9. Kapitel

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John und Hilary Wentworth waren schon immer ein Anblick der besonderen Art gewesen

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John und Hilary Wentworth waren schon immer ein Anblick der besonderen Art gewesen. Selbst als sie noch nicht wohlhabend und erfolgreich gewesen waren, schrie ihr Auftreten geradezu nach Respekt. Mit dem unerwarteten Erfolg ihrer Firma A.I.Technologies wurde dieser Zustand nicht gerade abgemildert. Ihre ohnehin schon ungesunde Überzeugung von sich selbst wuchs ins Unermessliche.

Während Hilary stilbewusst auftrat und nicht einmal im Traum daran dachte, andere Markenklamotten als Louis Vuitton, Chanel, Armani und Konsorten auch nur anzuschauen, war John Wentworth wie ein Fels in der Brandung, standhaft und unüberwindbar. In seinem maßgeschneiderten italienischen Anzug sah er wie der geborene Geschäftsmann aus. Die scharfen Gesichtszüge und streng nach hinten gekämmten und leicht gräulichen Haare taten ihr restliches. Hilary lächelte ihr professionellstes Lächeln. Ein überhebliches Lächeln, das sagte: »Wir haben Macht. Wir sind die Elite und Sie nur die Kakerlaken unter unseren Schuhen. Und Sie wissen es.«

Ein Lächeln, das sie selbst für Beth und mich aufsetzten. Ehrlich, ich wusste nicht, wann ich das letzte Mal eine wahrhafte Emotion meiner Eltern miterlebt hatte. Es musste noch vor meinem Umzug nach England gewesen sein. Seitdem hieß es in ihrem Leben nur: Perfekt, perfekt, perfekt. Alles, was dem widersprach wurde abgrundtief heruntergemacht. Deswegen war ich nicht unbedingt erfreut, als sie mich zum gemeinsamen Familiendinner beorderten, wie Essen vom Lieferservice. Denn ich war ihr wandelndes Beispiel für jemanden der nicht perfekt war, an dem sie nur allzu gerne herummäkelten. So viel zu der glücklichen Bilderbuchfamilie, die wir in der Öffentlichkeit mimten.

Es gab wahrlich Schöneres, als mit Hilary, John und – nun gut, das war ein Lichtblick – Beth an einem Tisch zu sitzen und das Essen, für das Mary bestimmt den ganzen Nachmittag in der Küche hantiert hatte, lustlos von einer Seite auf die andere zu schieben. Und dann dieses Lächeln. Immer dieses falsche, aufgezwungene Lächeln. Die Sitzordnung hatte sich merkwürdigerweise gehalten. Wie vor 23 Jahren saß ich neben John, Beth saß mir gegenüber, unsere Mutter neben ihr. Alles in unserer Familie war zusammengebrochen, doch unsere fest zugewiesenen Plätze unterlagen offenbar dem Bestandsschutz. Die Spannung, die über uns lag, war mit den Händen greifbar, dabei hatte Mary gerade erst die Vorspeise serviert. Hilary hob gerade die Gabel zu ihrem Mund und hielt plötzlich in der Bewegung inne, als würde ihr etwas siedend heiß einfallen. Die Art, wie sie den Kopf schief legte und mich musterte, zeigte mir jedoch, dass sie nur auf den passenden Moment gewartet hatte, um die Konversation auf das folgende Thema zu lenken. Nicht unbedingt geschickt, aber dafür äußerst wirkungsvoll.

»Wir sind untröstlich, dass wir nicht zu deiner Abschlussfeier kommen konnten. Wir hatten noch so viel zu erledigen für die große Präsentation. Das wirst du sicher verstehen.«

Natürlich. Das neue Projekt. Immer ging es um das neue Projekt. A.I.View. Ich setzte ebenfalls ein Lächeln auf, von dem man gleich bemerkte, dass ich es nicht ernst meinte.

»Nicht weiter schlimm. Es war sowieso nichts Besonderes.« Ja, genau. Seinen Abschluss an einer der renommiertesten Universitäten Großbritanniens zu machen, war ja auch sooo alltäglich.

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