[Kapitel 1/Teil 1]

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*Noan POV* 

-Mitte des 19. Jahrhunderts-

Ich war, bis vor einigen Tagen, sehr selten in dem dunklen Schlafzimmer meiner Eltern gewesen, denn es erinnerte mich nur an die Kälte, die vielen Erzählungen über meine Mutter und die Zeit die mir mit ihr leider nicht vergönnt war.

Wenige Stunden vor meiner Ankunft in das nördliche Anwesen des Königs  war sie den Verletzungen der Geburt meines jüngeren Bruders Torin erlegen. Ich selbst war die ersten sieben Jahre meines Lebens bei meinen Großeltern auf einer großen  Farm  aufgewachsen.

Nun war ich schon seit Tagen in diesem dunklen Zimmer und verließ diesen nur selten um ins Bad zu gehen. Auch mein jüngerer Bruder verbrachte seine kostbare Zeit überwiegend hier bei uns, obwohl er genügend Gründe hätte weg zu bleiben. Keiner würde es ihm verdenken, wenn er sich geweigert hätte auch nur in die Nähe des Schlafzimmers unseres Vaters zu treten.

Der König lag schon seit Tagen in dem Bett über welches ein altes Portrait unserer Mutter hing. Darauf lächelte sie so lebhaft schön zu uns herunter, als ob sie unserer Dunkelheit etwas Licht spenden wollen würde. Sie schien auf ihren Gefährten zu warten.

Torin und ich saßen uns gegenüber und hielten beide die Hände unseres Vaters. Der kühle Wind wehte hinter mir immer mal wieder in das dunkle Zimmer und hob die weinroten Vorhänge an, so kam ab und an mal etwas mehr Mondlicht in das Zimmer welches sonst nur von den dicken weißen Kerzen neben dem dunkelhölzernen Bett beleuchtet wurde.

Seit Stunden sah ich dem Flackern der kleinen Flammen zu die sich in den Augen meines Vaters wiederspiegelten.

Ich hatte es satt mich ständig erklären zu müssen. Natürlich war mir klar, dass ich als das älteste Kind der Königsfamilie Verantwortung übernehmen müsste, aber dafür war ich schlichtweg nicht der Richtige. Entgegen dem Wunsch meines Vaters würde das Volk mich, den Bastard, niemals als ihren rechtmäßigen Thronfolger anerkennen und ohne die Unterstützung des Volkes hält die Herrschaft eines Königs nicht all zu lange an. 

"Stürze mich wenn es sein muss, dann wird das Volk dich akzeptieren müssen." Sagte mein Vater mit zittriger Stimme. Seine Erschöpfung stand ihm in seinem blassen Gesicht geschrieben, er war deutlich abgemagert und wirkte nur noch wie Haut auf Knochen. Nur berücksichtigte er nicht, dass es noch kein Gesetz gab welches den Mörder nach dem Sturz zum Regenten machen würde. 

Schon Stunden diskutierten wir, mein Vater und ich, an seinem Sterbebett. Das Ende war nah das wussten wir alle leider viel zu gut und trotzdem würde ich ihm nicht all seine Wünsche erfüllen können. Wie sollte ich mit dem Wissen leben können meinen Ziehvater ermordet zu haben? Wir hatten schon oft darüber gesprochen, doch kamen wir nicht auf den selben Nenner. Er wollte einfach nicht akzeptieren, dass ich nicht dazu bereit war seinen Platz einzunehmen. Vor allem nicht indem ich meinem jüngeren Bruder gewaltsam seinen rechtmäßigen Amt entreiße.

Ich drückte seine, durch die nahezu fehlende Ernährung, schmächtige Hand etwas fester und legte meine rechte Hand auf seinen Unterarm, um meiner Aussage etwas mehr Ausdruck zu verleihen. Seine Finger fühlten sich kälter und knochiger an als damals als er mich vor zwei Jahrzehnten bei meinen Großeltern abgeholt und mich an seinen Hof gebracht hatte.

"Vater, bitte.. du weißt genauso gut wie ich, dass ich durch deinen Mord keine Loyalität und vor allem keinen Respekt erwarten könnte. Das muss erst verdient werden," Schon seit Jahren versuchte ich ihm meinen Standpunkt klar zu machen, doch auch an dem besagten Abend schenkte er meinen Worten kein Gehör. "Du kannst sie auch später von dir überzeugen, Überlass den Thron nicht Torin er ist noch zu jung, zu unerfahren...",".. und dein leiblicher Sohn." Unterbrach ich ihn etwas lauter als beabsichtigt. Mir war der fehlende Respekt durchaus bewusst, aber er schien mich sonst nicht ernst nehmen zu wollen. "..in mir fließt nicht dein Blut." Beendete ich meinen Satz dieses mal etwas ruhiger und senkte meinen Blick. Er schaute mich mit seinen dunklen Augen an, die Erschöpfung war ihm deutlich anzusehen und trotzdem versuchte er sich vergeblich an einer festeren Stimme um mich zu überzeugen. In seinen vergangen Jahrzehnten als der Monarch unseres Kontinents Orbitaris hatte er seine feste autoritäre Stimme gerade zu perfektioniert. "Mein Blut macht doch aus einem Mann keinen König. Sieh dir Torin doch mal an." Dabei deutete er  mit seinen Augen zu meinem Bruder und sah danach wieder zu mir. Er versuchte nun nicht einmal zu verstecken wie wenig er von Torin hielt. Vater schnappte nach Luft bevor er mit einer weniger festen Stimme mit seiner Rede weiter fortfuhr: "Das Herz macht es. Dein Herz macht es." Den letzten Satz sprach er nur noch leise fast schon krächzend aus und fing daraufhin sofort an vor Erschöpfung zu husten. Ohne seinem leiblichen Sohn auch nur eines Blickes zu würdigen löste er seine Augen nicht von mir bevor sie sich überrascht fast schon verstört weiteten. Vater drückte meine Hand kurz etwas fester, er war noch nicht so weit zu gehen, er wollte mich erst überzeugt wissen, trotzdem glitt seine knochige Hand wenige Augenblicke später kraftlos aus meiner.

Noch immer war mein Blick auf die kleinen Flammen in seinen Augen gerichtet, welche nun das einzige Licht war was noch in ihnen leuchtete. 

"Was ist mit meinem Herzen?" fragte Torin deutlich enttäuscht doch bekam er keine Antwort mehr auf seine Frage. Vater nahm jegliche Hoffnung die Torin noch hatte mit in den Tod. "Ihr habt zwar keine Mühe und Arbeit gescheut mich in eure Reihen aufzunehmen und mich als eures großzuziehen, aber das reicht noch lange nicht für den Platz des Königs.. entschuldige." flüsterte ich noch in der Hoffnung, dass seine Seele mich noch zu hören bekam und verließ daraufhin schweigend den Raum. Sein eigentlicher Sohn sollte sich in Ruhe verabschieden können.

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