2. Kapitel

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Meine Sicht war verschwommen

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Meine Sicht war verschwommen. Die Eiswürfel klirrten gegen das Whiskeyglas, das ich leicht hin und herschwenkte. Es war erst mein drittes Glas und ich war verdammt nochmal besoffen. Fuck. Das werde ich morgen sowas von bereuen.

Träge schob ich den Ärmel meines Hemdes nach oben und offenbarte schwarze Linien. Gedankenverloren berührten meine Finger die Umrisse meiner neuesten Errungenschaft. Der Heilungsprozess war gerade erst abgeschlossen und die Farbe zeichnete sich stark von meiner Haut ab. Die Fänge des Löwen gruben sich ins Fleisch. Antonio hatte ganze Arbeit geleistet. Das Tier wirkte fast schon dreidimensional. Als müsste ich ihn nur einmal zu oft ins Auge pieken, damit er sich von der Haut löste, Gestalt annahm und mich in der Luft zerfleischte. Aber vielleicht sprach da auch der Alkohol aus mir. Nein, ganz sicher sprach da der Alkohol aus mir. Bis vor ein paar Minuten hatte mir der Löwe nämlich ganz sicher noch nicht zugezwinkert. Oder schielte er nur? Ich bin sowas von drüber.

Ich fuhr mit dem Finger über den Rand des Whiskeyglases, sodass ein fast schon hypnotischer Ton entstand. Der Löwe war nicht das erste Tattoo, das ich mir hatte stechen lassen. Und wenn man es genau betrachtete, war der Löwe mehr ein Lückenbüßer gewesen als ein wirklich notwendiges Tattoo. Ich hatte es sattgehabt, dass die Stelle an meinem Unterarm so kahl wirkte, und hatte Antonio um Hilfe gebeten. Der Löwe war groß genug, um die Stelle zu füllen, aber nicht zu groß, sodass es die Aufmerksamkeit von den anderen Tattoos nahm, die sich an meinen Armen hinaufschlängelten. Und er war bei Weitem nicht das exotischste Abbild, das meine Haut schmückte.

Wie immer, wenn ich die Bilder auf meiner Haut betrachtete, musste ich lächeln. Vor allem, weil die Erinnerung an die Reaktion meiner Eltern, als ich ihnen mein erstes Tattoo vor die Nase hielt, immer noch sehr befriedigend auf mich wirkte. So gesehen waren sie der Grund dafür, dass ich überhaupt so viele Tattoos besaß. Meine anfängliche Trotzreaktion hatte sich zu einer ausgewachsenen Sucht entwickelt, die augenscheinlich Früchte trug.

Ich sah die Blicke, die man mir zuwarf, immer häufiger. Auch die Frau, die bei Obadiah gerade einen Mojito bestellte, starrte mich unverhohlen mit offenstehendem Mund an. Ihre Augen wanderten über die Kunstwerke, die unter dem weißen Hemdstoff verschwanden und ich sah ihr die Enttäuschung, nicht mehr sehen zu können und den Wunsch, mehr sehen zu wollen sofort an. Ich grinste in mich hinein. In 99 Prozent der Fälle endete dieser Blick mit einer heißen Nacht. Genau das, was ich gerade brauche.

Betont lässig fuhr ich mit den Fingern durch meine schwarzen Haare und hörte sie prompt seufzen.

Gerade als ich aufstehen und mich vorstellen wollte, vibrierte mein Smartphone, das ich zuvor auf der Theke abgelegt hatte und ich stöhnte. Jesse Jefferson. Der hatte mir gerade noch gefehlt. Er würde so lange anrufen, bis er mich an der Strippe hatte. Meine Befürchtung bestätigte sich, als der Bildschirm kurz schwarz wurde und gleich darauf von Neuem ein Erdbeben auslöste.

»Hallo Jesse. Was kann ich für dich tun?«, fragte ich mit der sachlichsten Stimme, die ich in meinem Zustand zustande brachte. Im Hintergrund vernahm ich Partylärm. Der Bass wummerte durch die Lautsprecher und ich musste das Smartphone kurz von meinem Ohr weghalten. Nur jemand wie Jesse Jefferson, der seinen Milchbrei schon mit goldenen Löffeln gegessen hatte, kam auf die Idee, jemanden nach Mitternacht wegen etwas Geschäftlichem anzurufen, während er feierte und den ein oder anderen Drink zu viel intus hatte. Und nur so jemand wie ich, der den Abgrund der Menschheit gesehen hatte, kam auf die Idee, so einen Anruf entgegenzunehmen.

Me Because Of YouWo Geschichten leben. Entdecke jetzt