[Kapitel 20/Teil 1]

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*Elara POV*

-Mitte des 19. Jahrhunderts-

Ansu und ich drehten eine kleine Runde im Garten, während wir stumm der Natur lauschten. Wir beide wussten nicht wo wir anfangen sollten, denn wir hatten uns gegenseitig so einiges verschwiegen. Gerade als ich mich zu ihm drehte sah ich im Augenwinkel wie Vega auf uns zu kam. "Ihr solltet rein gehen ich habe Neuigkeiten" sprach sie ganz schnell und eilte auch wieder zurück in die Burg. Sie schien nicht ganz auf der Höhe zu sein, doch trotzdem folgten wir ihrem Wunsch. "Sie ist ein Teil der Prophezeiung.. unser Gespräch muss wohl etwas warten." sagte ich während wir ihr folgten.

Gerade als wir wieder in den Saal zu den anderen traten verstummten ihre Gespräche. Es ging mal wieder um mich, doch dieses mal auch um meine Beziehung mit Ansu. Natürlich ließ ich mir es nicht anmerken, dass ich sie zum Ende hin sehr wohl gehört hatte, doch ließ ich es mir nicht nehmen näher an Ansu zu rücken.

Sofort fingen die Diskussionen zwischen Noan und Ansu wieder an. Auch Solis und Torin mischten sich nun ein. Erst als die Tür plötzlich aufging verstummten die lauten Stimmen. Vor der Tür stand Vega mit dem dunkelblau ledernen Buch in ihren Armen. Ihre Haare hatte sie ordentlich geflochten und hochgesteckt, zudem trug sie nicht mehr ihr altes Kleid sondern ein viel eleganteres bodenlanges grünes Kleid. Es umspielte ihre Figur liebevoll und ließ sie viel weiblicher Wirken.

Vega wirkte wie eine Göttin.

Ich hatte das Buch schon seit Jahrhunderten mit mir herumgeschleppt, doch hatte ich es nie als etwas so wertvolles betrachtet wie es Vega wohl tat. Nachdem ich alles verloren hatte was mir lieb und heilig war brachte mir dieses Buch nur Kummer. Die Hälfte meiner Seele war fast schon vergessen, denn die Leere meines Herzens das die Göttin durch unsere Abmachung hinterließ schmerzte viel schlimmer als das Fehlen meiner Seele.

Vega hielt das Buch fest an ihre Brust gepresst und kam mit langsamen unsicheren Schritten auf uns zu. "Ein Teil der Schriften des Buches hat sich mir endlich gezeigt. Der Inhalt geht uns alle etwas an, daher bitte ich euch mir eure Aufmerksamkeit zu schenken." sagte sie mit einer leisen zittrigen Stimme. Ihre Augen waren feucht und ihre Nase ganz rot, sie hatte geweint, doch schien sie ihre Tränen nun zurückhalten zu wollen. Was auch immer sich ihr in dem Buch offenbart hatte, schien sie deutlich überfordert zu haben. Vorhin hatte sie im Garten noch nicht so aufgelöst gewirkt, etwas scheint ihr wirklich Sorge zu bereiten.

Während wir ihr mit unseren Blicken folgten stellten wir uns vor die Sofareihe und warteten nur noch auf ihre Anweisungen. Es lief alles fast schon mechanisch ab. Ansu stellte sich hinter das Sofa direkt hinter mich während ich mich zwischen Noan und Nara stellte. Noan, ich , Nara, Torin und am Ende stand Solis. Wir alle lösten unseren gebannten Blick nicht von Vega. Etwas zog unsere aufmerksamen Blicke förmlich in ihre Richtung.

Vega hob erst als sie auf dem Teppich zu unseren Füßen stand ihren Blick und schaute allen anderen der Reihe nach in die Augen. Erst zu Noan, dann zu mir, zu Nara, Torin und zuletzt auch zu Solis bevor sie ihren Blick wieder zurück zu Noan schweifen ließ. Sie schien in den Augen der anderen etwas zu Suchen, doch als sie bei mir ankam senkte sie wieder ihren Blick ohne mir auch nur annähernd ins Gesicht zu sehen.

"Ich werde euch den für euch relevanten Abschnitt vorlesen. Ein großer Teil beinhaltet nur Anweisungen an mich wie ich mit dem Buch umzugehen habe bis sich der erste Teil der Prophezeiung erfüllt hat." Vega setzte sich im Schneidersitz auf den Boden und legte das Buch vorsichtig auf ihren Schoß bevor sie uns mit ihrer Hand andeutete und zu setzen. Sie atmete einmal ganz tief durch bevor sie sich zu ihrer Schwester wendete.

"Bitte unterbrich mich nicht, denn sie wird durch mich sprechen. Mir wird dabei nichts geschehen, auch wenn das vielleicht auf dem ersten Blick nicht so wirken mag,.. ich diene ihr nur als ein Portal für ihre Worte." sagte sie nun mit einer etwas festeren Stimme, um ihre Schwester von ihren Worten zu überzeugen, doch konnte sie zum Ende hin ein leises Schluchzen nicht unterdrücken.

Sie hatte angst.

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