craving your blood

let me go

„If you want to test a man's character, give him power."– Abraham Lincoln

Als Erster betritt James den Raum, gefolgt von Ashley, Lori, Richard und natürlich Toby. Der hat an diesem Abend gerade noch gefehlt.
Lori hat mir gesagt, dass sie nicht kommen würden. Und jetzt sind sie da.
Alle. Außer Jade.

James schlängelt sich an den tanzenden Menschen vorbei und steuert direkt auf die Getränke zu. Die Anderen folgen ihm unauffällig. Auch wenn es dunkel ist, sehe ich, wie Lori mit den Augen rollt. Sie will nicht hier sein. Das weiß ich.
Aber wer von den anderen Vier hatte dann diese grandiose Idee, mir meinen Abend gänzlich zu versauen?
"Sorry, ich muss mal kurz zur Toilette", rufe ich dem Fremden ins Ohr. Er nickt und lehnt sich zu mir herüber. "Soll ich dich begleiten?"
"Nein, danke. Geht schon. Wir sehen uns."
Ich laufe mit eiligen Schritten über die Tanzfläche. Hoffentlich erkennen sie mich nicht.

Im Schulgang angekommen, lehne ich mich an einen der Spinde und atme tief ein und aus.
Ich werde da nicht mehr reingehen.
Entschlossen greife ich nach meinem Handy und suche den Chat von Clara, um ihr zu sagen, dass ich nach Hause gehe. Zum Glück bin ich ziemlich nüchtern und es fällt mir leicht, Claras Chat zu finden.
Gerade als ich meine Nachricht eintippen will, nehme ich ein starkes Cologne neben mir wahr. Ich erkenne den Geruch sofort. Es ist Toby.

"Können wir vielleicht kurz reden?" Der Idiot hat Nerven. "Eigentlich eher ungern. Ich wollte gerade gehen."
Er schaut mich von oben bis unten an. "Du siehst gut aus heute", sagt er mit einem verschmitzten Lächeln. Ich könnte ihm echt eine reinhauen.
Er zieht seine Hand aus der Hosentasche und will gerade damit über meinen Arm fahren, da reiße ich meinen Arm weg.
"Bilde dir bloß nicht ein, dass du mich nochmal rumbekommst." Meine Augen verengen sich zu Schlitzen und ich werde wütend. "Kannst du mich jetzt einfach in Ruhe lassen?"
Doch Toby weicht keinen Zentimeter zur Seite. Ich versuche, ihn zur Seite zu schieben, um mir den Weg freizumachen.
Er packt mich am Handgelenk und drückt mich an das Schließfach, vor dem wir schon die ganze Zeit stehen.
"Lass mich sofort los oder ich schreie."
Alleine diesen Satz habe ich schon fast geschrien. Er lässt nicht locker und ich winde mich unter seinem starken Griff.
"Gib's zu. Du hast es doch auch genossen, wie ich dich zum Kommen gebracht habe. Eigentlich bist du viel versauter, als du tust."
Ich merke, wie seine Worte etwas in mir auslösen. Ich werde diese Gefühle nicht zulassen. Nie wieder.
Meine ganze Wut geht über in meine Faust und ich schlage ihm damit direkt auf seine Nase, sodass sie anfängt zu bluten. "Verdammte Scheiße. Was ist los mit dir?"
Ich höre ihn nur noch kurz, da ich im gleichen Moment aus dem Schulhaus renne.
Als ich draußen angekommen bin, wähle ich sofort Logans Nummer. Er muss mich von hier abholen.

Ich lehne mich an eine der geschmückten Säulen vor der Eingangstüre.
Tränen schießen mir in die Augen. So viel habe ich in den letzten zwei Jahren seit der Beerdigung meines Opas nicht mehr geweint.
Ich fühle mich so schwach.
Wenigstens sieht mich hier draußen keiner.

Mein Leben hat anscheinend andere Pläne, denn genau in dem Moment, als ich mein Handy wieder zurück in meine Tasche gleiten lasse, tritt ein Junge auf mich zu.
Ich versuche, mein Gesicht mit meinen Händen zu bedecken und meine Tränen zu trocknen.
Wer auch immer das ist, braucht mich nicht, weinen zu sehen. "Hey, alles klar bei dir?"
Ich spüre eine Hand, die auf meinem Rücken liegt. Diese Stimme würde ich immer erkennen. "Was willst du, James? Willst du noch weiter auf mich eintreten?" James stellt sich vor mich und hebt mein Kinn an, sodass ich ihm in die Augen sehen muss.
Ich drehe immer wieder meinen Kopf weg, doch James ist natürlich stärker. Seine große Hand ruht auf meiner Wange und er streicht leicht darüber.
Meine Gefühle spielen verrückt und ich bekomme ein Kribbeln auf meiner Haut. So ein Kribbeln habe ich noch nie gespürt. Es ist so, als ob ganz viele kleine Elektroschocks durch meinen Körper geleitet werden und ich genieße seine Hand auf meiner Wange.
Erst als er seine Hand runternimmt, merke ich, dass ich die ganze Zeit über meinen Atem angehalten habe.

"Ich habe gerade Toby gesehen. Er ist nicht gerade so erfreut darüber, dass ihm ein Mädchen so einen Kinnhaken verpasst hat." James lacht. Sein Lachen ist wunderschön.
Allgemein sieht er mal wieder zum Anbeißen aus. Auch wenn er keinen Smoking trägt. Bei dem Gedanken an James in einem Smoking wird mir heiß und ich muss mich an der Säule abstützen, um nicht umzukippen.
"Brauchst du vielleicht ein Glas Wasser?" Er sieht mich nach wie vor besorgt an. Ich schüttle den Kopf. "Nein. Mein Fahrer müsste jeden Moment hier sein und mich abholen. Der Abend war einfach schon wieder zu viel." Ich habe also nicht meine Stimme verloren. Gut, zu wissen.
Er nickt nur mit dem Kopf.

Genau in diesem Moment biegt Logan auf der Einfahrt der Schule ein und parkt das Auto direkt vor uns. "Na, dann. Viel Spaß noch mit Lori, äh, ich meine natürlich Ashley."
Scheiße, ist mir das gerade wirklich rausgerutscht?