Feinde

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Die Ute waren in der Nacht gekommen. In kleinen Gruppen von fünf bis sechs Kriegern hatten sie an mehreren Stellen die Herden der Diné aufgesucht, die Wächter unschädlich gemacht und die Zäune zerstört. Viel zu spät hatte einer der Wächter Alarm schlagen können, bevor er einem Messerstich zum Opfer fiel. Die aufgeschreckten Dinékrieger hatten sich zwar sofort auf die Verfolgung der Diebe und Mörder gemacht, doch die Ute waren schlau gewesen. Sie hatten sorgfältig die besten Pferde ausgewählt und mitgenommen und die restlichen Tiere so sehr in Aufruhr gebracht, dass diese die Krieger bei der Verfolgung der Ute behinderten. Schnell war klar, dass man in der Dunkelheit nicht viel ausrichten konnte.

*

Zur selben Stunde setzte sich der Ältestenrat zusammen. Nach dieser Besprechung sammelte Łizhinii Bik'á' seine Krieger und verkündete, was der Rat beschlossen hatte. Er selbst würde mit seinen besten Kriegern die Verfolgung der Ute aufnehmen. Nitsas-Ini sollte zu dessen Leidwesen das Einfangen der Herden und den Schutz des Dorfes übernehmen. Noch in der Nacht wurden die Jungkrieger mit Fackeln auf den Weg geschickt, das Dorf weitläufig zu umkreisen und die Fährten der Ute aufzuspüren.

Beim Morgengrauen waren alle Fährten aufgespürt worden und man hatte erkundet, dass es sechs Trupps gewesen waren, die die Herden angegriffen hatten. Man kannte das Vorgehen der Ute. Diese sechs Gruppen würden sich bei ihrer Flucht noch einmal aufspalten, um die Verfolgung zu erschweren.

Łizhinii Bik'á' teilte auch seine Krieger in sechs Abteilungen auf, stellte jedem Trupp einen Krieger vor und übernahm selbst eine Gruppe von dreißig Kriegern.

Nitsas-Ini brannte darauf, die Ute zu verfolgen. Doch sein Vater hatte ihn beiseite genommen und erklärt: „Łizhinii Bik'á' braucht einen zuverlässigen Häuptling hier im Dorf. Nicht nur, dass die Herden wieder eingefangen, die Zäune repariert und unsere Toten geborgen werden müssen, nein, auch das Dorf muss beschützt werden! Die Ute sind schlau wie die Füchse. Sie wissen, dass wir sie mit unseren Kriegern verfolgen werden und das Dorf der Diné nur noch unzureichend bewacht werden kann. Nitsas-Ini hat die schwere Aufgabe, mit den verbleibenden Männern die Frauen und Kinder im Dorf vor möglichen Angriffen zu schützen. Diese Aufgabe kann nur ein kluger und weiser Mann übernehmen."

Während also der Oberhäuptling mit seinen Männern loszog, den Überfall zu rächen, organisierte Nitsas-Ini das Einfangen und Einfrieden der Tiere. Diese Aufgabe fiel den Frauen und Kindern zu. Die verbliebenen Männer und Jungkrieger wurden in Wachen eingeteilt, die das Dorf weiträumig absichern sollten. Die alten gebrechlichen Diné sowie die Kleinkinder, Schwangeren und stillenden Mütter bezogen die Hogans im innersten Kreis des Dorfes, wo sie den meisten Schutz vor eventuellen Angriffen hatten.

Der Verlust der Tiere war überschaubar. Die meisten Schafe hatten trotz zerstörter Zäune ihre Weiden nicht verlassen. Nur vereinzelte Tiere befanden sich in den nahen Wäldern und wurden von den Frauen und Hunden zurückgetrieben. Schwieriger gestaltete sich das Einfangen der Pferde. Die Krieger hatten alle verfügbaren Reittiere benötigt, um die Verfolgung aufzunehmen. Teilweise waren sie zu zweit auf einem Mustang losgeritten, in der Hoffnung, unterwegs einige der verstreuten Reittiere einfangen zu können. Einzig der Umstand, dass jedes der Pferde der Diné auch auf den Weiden ein Knotenhalfter an hatte, trug dazu bei, der Pferde habhaft zu werden.

Gidi hatte sich den Pferdefängern angeschlossen. Ihr Charley stand zum Zeitpunkt des Überfalls zufällig abgesondert auf einer kleinen Koppel, da er sich eine Verletzung zugezogen hatte. Da Gidi sich auch im Laufe der Jahre ihre knabenhafte Figur erhalten hatte, konnte sie immer noch bequem auf ihm reiten.

Der Verlust der Pferde war groß. Zwar fanden sich immer wieder kleine Herden auf Lichtungen oder an Bachläufen, aber es waren bei Weitem nicht alle Tiere aufzuspüren.

Nitsas-IniWo Geschichten leben. Entdecke jetzt