Ich hasste das Four Seasons. Nicht etwa, weil mir die Lobby mit den Sandstein- und Marmorelementen nicht gefiel, nein, ich mochte die Innenarchitektur des Hotels sogar recht gerne. Schlicht und trotzdem anmutig. Womit ich schon viel eher ein Problem hatte, war das Personal. Vom Rezeptionisten über die Hausdame bis zum Doorman und den Pagen. Sie alle sahen so aus, als hätten sie heute Morgen einen Besen gefrühstückt, der nun alles in einem hochnäsigen Ensemble zusammenhielt. Das Exemplar, das mit sicherem Gang auf uns zuschritt, machte da keine Ausnahme. Hinter ihr tauchte eine eingeschüchtert wirkende junge Frau auf, bewaffnet mit einem Klemmbrett. Sie war mir schon eher sympathisch, da sie offenbar keine Anstalten machte, sich dem arroganten Gehabe ihrer Kollegen anzuschließen.
»Mr und Mrs Cavendish? Wie schön Sie im Four Seasons willkommen heißen zu dürfen.« Die unerwartete Anrede trieb mir die Röte ins Gesicht. Prompt fehlten mir die Worte und auch Grayson versteifte sich.
»Wir sind nicht ... Er ist nicht ... Ich bin nur der Ersatz. Meine Schwester ...«
»Kommen Sie, bitte, ich führe Sie durch die Räumlichkeiten, die für ihre Veranstaltung vorgesehen sind«, unterbrach mich die Frau, die sich als Mrs Smith vorstellte. Sie trug eine Nickelbrille und ihre braunen Haare durchzogen schon die ein oder andere graue Strähne. Mit dem strengen Dutt sah sie aus wie meine frühere Ballettlehrerin. Mit der war auch nicht gut Kirschen essen gewesen. »Das ist nur meine Assistentin«, meinte sie auf meinen fragenden Seitenblick. Auf diese Bemerkung rümpfte ich die Nase. Ich hasste es, wenn man andere von oben herab behandelte, deswegen streckte ich der jungen Frau mit dem braunen Zopf und den hellen Augen beherzt meine Hand entgegen.
»Ich bin Julia Wentworth. Freut mich Sie kennenzulernen.«
Sichtlich überrascht, dass ich sie überhaupt wahrnahm, ergriff die Frau meine Hand.
»Nicole Clementine. Es freut mich ebenfalls, Miss Wentworth.«
Grayson schmunzelte, was einerseits meinen Magen zum Rumoren brachte, andererseits mein Blut vor Wut brodeln ließ. Was erlaubte er sich eigentlich so zu grinsen und dabei so auszusehen? Ich war ein friedlicher Mensch - das war ich wirklich -, dennoch schrie gerade alles in mir danach, wie wild um mich zu schlagen. Nur er schaffte es diese Gefühle in mir hervorzurufen. So widersprüchlich zu den Gedanken, die sich in der Nähe meines Herzens abspielten. Wie Feuer und Wasser.
Mrs Smith, die nach meinen Worten zu ihrer Assistentin etwas pikiert wirkte, und Miss Clementine begleiteten uns mit fachmännischen Erläuterungen durch die Flure des Four Seasons.
»Das Thema der Feier ist Black and White. Ein Maskenball, richtig?«, erkundigte sie sich, als sie schließlich eine breite hölzerne Doppeltür aufstieß und einen lichtdurchfluteten Saal freigab.
»Wow«, entfuhr es mir unfreiwillig. Obwohl ich das Hotel hasste, konnte ich nicht verbergen, dass mich der Saal überwältigte.
»Das ist korrekt«, antwortete Grayson. Seine dunkle Stimme dicht hinter mir jagte mir eine Gänsehaut über den Rücken. Ich strich mir über die nackten Arme – eine Bewegung, die Miss Clementine nicht verborgen blieb. Sie hob nur leicht die Augenbraue und folgte ihrer Chefin dann durch den weitläufigen Raum. An den Wänden standen kleine Stehtische und Stühle stapelten sich in einer Ecke. Ansonsten war der Raum überraschend leer. Ein paar hundert Leute, die zum Black and White Maskenball, dem Event das Jahres – Jessicas Worte, nicht meine – erwartet wurden, fanden hier mühelos Platz.
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Me Because Of You
Teen Fiction»Soll ich wieder gehen? Ich kann draußen warten. Oder unten. Wenn dir das lieber ist.« »Das ist ja das Problem! Ich will nicht, dass du gehst.« Julia Wentworth hatte nicht vor, sich zu verlieben, als sie nach drei Jahren Studium in Oxford an New Yor...