excuse

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„It's always darkest before the dawn"- Thomas Fuller

"Du kannst auf gar keinen Fall zu James gehen", sagt meine Schwester jetzt in einem ruhigeren Ton. Jetzt schreit sie mich immerhin nicht mehr an.
Ich starre sie nur an und warte auf eine Erklärung, weswegen ich ihn nicht darauf ansprechen soll. Sie lässt sich mit einem Seufzer auf meinem Schreibtischstuhl nieder.

Lori verdreht die Augen und zieht eine Grimasse. "Hast du hier irgendwann auch mal wieder aufgeräumt? Das ist ja wie ein Saustall." Lori hebt mein Top, das auf meinem Schreibtisch liegt angewidert in die Luft.
"Lenk nicht ab jetzt", schmeiße ich ihr entgegen. "Okay, okay. James und ich treffen uns halt manchmal. Aber wir hängen nur gemeinsam ab. Also wir betrügen hier niemanden, falls du das denkst."
"Weiß Ashley dann wenigstens Bescheid über eure unverbindlichen Treffen?"
"Sie würde ausrasten. Deswegen darfst du ihr das auf keinen Fall sagen, bitte Ems. Du musst es mir versprechen." Ich denke einen Moment über ihre Worte nach.
Sie glaubt nicht allen Ernstes, dass ich ihr das abkaufe. Ich schüttle langsam den Kopf. "Verarsch mich nicht, Lori. Ich hab doch gesehen, wie er aus deinem Zimmer geschlichen ist und du ihn vor Mom und Dad quasi verheimlicht hast. Also laber mich nicht mit sowas zu."
"Ich werde es dir nicht sagen. Immerhin geht es dich wirklich überhaupt nichts an, was wir in meinem Zimmer machen." Mir fallen sofort die Knutschflecken an ihrem Hals ein.
"Und die Knutschflecken? Wie sind die dann an deinen Hals gekommen? Willst du mir das vielleicht sagen?" Lori erhebt sich von meinem Schreibtisch und läuft in Richtung der Türe.

Sie legt ihre Hand auf den Knauf und dreht sich nochmal zu mir um. "Weißt du. Es wundert mich überhaupt nicht, dass niemand mit dir befreundet sein will. Du bist unausstehlich und nimmst deine eigene Schwester in ein Kreuzverhör." Sie legt eine kurze Pause ein. "Ich wäre auch nicht mit dir befreundet."

Mit diesem Satz verlässt sie mein Zimmer und knallt die Türe mit Wucht zu.
Ich sitze fassungslos auf meinem Bett.
Das hat sie gerade nicht gesagt. Ich erkenne meine eigene Schwester nicht wieder. Wie konnte sie nur so eiskalt werden.
Aber darüber werde ich mir jetzt nicht den Kopf zerbrechen.

Entschlossen greife ich nach einer dunklen Jeans und nach einem beigen Pullover, den ich mir überschmeiße. Ich muss die Wahrheit rausfinden. Das kann ich nicht so auf mir sitzen lassen.

Selbstbewusst trete ich in die Sonne heraus. Wenigstens ist es heute schön draußen. Irgendetwas Gutes muss der Tag ja haben.
Ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung, wo ich James jetzt finden soll. Aber ich denke, Lori hat mal nebenbei erzählt, dass er um diese Uhrzeit wahrscheinlich im Gym ist.
Also werde ich da zuerst nach ihm suchen.

Logan bringt mich in das bekannteste Gym in Washington.
Ich hasse Fitnessstudios, denn da geht man schließlich nur hin, um zu sehen und gesehen zu werden. Das ist nicht so mein Ding.
Ich öffne vorsichtig die Türe und halte nach James Ausschau. Ich kann seinen honigblonden Kopf hier nirgends sehen. Scheiße. Er muss hier sein.
"Kann ich Ihnen helfen?" Eine dünne, trainierte Blondine tritt vor mich und lächelt mich an. "Sind Sie hier wegen einem Probetraining?"
Ich schaue an mir herab. Ich habe weder eine Sporttasche dabei, noch bin ich sportlich gekleidet.
"Äh, nein danke. Ich suche nur einen Freund von mir. Er müsste hier trainieren."
"Achso. Sie können sich gerne mal umschauen. Vielleicht ist er unten bei den Hanteln, wenn er nicht hier oben ist."
"Vielen Dank." Ich laufe selbstbewusst zu einer Wendeltreppe, um nach unten zu gelangen. Hoffentlich ist es unten nicht auch so voll wie hier oben. Ich kann keine Zuschauer oder Gaffer gebrauchen.

Als ich unten ankomme, sehe ich niemanden und will schon fast wieder umdrehen.
Da höre ich eine Stimme, die ich nur zu gut kenne. "Jones, was machst du denn hier?"
Ich durchsuche den Raum und meine Augen treffen auf James'.
"Hey. Sorry, ich wollte dich nicht beim Training stören. Könnten wir vielleicht heute Nachmittag mal reden? Es ist wichtig." James läuft auf mich zu und stellt sich vor mich hin.
Er trägt kein Shirt und sein Bauch ist wahnsinnig definiert, genauso wie seine Schultern und seine Arme.
Anscheinend bin ich in einer Schockstarre, denn jetzt wedelt James mit seiner Hand vor meinem Gesicht rum. "Sorry. Was hast du gesagt?"
Er lacht. Das macht ihn gerade nur noch unwiderstehlicher.
"Wow. Das war jetzt zweimal 'Sorry' in zwei Sätzen. Ich hab gesagt, dass du jetzt auch mit mir reden kannst. Es ist sowieso niemand hier." Er dreht sich um und scannt den Raum ab.
"Okay, also. Naja."
"Raus mit der Sprache. Was ist los?" James deutet mir an, ihm zu folgen und das tue ich.
Er legt sich unter eine Langhantel und fährt mit seinem Training fort.
Jesus. Ich bin viel zu abgelenkt von seinen Muskeln, die seine Arme umspielen.

craving your bloodWo Geschichten leben. Entdecke jetzt