halb elf."
"Schon? Okay."
"Es geht Ihnen bestimmt auch so, dass die schönen Momente immer viel zu schnell vorbeigehen, oder?"
Iris lachte kurz auf.
"Sie finden es schön, sich mit ihrer Dozentin auf einem Geburtstag, an dem Sie niemanden kennen, zu unterhalten?"
"Ja, das finde ich.", antwortete ich mit mehr Nachdruck, als ich eigentlich vorgehabt hatte.
"Oh, okay."Iris sah weg. Offensichtlich war ihr die Situation unangenehm.
"Wissen Sie, für mich ist es ungewohnt, mich mit einer Studentin auf einer freundlichen Ebene zu unterhalten. Normalerweise kommen die meisten immer zu mir, um sich entweder zu beschweren oder um sich einzuschleimen. Und dann denken manche noch, wir Dozenten würden es nicht hören, wenn über uns gelästert wird."
Auf einmal hatte unser Gespräch wieder eine sehr private Richtung angenommen, doch ich ging bereitwillig auf sie ein. Ich wollte jedes noch so kleine Detail über sie wissen. Dass sie jetzt so über sich sprach, musste wohl am Alkohol liegen, denn inzwischen hatte sie schon ein neues Glas geholt.
Ich war mir jedoch nicht ganz sicher, was ich jetzt antworten sollte, daher nickte ich nur und blickte sie an.
Ich betrachtete ihre Augen. Jetzt, durch das Licht, waren sie mehr blau als grau. Unser Blick wurde wahnsinnig intensiv und ich konnte mich nicht von ihm lösen.Mir wurde heiß und ich atmete tief durch. Iris schien jede meiner Bewegungen zu beobachten. Minutenlang schauten wir uns einfach nur gegenseitig in die Augen.
Dann, ganz plötzlich, drehte sich Iris weg und blinzelte. Sie stand hastig auf und holte sich ein neues Glas Sekt. Das trank sie in einem Zug leer. Zu meinem Erstaunen kehrte sie jedoch zu mir zurück.
Ich konnte die Situation von eben nicht ganz deuten. War das so etwas wie ein Flirt gewesen? Empfand sie etwas für mich? Aus ihren Reaktionen würde ich eine Zuneigung herauslesen.
Als sie sich wieder auf das Sofa setzte, konnte ich mich kaum noch zurückhalten. Ich wollte sie küssen. Spüren. Berühren."Ich wollte Ihnen nur sagen, dass ich mich jetzt auf den Weg mache. Es ist schon spät und morgen habe ich einen frühen Termin. Ich hoffe, Sie finden noch einen anderen Gesprächspartner."
Iris schien sich wieder vollständig unter Kontrolle zu haben, während ich mit Knien aus Wackelpudding und einem hämmernden Herz in der Brust auf der Couch saß.
"Okay.", brachte ich heraus.Auch zehn Minuten nachdem Iris gegangen war, saß ich immer noch auf der Couch und ging die Situation immer und immer wieder durch, bis Patricia mich ansprach.
"Hier hast du dich also vor mir versteckt."
Als ich nicht antworte, setzte sie sich besorgt neben mich.
"Stimmt was nicht? Du siehst ganz fiebrig aus. Bist du krank?"
"Iris ist Toms Schwester.", meine Stimme war nurmehr ein Flüstern.
"WAS?"
"Iris ist Toms Schwester."
"Ist sie noch da? Woher weißt du das?"
"Nein. Sie ist vor einer Viertelstunde gegangen. Und ich weiß das, weil ich mich fast seit dem Beginn der Feier mit ihr unterhalten habe."
"Du hast dich zwei Stunden mit ihr unterhalten? Über was habt ihr geredet?"
"Tricie, ich bin gerade nicht fähig, zu denken. Ich bin überwältigt."
"Okay, dann hole ich dir ein Wasser und du versuchst, mir zu sagen, was du mir sagen möchtest."Eine halbe Stunde später wusste Patricia Bescheid. Und sie war Feuer und Flamme.
"Hey, dann hast du ja vielleicht doch eine Chance bei ihr."
"Meinst du? Am Ende war sie wieder so professionell drauf."
"Ach, das ist nur Tarnung. Du wirst schon sehen."
"Wie, ich werde schon sehen."
"Ich habe da was organisiert."
"Was?" Mein Puls beschleunigte sich. Ich hoffte sehr, dass sie nichts dummes unternommen hatte."Erzähle ich dir morgen bei einem Frühstück bei mir. Kommst du?"
"Ja, klar. Halb elf?"
"Ja."Sie stand von der Couch auf und ging zu Tom zurück. Die beiden stießen miteinander an und sahen sich intensiv in die Augen. Sofort musste ich wieder an den Blickkontakt mit Iris denken.
Um zwölf Uhr ging ich nach Hause. Nachdem Iris gegangen war, hatte ich mich noch mit ein paar anderen Leuten unterhalten, konnte mich jedoch kaum an die Gespräche erinnern, da ich in Gedanken bei Iris gewesen war.
Müde schloss ich meine Wohnungstür auf und ging in die Küche, um ein Glas Wasser zu trinken. Ich konnte immer noch nicht fassen, dass ich Iris getroffen hatte und sie sich sogar gefreut hatte, sich mit mir zu unterhalten. Ich wusste, dass ich manchmal ein wenig selbstkritisch war und mich oft schlechter darstellte, als ich eigentlich war, doch dass Iris mich vielleicht sogar mochte, konnte ich mir nicht vorstellen. Ich wusste gar nicht, was die Konsequenz von diesem "Mögen" gewesen wäre.
Patricia hatte mir in den letzten Wochen schon immer und immer wieder gesagt, dass ich Iris nur deshalb anhimmelte, weil ich sie nicht haben konnte und dass es das sei was sie attraktiv mache. Doch nach dem heutigen Abend war ich mir absolut sicher, dass es das nicht war. Ich wollte sie kennenlernen. Auf einer emotionalen aber auch körperlichen Ebene.
Ein Bild von ihr vom heutigen Abend hatte sich fest in mein Gedächtnis eingebrannt. Das Kleid hatte ihr fabelhaft gestanden. Ich fand es schade, dass sie in der Uni immer nur Blazer trug.
Auf einmal schreckte ich hoch. Fast wäre ich auf meiner Couch eingeschlafen. Da ich morgen nicht ganz schrecklich aussehen wollte, schleppte ich mich ins Bad, wusch mich, putzte meine Zähne und zog mich um. Danach warf ich noch einen kurzen Blick auf mein Handy. Aus irgendeinem Grund hatte ich die Hoffnung, dass Iris mir eine Nachricht geschickt hatte. Hatte sie aber natürlich nicht. Warum auch? Ich war mir sicher, dass der Abend eine Ausnahme gewesen war. Bestimmt würde ich sie nie wieder in so einer Situation treffen.
Trotz meiner negativen Gedanken durchflutete mich schon wieder eine Welle des Glücks. Vielleicht musste ich Iris doch einfach ansprechen wie Patricia vorgeschlagen hatte. Vielleicht musste ich sie einfach um ein Date bitten.
Mein Handy legte ich auf meinen Nachttisch und legte mich ins Bett. Doch an Schlaf war gar nicht zu denken. Dafür war ich noch viel zu aufgedreht von den letzten Stunden. Ich hatte gefühlt gerade mehr erlebt als in meinem ganzen Leben. Zumindest was Beziehungen anging. Auch wenn ich niemanden geküsst, berührt oder gestreichelt hatte, war dieser Samstag für mich besonders. Iris war für mich besonders.
Sie war die erste Frau, in die ich mich verliebt hatte.
Ich lag noch lange wach und dachte über diese Erkenntnis nach. Ich war wahrhaftig in meine Dozentin verliebt ohne sie wirklich zu kennen.
Doch dieses Ziehen, wenn Iris nicht in meiner Nähe war und dieses Kribbeln, wenn sie es war, waren genau die Dinge, die Patricia mir beschrieben hatte, als sie mir erklärt hatte wie man sich fühlen würde, wenn man verliebt sei. Und auch ohne ihre Erklärungen wusste ich es.Ich liebte Iris.

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Ich will dich
Roman d'amourCharlotte studiert Literatur in München. Iris unterrichtet an der gleichen Uni. Als sie aufeinandertreffen und Charlotte bemerkt, dass Iris die Frau ist, die sie vor ein paar Jahren im Urlaub getroffen hat und die sie seit dem nicht mehr vergessen k...