23. Kapitel

96 12 27
                                    

»Wie war das eigentlich so? Im Internat, meine ich«, sprach ich das Erstbeste aus, was mir nach einer unendlich lange vorkommenden Stille in den Sinn kam

Hoppla! Dieses Bild entspricht nicht unseren inhaltlichen Richtlinien. Um mit dem Veröffentlichen fortfahren zu können, entferne es bitte oder lade ein anderes Bild hoch.

»Wie war das eigentlich so? Im Internat, meine ich«, sprach ich das Erstbeste aus, was mir nach einer unendlich lange vorkommenden Stille in den Sinn kam. Ehrlich gesagt, hatte ich mich das schon länger gefragt. Ich fand es interessant zu erfahren, wie andere Leute herangewachsen waren, während sich mein Leben stets in New York abgespielt hatte. In London war man nicht mal eben schnell zu Besuch. Der Atlantik hatte sie nicht nur von ihrer gesamten Familie, sondern auch von ihrem gesamten Leben getrennt. Obwohl ich mit meiner nur bedingt auskam, hätte ich mich ohne sie auch irgendwie seltsam gefühlt. Heather hätte mir gefehlt. Zu meiner großen Überraschung zeichnete sich sogleich ein Lächeln auf ihrem Gesicht ab. Die Sommersprossen tanzten auf ihrer Nase – dieses Mal vor Freude.

»Im Internat aufzuwachsen, ist wie mit hunderten Geschwistern und Cousins groß zu werden. Wie ein Sommercamp, das nie aufhört. Und natürlich mit Unterricht. Man ist nie allein.«

Ich hob skeptisch eine Braue und Julia nickte kapitulierend.

»Ja, schon. Es nervt manchmal auch. Bis zur Oberstufe habe ich mir mein Zimmer mit drei anderen Mädchen geteilt. Das war ein ganz schöner Zickenkrieg, kann ich dir sagen. In der Oberstufe hatten wir nur noch Doppelzimmer. Das war schon besser, weil ich mir mein Zimmer mit einer guten Freundin geteilt habe. Im Großen und Ganzen war es vielleicht das einzig wirklich Gute, was meine Eltern je für mich entschieden haben, auch wenn ich das am Anfang nicht eingesehen habe«, räumte sie ein, ein verbitterter Unterton schwang in ihren Worten mit.

»Wir hatten einen Hauslehrer, der uns morgens um sechs immer aus unseren Betten geschmissen hat. Meinen Bruder, meine Schwester und mich«, wandte ich ein, weil ich das Gefühl hatte, irgendetwas sagen zu müssen und sie schnellstmöglich von dem Loch wegzuziehen, an dessen Rand sie gerade mit verbundenen Augen entlangbalancierte. Überrascht sah sie auf.

»Du hast Geschwister?«

»Einen älteren Bruder und eine jüngere Schwester«, bestätigte ich und versank kurz in Gedanken in eine Zeit, in der alles besser gewesen war.

»Aha, das berühmte Sandwichkind also.«

»So kann man es auch nennen.« Lächelnd kickte sie den Kieselstein, den ich ihr zugespielt hatte, zurück.

»Wie muss ich mir das mit einem Hauslehrer genau vorstellen? Hattet ihr immer zusammen Unterricht? Habt ihr den Lehrer immer zur Weißglut gebracht, sodass er euch im Grunde genommen gar nicht unterrichten konnte?« Sie gluckste, belustigt von dem Gedanken, und ich entschied, sie vorerst in dem Glauben zu lassen.

»Wenn du auf Streiche anspielst, wie Frösche auf seinem Bett unterzubringen oder Kleber in sein Shampoo zu mischen, dann bekenne ich mich schuldig.«

»Er hat auch noch bei euch gewohnt? Grayson!«, rief sie tadelnd, »Das hast du nicht wirklich getan!«

»Nein, habe ich nicht.«

Enttäuscht, aber immer noch grinsend, ließ sie die Schultern fallen. Normalerweise erzählte ich nie Geschichten aus meiner Kindheit, aber in diesem Augenblick erschien es mir wie eine gute Idee.

Me Because Of YouWo Geschichten leben. Entdecke jetzt