Scheiße, Scheiße, Scheiße. Kurz hatte ich meinen Verfolger aus den Augen verloren und mich schon in Sicherheit gewähnt. Zu früh gefreut. Irgendwie hatte er es geschafft mich einzuholen und stand plötzlich vor mir wie ein Riese, vor dem es kein Entkommen gab. Und kein Erbarmen.
»Haben wir es eilig, Miss?«, fragte er rauchig und das spärliche Licht einer Straßenlaterne warf sein Gesicht in einen dunklen Schatten. Eine wulstige Narbe kam zum Vorschein, die sich knapp an der Halsschlagader vorbei bis zu seinem Ohr hinaufzog. Er trug noch mehr Narben im Gesicht, die feiner waren und auf den ersten Blick nicht auffielen. Mir stülpte sich der Magen um und ich widerstand dem Drang mich zur Seite zu lehnen und auf den Gehsteig zu kotzen.
Der Mann packte mich grob am Arm und zog mich auf die Beine. Ein schrecklicher Schmerz fuhr durch meinen Knöchel und mein Fuß drohte weg zu knicken. Der eiserne Griff wurde stärker, seine Finger schraubten sich wie bei einem Schraubstock zusammen. Mir entwich ein Keuchen.
»Lassen Sie mich los!«, forderte ich und versuchte meinen Arm aus seiner Umklammerung zu befreien. Es war wie in einem schlechten Horrorfilm, in dem die Hauptperson in einem gläsernen Becken eingesperrt war, das sich langsam mit Wasser füllte. Je stärker sie versuchte, freizukommen und gegen die Scheiben hämmerte, desto schneller floss das Wasser nach. Je stärker ich versuchte von dem Mann loszukommen, desto stärker wurde sein Griff und das wahnsinnige Funkeln in seinen Augen. Ich roch Alkohol. Eine ganze Menge davon. Wild schlug ich mit dem freien Arm um mich. Versuchte ihn zu treten, verlor dabei aber den Halt, weil ich meinen schmerzenden Fuß zu sehr belastete.
»Lassen Sie mich los!« Meine Stimme war nun lauter, aber das schien ihn nicht im Geringsten zu stören. Angst floss durch meine Adern, schiere, markerschütternde Angst.
»Ich habe Geld. M-mein Portemonnaie ist gleich hier. B-bitte, Sie bekommen alles, was sie wollen, aber bitte lassen Sie mich los!« Ich war den Tränen nahe und mein Magen zog sich zusammen wie ein Ball, aus dem man die Luft quetschte.
»Du machst es nur schlimmer. Komm mit«, verlangte er bloß und zerrte an meinem Handgelenk. Er ließ keinen Zweifel daran, dass er an meinem Geld nicht interessiert war und etwas anderes im Sinn hatte. Kalter Wind strich über meine nackten Beine und ich schwor mir, nie wieder so eigensinnig zu sein und allein nachts die Wohnung zu verlassen. Das hieß, wenn ich wie durch ein Wunder überleben sollte.
»Bitte nicht«, flehte ich mit bebender Stimme.
Ich stemmte die Füße in den Boden, aber das war leichter gesagt als getan. Verdammte High Heels! Ein Absatz brach. Narbengesicht zog mich einfach mit, vollkommen gleichgültig, ob ich freiwillig ging oder ob er mich hinter sich her schleifen musste. Und obwohl meine Chancen ziemlich schlecht standen, schrie ich. Ich schrie, wie ich noch nie in meinen Leben geschrien hatte.
»Sei gefälligst still!« Der Blick, mit dem er mich betrachtete, ließ das Blut in meinen Adern gefrieren und ich verstummte, still weinend. Mein immer schneller schlagendes Herz pumpte kleine Eissplitter durch meine Adern. Ohnmächtig. Gleich würde ich ohnmächtig umfallen. Ich sehnte ihn herbei, den Moment, in dem Ruhe einsetzte.
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Me Because Of You
Novela Juvenil»Soll ich wieder gehen? Ich kann draußen warten. Oder unten. Wenn dir das lieber ist.« »Das ist ja das Problem! Ich will nicht, dass du gehst.« Julia Wentworth hatte nicht vor, sich zu verlieben, als sie nach drei Jahren Studium in Oxford an New Yor...