Chapter 20

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Ich hämmerte in die Tasten meines Laptops was das Zeug hielt. So eine Bachelorarbeit schrieb sich eben nicht von alleine. Es war inzwischen Mitte Dezember, okay das stimmte nicht so ganz, heute war der Achte, und ich wollte nicht meine gesamten freien Tage um den Jahreswechsel herum mit schreiben verbringen.
Nach zwanzig Minuten hatte ich wieder eine Schreibblockade und brach ab. Verdammt!

Ich nahm einen Schluck von meinem Tee, der neben mir auf meinem Schreibtisch stand und blickte zum Fenster hinaus. Kalter, grauer Nebel waberte mir entgegen. Dabei sollte doch jetzt auch bei mir die Vorfreude auf Weihnachten beginnen.

Stattdessen saß ich hier und tippte dummes Zeug. Den letzten Absatz konnte ich gleich wieder löschen.

Nochmal einen prüfenden Blick aus dem Fenster. Keine Lichterketten oder bunten Kugeln zu sehen. Vielleicht schaute ich auch einfach nur nicht genau genug hin.

Die letzten Tage hatten sich alle in ihren Wohnungen verkrochen und abwechselnd Tee oder Kaffee getrunken. Das Wetter war kalt, trüb und machte einfach nur schlechte Laune. Die Uni besuchten wir nur in dicker Jacke und einem Schal, der es unmöglich machte, einander zu erkennen.

Seit ungefähr zwei Wochen war auch noch die Heizung ausgefallen und in den Hörsälen war es kälter als auf der Straße. Niemand war also wirklich erpicht darauf, in irgendeiner Vorlesung halb zu erfrieren.

Meine Laune sank in den Keller, als Patricia mich anrief. Ich klickte sie weg.

Seitdem sie mir Essen in meiner Wohnung gemacht hatte, nachdem ich ihr vom Schlaganfall meiner Mutter erzählt hatte, hatten wir nicht mehr miteinander gesprochen - und das war allein meine Schuld.
Ich kam einfach nicht über Iris hinweg. Alle Versuche von Patricias Seite aus, mich zu dem Thema zu befragen hatte ich abgeblockt.
Die einzigen Personen, mit denen ich seit meinem verunglückten Date gesprochen hatte war meine Familie, das heißt meine Mutter, mein Vater und mein Bruder.

Meine Mutter hatte sich zum Glück halbwegs erholt und konnte sich schon fast wieder normal bewegen. Nur das Sprechen war noch etwas mühsam. Doch die Ärzte waren zuversichtlich. Meinen Vater hatte das Ganze mehr mitgenommen als er zugeben wollte, dennoch war die Stimmung wieder besser geworden.

Mir hingegen ging es schlecht. Iris hatte ich danach noch zwei Mal gesehen und wir hatten uns tunlichst ignoriert. Beim zweiten Mal allerdings war es zu einer kurzen Auseinandersetzung gekommen und die Begegnung hatte damit geendet, dass Iris mir die schwere Glastür direkt vor der Nase zugeschlagen hatte. Als so temperamentvoll hätte ich sie ja gar nicht eingeschätzt.
Ich verstand sowieso nicht, warum wir uns wie zwei kleine Kinder benahmen. Sollte ich nicht einfach akzeptieren, dass es da nichts zwischen uns geben würde? Und sollte nicht sie, die es beendet hatte, was auch immer da gewesen war, jetzt froh sein?

Jedenfalls war ich schon seit einer Weile allein in meiner Wohnung und fraß meine Trauer und Wut in mich hinein. Es war nicht gut, das wusste ich, doch in meiner Engstirnigkeit konnte ich eben nicht anders.

Als ich ein leises Prasseln hörte, blickte ich - dieses Mal skeptisch - aus dem Fenster. Und richtig: es hatte begonnen zu regnen. Jackpot.

Ich lehnte mich in meinem Stuhl zurück und verschränkte die Arme hinter meinem Rücken. Es könnte jetzt auch ganz anders sein.

Ich mit Iris auf der Couch mit einer kuscheligen Decke zugedeckt, ein Film, Glühwein, Snacks...

Ich mit meinen Eltern beim Abendessen, Lachen, Erzählen, sich auf Weihnachten freuen...

Ich mit Patricia in einem warmen Café, draußen grauer Nebel mit Regen, innen ein Duft mit einer Mischung aus Kaffee, Kuchen und Croissants...

Aber ich hatte alles vermasselt. Wieder einmal. Scheiße, ich musste wirklich mit Patricia reden. Und auch mit allen anderen. Ich musste hier wieder aus meiner Höhle raus!

Ich will dichWo Geschichten leben. Entdecke jetzt