»Heather? Bist du da drin?«
Es kam zwar keine Antwort, doch das Schniefen hinter der Kabinentür reichte mir.
»Willst du nicht rauskommen?«, fragte ich zaghaft und lauschte, ob sich hinter dem schwarzen Holz etwas tat. Es blieb ruhig.
Rechts neben mir wurde die Spülung betätigt und ich seufzte innerlich. Der Frau lächelte ich gequält zu. Sie rollte mit den Augen und wusch sich in aller Seelenruhe die Hände.
So sehr ich Hygiene befürwortete, aber musste sie sich unbedingt so viel Zeit damit lassen?
Die Tür zu den WC-Anlagen schloss sich geräuschlos hinter ihr und ich beeilte mich, sie abzuschließen.
»Wir sind jetzt allein«, sagte ich. Fast gleichzeitig ertönte das Klicken der Schließanlage und Heather wischte sich über die Augen.
»Wie sehe ich aus?«, schniefte sie, ein schiefes Grinsen auf den Lippen, das nicht einmal bei schlechtem Licht als aufrichtiges Lächeln gewertet werden konnte.
Es war nicht zu leugnen. Ein Pandabär hätte keine größeren Augenringe haben können.
»Wir bringen das schon in Ordnung«, wich ich der Frage aus und lotste sie zum Waschtisch. Ihre Schultern bebten unter meinen Fingern.
Beth hatte ich überzeugen können, bei ihren Gästen zu bleiben. Grayson und Henry hatten ihr in die Damentoilette nicht folgen können, auch wenn sie es sicher versucht hätten. Versucht hatten. Wäre nicht in genau dem Moment eine ältere Dame aus den Räumlichkeiten getreten, die die Brüder schockiert angeblickt hatte, wäre es ziemlich eng hier drinnen geworden. Heather seufzte.
»Ich habe einfach nicht damit gerechnet, ihn heute zu sehen. Dass Will ihn einladen würde, hätte ich ahnen müssen. Er tut in letzter Zeit alles, um unserer Mutter auf den Schlips zu treten. Und was mache ich? Laufe einfach weg.«
»Du hast ihn seit vierzehn Jahren nicht gesehen. Das ist einfach...«
»...erniedrigend«, beendete Heather den Satz nüchtern.
»Ich dachte eher an überfordernd«, schlug ich vor.
Heather atmete tief ein. Mit geübten Bewegungen begann sie das verschmierte Make-Up in ihrem Gesicht vorsichtig zu entfernen und ich half ihr, wo ich konnte.
»Ich sehe aus wie ein verdammter Waschbär. Du hast es gewusst, habe ich recht?«
»Ich habe die Platzkarte auf dem Tisch gelesen und mir den Rest gedacht«, gab ich gedehnt zu.
»Will hat also mit dir über unseren Bruder geredet?«, hakte sie nach und ich wusste nicht, welche Antwort es war, die sie hören wollte.
»Hätte er das nicht tun sollen?«, stellte ich ihr deswegen eine Gegenfrage.
Heather legte den Kopf schief und betrachtete mich nun genauer. Obwohl sie jünger war, hatte ihr Blick etwas Durchdringendes. Als könnte sie in mich hineinschauen und all die Geheimnisse darin lesen, die ich sicher verborgen hielt. So wie auch Grayson mir immer das Gefühl gegeben hatte, mir die Lüge an der Nase abzulesen, noch ehe ich sie ausgesprochen hatte.
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Me Because Of You
Teen Fiction»Soll ich wieder gehen? Ich kann draußen warten. Oder unten. Wenn dir das lieber ist.« »Das ist ja das Problem! Ich will nicht, dass du gehst.« Julia Wentworth hatte nicht vor, sich zu verlieben, als sie nach drei Jahren Studium in Oxford an New Yor...