Tod und Verzweiflung

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„Liebling?"

Nitsas-Ini verdrehte heimlich die Augen. Wenn seine Frau diesen Ton anschlug, hatte sie wieder irgendetwas ausgeheckt.

So brummte er nur leise, was Gidi zum Anlass nahm weiterzureden.

„Ich habe doch vor ein paar Tagen Rosa besucht."

Sie meinte Rosalie Ebersbach, die vor vier Jahren zusammen mit ihrer und einigen anderen Familien von Dresden in den Westen ausgewandert war. Die Deutschen hatten von den Diné ein wenig Land geschenkt bekommen und wohnten nun einen Tagesritt vom Wheatfield Lake entfernt in der neuen Ansiedlung Mountainhome.

Wieder brummte der Häuptling unbestimmt.

„Rosa hat mir nun erzählt, dass eine Verwandte von ihr ganz hier in der Nähe wohnt."

Nitsas-Ini horchte auf.

„Und ihr möchtet nun diese besuchen?"

„Genau."

„Wie nah?"

„Man kann bequem mit dem Zug fahren. Und dann ist es nicht mehr weit bis Helldorf-Settlement."

„Wie weit?"

„Wir können eine sehr große Strecke mit dem Zug fahren."

„Wie weit?"

„Der Zug bringt uns zum Echo Canyon, dann sind es nur noch zwei kleine Tagesreisen durch friedliches Gebiet."

„Echo Canyon?"

„Südlich der Tetons."

„Weißt du, wie weit das von hier ist? Hat dein Verstand gelitten? Bist du völlig irr geworden?", rief der Häuptling empört.

„Geliebter, hör mich erst an! Bitte!"

„Sprich!"

„Rosa hat eine Tante, die mit ihrer Familie vor Jahren ausgewandert ist. Diese haben erst in Chicago gewohnt und sind dann weiter in die Tetons gezogen. Dort haben sie sich niedergelassen. Zwei Tagesritte weiter liegt eine Bahnstation im Echo Canyon. Dort gibt es auch ein Telegraphenamt und vor kurzem ist ein Telegramm für Rosa im Fort Defiance angekommen. Ihre Tante hat sie eingeladen, sie doch einmal zu besuchen. Und ich kann Rosa doch nicht allein reisen lassen.

Von Gallup aus können wir bequem den Zug nehmen. Im Echo Canyon werden uns die Siedler in Empfang nehmen und uns zu ihrem Dorf bringen. Es ist also ganz ungefährlich."

„Die Sioux streifen durch das Gebiet. Denk an meine Reise mit Winnetou!"

„Das war eine ganze Strecke weiter weg. Der Ritt nach Helldorf ist völlig sicher, so wie unser Weg zum Fort."

„Ich muss darüber nachdenken."

Nitsas-Ini steckte sein Kalumet in Brand und rauchte schweigend. Er kannte die Eskapaden seiner Frau nur allzu gut.

Aber er wusste auch genau, dass er ihr diesen Wunsch nicht abschlagen konnte. Und wirklich setzte sie nun ihre Geheimwaffe ein. Er konnte fühlen, wie sie sich an ihn schmiegte und ihre Hand sich auf die Stelle seiner Brust legte, unter der sein Herz schlug. Lange würde er dieser Geste nicht mehr widerstehen können.

„Könnt ihr nicht Schi-So und Adolf mitnehmen?"

„Daran habe ich auch schon gedacht, doch unser Sohn muss eine längere Zeit nach Santa Fé und Adolf wird doch bald Vater. Wir würden ja warten, bis einer von beiden wieder abkömmlich ist, aber bis dahin wird es Winter sein. Dann können wir nicht mehr reisen. Und bis nächstes Jahr will Rosa nicht warten. Ich kann sie doch nicht allein lassen. Sie steht zwar ihren Mann, hat aber keine Ahnung, was auf sie zukommt."

Nitsas-IniWo Geschichten leben. Entdecke jetzt