»Wo ist denn Will?«, fragte Beth leise und schaute erwartungsvoll auf die Tür, die Mary diskret hinter William Cavendish Senior schloss. Sie waren zu spät. Eine Viertelstunde vor dem geplanten Empfang hatte Hilary uns im Eingang platziert, damit wir alle anwesend waren, wenn Ihre königliche Hoheit erschien, um sie gebührend zu begrüßen. Und dann kamen sie eine halbe Stunde zu spät. Hilary war fast durchgedreht. Ich hatte das Gefühl mich gleich übergeben zu müssen. John war weiß der Geier woher erschienen und hatte sich pflichtbewusst an meine Seite gestellt. Eine Hand hatte er kurz auf meine Schulter gelegt und beschwichtigend gedrückt und ich hatte nur leise geseufzt. Hilary hatte ihn nicht beachtet, sondern wieder nur an Beths Kleid herumgezupft, was Beths Nervosität auch nicht gerade milderte. Wie durch ein Wunder, hatte sie meine Kleider-Rebellion jedoch nicht bemerkt.
Es kostete mich einiges an Selbstbeherrschung, nicht vielsagend eine Augenbraue zu heben. Will. Ob Will sich auch schon einen Spitznamen für sie ausgesucht hatte? Wann waren sie überhaupt zu Spitznamen übergegangen? Ich dachte, sie kannten sich nur flüchtig. Stirnrunzelnd betrachtete ich unsere gerade eingetroffenen Gäste.
Jessica Cavendish trug ein schwarzes Kleid, das ihre rostroten Haare besonders hervorhob. Sie wirkten beinahe wie Flammen. Das Kleid schmiegte sich eng an ihre sportliche Figur und sie sah aus wie eine Kriegerin. Eine Kriegerin, die gerade in den Kampf gezogen war. Da war mir Mr Cavendish schon sympathischer. Wenn auch nicht viel. Ein aufrichtiges Lächeln hätte seinem Gesicht ganz gutgetan, doch mit den grauen Haaren, der steifen Haltung und den leblosen Augen, könnte er auch als Statue durchgehen. Ernst begrüßte er John, machte ihm Komplimente über seinen Smoking, ehe er auch mir die Hand reichte.
Sein forschender Blick überrollte mich mit der Intensität einer Dampfwalze. Hatte ich seine Augen als leblos bezeichnet? Ein Schauer lief über meinen Rücken. Sie waren alles, aber nicht leblos, musste ich mich selbst korrigieren. Eiskalt und berechnend, wie Eissplitter, die sich in meine Haut bohrten und mich damit zur vollkommenen Bewegungslosigkeit zwangen. Dennoch war da etwas an seinem Auftreten, das sich widersprach. Einerseits wirkte er bedrohlich, selbst das Lächeln um seine Lippen war hart, andererseits flammte hinter seinen Augen auch so etwas wie Belustigung auf. Über die Verlobung? Über die Versuche meiner Mutter alles perfekt aussehen zu lassen, was in Wirklichkeit alles war, aber nicht perfekt? Ich wusste es nicht und ich sollte es wohl auch nicht herausfinden.
»William Cavendish. Und Sie müssen wohl Bethanys Schwester sein. Jil, richtig?« Seine Stimme war rauchig und obwohl er leise sprach, klang jedes seiner Worte wie eine Drohung. Ich schluckte. Einschüchternd, das war das richtige Wort, das William Cavendish Senior am besten beschrieb.
»Julia«, berichtigte ich ihn räuspernd, »Es freut mich, Sie kennenzulernen.« Einfach lächeln, lächeln und winken. Meine Kiefer spannten sich bereits.
»Hm.« Er nickte.
Damit war die Unterhaltung mit Mr Cavendish Senior, wenn man sie überhaupt als solche bezeichnen konnte, bereits beendet. Doch die Eiseskälte fiel keineswegs von mir ab. William Cavendish Senior war ein unangenehmer Mensch, doch gegen seine Frau wirkte er wie ein zahmes Schoßhündchen. Diese Frau bekam, was sie wollte, und wenn sie dabei über Leichen gehen musste. Sie war alles, was ich im tiefsten Inneren verabscheute. Arroganz, Habgier und Überheblichkeit in einer Person. Eine Gänsehaut jagte über meinen Körper.
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Me Because Of You
Ficção Adolescente»Soll ich wieder gehen? Ich kann draußen warten. Oder unten. Wenn dir das lieber ist.« »Das ist ja das Problem! Ich will nicht, dass du gehst.« Julia Wentworth hatte nicht vor, sich zu verlieben, als sie nach drei Jahren Studium in Oxford an New Yor...