Ich will dich

Chapter 38

Drei, zwei, eins "Frohes neues Jahr!", alle reichten sich die Hände und umarmten sich. Tom, Bettina, Patricia, Philipp, Iris und ich. Jeder und jede jeden und für einen kurzen Augenblick hätte ich doch tatsächlich gedacht, dass es sich bei uns um eine harmonische Familie handelte. 

Für einen Moment waren alle Sorgen vergessen und jeder freute sich einfach - zumindest ging ich davon aus -, dass man zusammen ins neue Jahr starten konnte. 
Wir standen alle am Fenster und beobachteten die Raketen und andere Feuerwerkskörper, die in den Nachthimmel abgeschossen wurden. 

Auf einmal zog Iris mich hinter sich her die Treppe nach oben. Als wir den Raum verließen, bemerkte ich gerade noch Bettinas Blick, die uns mit einer Mischung aus Skepsis aber auch wachsendem Verständnis und einem kleinen bisschen Belustigung nachblickte. 

Als wir im ersten Stock angekommen waren, blieben wir jedoch nicht stehen sondern stiegen noch eine kleine Leiter nach oben, die zu einer Luke im Dach führte. 

"Die Leiter ist mir noch gar nicht aufgefallen.", meinte ich zu Iris, doch sie legte nur ihren Finger an die Lippen und brachte mich so zum Schweigen. 

Wir kletterten hintereinander die Leiter nach oben und auf einmal standen wir auf dem Dach und blickten zusammen in den klaren Nachthimmel. Einzelne Sterne funkelten und mich durchströmte ein Glücksgefühl. 

Wir befanden uns nun auf dem Dach, umgeben von Schnee und blickten zu zweit in die Silvesternacht hinaus. 

"Du bist für mich unersetzbar, Charlotte. Ich will dich unbedingt richtig kennenlernen.", sagte Iris auf einmal und nahm meine Hand.
"Mir geht es genauso." Mehr brachte ich nicht heraus. Als ich mich genauer auf dem Dach umblickte, wurde mir klar, dass Iris bereits im Vorhinein den Schnee von der Stelle, an der wir standen, entfernt haben musste. Sie hatte das hier oben also bereits geplant. Ein Schmunzeln schlich sich in mein Gesicht und weil ich in diesem Moment wirklich nicht anders konnte, drehte ich ihr Gesicht zu mir hin und küsste sie federleicht auf die Lippen. 

"Ich frage mich immer noch, wie es dazu kommt, dass du auf einmal das alles hier", ich machte eine Bewegung, die uns einschließen sollte, "zulässt, willst und mir das auch so sagst." Ich blickte sie fragend an. 
"Das schlimme an der ganzen Sache ist, dass ich mich das auch frage.", antwortete Iris und schaute mich mit einem verzweifelten Gesichtsausdruck an, der auf den zweiten Blick irgendwie süß wirkte.
"Falsch ist es auf jeden Fall nicht.", erwiderte ich und zog sie in eine feste Umarmung. 

"Dann starten wir also in das neue Jahr mit dem Grundsatz, zu kommunizieren, was man fühlt und was einen bewegt, und uns so richtig kennenzulernen.", meinte Iris. 
"Ja. Und ich werde dir dabei helfen, den Rest deiner Familienangelegenheiten zu meistern."
"Danke."

Ich drehte sich einmal an der Hand um ihre eigene Achse, wobei wir beinahe auf dem von Eis und Schnee glatten Dach ausgerutscht wären. Daraufhin mussten wir beide lachen und Iris zog mich in eine feste Umarmung. 
Auf einmal hörten wir ein leises Quietschen und die Dachluke öffnete sich erneut. Tom streckte seinen Kopf heraus und erstarrte daraufhin. 

"Oh, shit. Iris? Was machst du denn hier? Charlotte, du auch?", stammelte er und sofort zuckte mein Blick zu Iris. Sie war ein klein wenig blass geworden. 
"Ähm, Tom, hier ist schon besetzt." Sie klang so nervös, sodass ich über ihre eigentlich witzige Aussage nicht lachen konnte. 

War es so schlimm für Iris, dass Tom nun bescheid wusste? Immerhin hatte er schon von Patricia erfahren, dass da etwas zwischen Iris und mir war und er hatte sich meiner Meinung nach für Iris gefreut. 

"Warum klaut ihr uns auch den romantischsten Platz im ganzen Haus?", maulte Tom und ich war mir sicher, dass er Iris mit diesen Worten provozieren wollte. Jetzt schlich sich doch ein leichtes Schmunzeln in mein Gesicht. 
"Äh, Charlotte, ich glaube, wir müssen Platz machen.", sagte Iris nun an mich gewandt. 
"Kein Problem.", erwiderte ich und ich machte mich daran, vom Dach zu steigen.