Ich bereute die Entscheidung mit Nylah ins Diamonds zu gehen keine Sekunde lang, obwohl ich zwischen den verschwitzten Körpern kaum Bewegungsfreiheit besaß. Das war genau das, was ich gerade brauchte. Ein paar Stunden lang wegkommen von dem Trubel und dem »Ach, was sind wir doch toll«, das zuhause herrschte, sobald meine Eltern die Bildfläche betraten. Dass meine Schuhe bei jedem Schritt auf dem Boden klebten, weil irgendjemand sein Getränk verschüttet hatte, konnte ich allerdings nicht sehr viel länger ignorieren. Meine Füße befanden sich in gemütlichen Chucks – man lernte schließlich aus seinen Fehlern – und ich trug ein schwarzes Kleid, das sich luftig an meinen Körper schmiegte. Was aus meinem roten Lieblingskleid werden würde, das ich zu diesem Anlass gerne getragen hätte, stand noch in den Sternen. Mary hatte mir zwar versprochen ihr Bestes zu geben, sehr viel Hoffnung hatte sie mir jedoch nicht gemacht. Um der Realität kurz zu entkommen, reichte dieses hier auch vollkommen aus.
»Der Typ da hinten starrt dich die ganze Zeit an.« Nylah nickte zu einer Nische, in der eine Gruppe Männer in ordentlichen Polohemden zusammensaß und ein Bier nach dem anderen exten. Einer von ihnen, ein unscheinbarer und schmächtig wirkender Kerl Anfang 20, hatte den Blick auf mich fixiert und wanderte gerade mit den Augen an meinem tanzenden Körper auf und ab. Gierig leckte er sich über die Lippen und ich wandte mich ab, obwohl es wahrscheinlich auch keine besonders brillante Idee war, ihm meinen Hintern zu präsentieren.
Demonstrativ hörte ich auf zu tanzen und nippte an dem süßen Getränk in meinen Händen. Nylah tanzte ausgelassen weiter und zwinkerte schelmisch.
»Keine Sorge, Süße. Das wird nicht der Letzte an diesem Abend gewesen sein, der dich so ansieht«, versicherte sie mir und ich konnte ein Grinsen nur bedingt unterdrücken. Das Gefühl begehrt zu werden, verlieh mir eine ungeahnte Macht, die das Blut in meinen Adern zum Rauschen brachte und meine Haut elektrisierte. Dass ich so eine Wirkung auf Männer hatte, war mir erst in England so richtig bewusst geworden. Da man in Europa schon mit 18 volljährig war, hatte ich es mir nicht nehmen lassen, das Nachtleben auszuleben. Ein paar üble Abstürze später, hatte ich dem Partyleben bereits entschieden abgeschworen und trank nur noch zu besonderen Anlässen. In Nylahs Gesellschaft kam ich nicht drumherum. Für sie war das Feiern so wichtig wie Atmen. Und in England hatte ich schließlich Matthew gehabt. Matt ...
Ein wehmütiger Stich fuhr durch meinen Körper. Ich trauerte wohl weniger um ihn als um unsere gemeinsame Zeit und das viele Lachen. Trotz des Erdnuss-Vorfalls und anderer Vorkommnisse, die ich schon damals als Red Flags hätte enttarnen sollen, war er tief – wirklich tief – in seinem Herzen ein netter Kerl. Ein netter Kerl, mit dem ich nichts mehr zu tun haben wollte nichtsdestotrotz.
»Du siehst so heiß aus. Es würde mich wundern, wenn nicht am Ende dieser Nacht die halbe Bar mit dir schlafen will«, schwang ein leicht neidischer Unterton in Nylahs Stimme mit. Ihre Lockenmähne stand ihr durch das ständige Auf- und Abspringen noch wilder vom Kopf ab. Sie war an diesem Abend bestimmt schon fünfmal nach ihrer Nummer gefragt worden, während ich stumm danebenstand und die Augen offenhielt. Und wonach? Oder besser gefragt: nach wem? Richtig. Nach ihm. Nach ihm und seinen lächerlich grünen Augen und den vollen Lippen, die zu sehen und zu spüren sich mein Herz ersehnte. Oh Gott, ich klang bereits wie Nylah nach einem Bridgerton-Marathon. Und das bedeutete nun wirklich höchste Alarmstufe.
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Me Because Of You
Teen Fiction»Soll ich wieder gehen? Ich kann draußen warten. Oder unten. Wenn dir das lieber ist.« »Das ist ja das Problem! Ich will nicht, dass du gehst.« Julia Wentworth hatte nicht vor, sich zu verlieben, als sie nach drei Jahren Studium in Oxford an New Yor...