Chapter 41

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Ich lag schon eine Weile wach. Immer wenn ich Sex gehabt hatte, wachte ich früh auf. So lag ich also da und betrachtete Iris. Mit einem Grinsen dachte ich an gestern Abend. Ich hatte gar nicht gewusst, dass sie solche Wörter in ihrem Vokabular hatte. Der Sex mit Iris war wie eine Erfüllung. Nicht dass ich es vorher nicht genossen hätte, aber diese Intimität und dieses gegenseitige Verständnis brachte alles auf eine ganz andere und mir völlig unbekannte Ebene. 
Als ein Sonnenstrahl genau auf ihr Gesicht traf, wachte Iris auf. 

"Du bist ja schon wach." Müde rieb sie sich die Augen. 
"Guten Morgen." Ich lächelte sie träge an. 

Auf einmal hörten wir Bettinas Stimme, die durch das ganze Haus zu schreien schien. Es war wohl Zeit aufzubrechen, sonst würden wir laut ihr in einen fiesen Stau geraten. 
Schnell zogen wir uns an und machten uns fertig. 
Als wir im Wohnzimmer ankamen, musste ich lächeln. Bettina hatte Lunchpakete für alle vorbereitet. Zumindest behauptete sie das. Ich war mir ja ziemlich sicher, dass Philipp der Verantwortliche dafür war. Eigentlich gaben sie ja ein ganz gutes Paar ab, auch wenn ich am Anfang gezweifelt hatte. Wahrscheinlich war zwar Philipp zu einem großen Teil für die Harmonie verantwortlich, aber er schien Bettina wirklich zu lieben. 

"Charlie! Warte kurz.", hörte ich es auf einmal hinter mir.
"Ja, was gibt's?", fragte ich nach. 
"Du fährst mit Iris oder?"
"Ja, so haben wir es ausgemacht." Ich blickte sie fragend an.
"Ich... Also irgendwie habe ich das Gefühl, dass ich in letzter Zeit zu sehr mit Tom beschäftigt gewesen bin und du hingst die ganze Zeit mit Iris rum. Wir hatten die letzten Tage nicht wirklich Zeit für uns zwei. Das tut mir leid!" Patricia blickte mich traurig an.
"Dafür musst du dich nicht entschuldigen. In München finden wir sicher wieder mehr Zeit. Allein schon an der Uni sehen wir uns doch." 
"Okay, gut, dass du nicht sauer bist. Ich hatte schon Angst." Patricia lächelte mich an. 
"Ich glaube, da war bei uns beiden einfach viel los die letzten Tage und Wochen. Jetzt sollte sich ja dann mal langsam alles einpendeln.", meinte ich und zog Patricia kurzerhand in eine Umarmung. 
"Das freut mich so für dich.", sagte Patricia und es lag so viel Aufrichtigkeit in ihren Worten, dass ich noch beinahe an Ort und Stelle in Tränen ausgebrochen wäre. 
"Also: wenn wir wieder zuhause sind, machen wir einen Mädels-Tag zu zweit!", meinte ich und zeigte dann auf Tom, der im Türrahmen stand. 
"Ich glaube, da wartet schon dein Fahrer." Ich grinste Patricia an und wir lösten uns lachend voneinander. 

Und auf einmal saßen wir dann im Auto. Es war alles blitzschnell gegangen. Plötzlich verspürte ich einen Stich der Traurigkeit, dass diese Zeit hier jetzt vorbei war. Ich hatte dem Alltag entfliehen können und würde spätestens übermorgen wieder mit der Realität konfrontiert werden. Iris schien es ähnlich zu gehen, denn sie blickte nachdenklich aus dem Fenster. 

"Da kommt noch ganz schon viel auf mich zu.", meinte sie. 
"Ich bin immer da, wenn du mich brauchen solltest.", antwortete ich erst einmal, weil ich mir nicht ganz sicher war, ob sie die bevorstehende Scheidung oder uns meinte. Oder beides.
"Aber wenn meine Mutter auf meiner Seite ist, sollte das schon glatt ablaufen. Oder zumindest so glatt wie eine Scheidung eben ablaufen kann.", erwiderte Iris und ich war ein klein wenig erleichtert, dass sie wohl doch nicht unsere Beziehung gemeint hatte. 

Ich konzentrierte mich wieder auf die Straße und es kehrte eine Stille zwischen uns ein. Irgendwann drehte ich die Musik auf, weil die Ruhe doch ein bisschen seltsam war. Mit ABBA, dachte ich, konnte man nichts falsch machen, doch Iris belehrte mich eines Besseren. Kaum hörten wir Waterloo, blickte sie mich mit einer hochgezogenen Augenbraue an. Insgeheim liebte ich ja diesen Blick an ihr, aber zunächst war ich natürlich empört, dass sie ABBA nicht mochte. 

"Was ist?", fragte ich also. 
"Was hörst du denn da?" 
"Etwas, um die Stimmung aufzulockern. Ich dachte ABBA geht immer.", erwiderte ich etwas patzig.
"Bitte mach das aus. Mit Französischem Pop könnte ich mich vielleicht noch arrangieren.", sagte Iris und jetzt war ich es, die sie mit einem kritischen Blick von der Seite bedachte. 
"Was hörst du denn normalerweise?", hakte ich nach.
"Ältere Sachen.", hielt Iris sich bedeckt. Dabei blickte sie mich jedoch auch ein bisschen schuldbewusst an.
"Doch nicht etwa Klassik?" Fassungslos starrte ich zurück.
"Mach dich nicht lustig. Es gibt wirklich gute Stücke. Ich kann da immer am besten abschalten. Leopold Mozart hat wirklich schön komponiert." 
"Naja immerhin passt dann die Oper mit deiner Klassik zusammen.", meinte ich. Den Seitenhieb hatte ich mich nicht verkneifen können.
"Hmpf." Iris blickte nach vorne und schaltete die Musik ab.
"Wären die Beatles für dich okay.", fragte ich ein wenig später.
"Ja klar, die gehen immer."
"Na das ist doch mal ein Anfang.", schmunzelte ich. 

Ich will dichWo Geschichten leben. Entdecke jetzt