Vergessen

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Gitti erwachte. Ihr Kopf schmerzte und es fiel ihr schwer sich zu orientieren. Irgendetwas war anders. Nein, ALLES war anders!

Wo war ihre Kuscheldecke? Was war das für ein Fell, auf dem sie lag? Wieso waren die Wände ihres Zimmers so dunkel? Und warum lag sie auf dem Boden?

Sie versuchte sich zu erinnern:

Ihr Vater hatte ihr eine Schaukel gebaut. Er war nicht ganz fertig geworden und hatte ihr verboten darauf zu schaukeln. In der Nacht war sie aus dem Fenster geklettert und hatte sich auf die Sitzfläche gesetzt. Sie wollte nicht schaukeln, das war ihr verboten, aber sitzen durfte sie doch bestimmt darauf. Das Spielgerät schien in Ordnung, und sie hatte sich mit den Füßen abgestoßen. Immer höher war sie geschwungen, dann hatte es einen Ruck gegeben. Das war das Letzte, an das sie sich erinnerte.

Und nun lag sie hier auf diesen komischen Fellen, bedeckt mit einer bunten Decke, in diesem dunklen Zimmer.

Sie versuchte aufzustehen. Erst war ihr schwindelig, doch dann ging es. Entsetzt musste sie feststellen, dass sie nackt war. Wo war ihr Nachthemd? Panisch durchsuchte sie die Regale, die an der Wand standen.

Lederkleidung, mit bunten Stickereien versehen. Federschmuck, und da, ein Leinenhemd. Dieses schien ihr zu passen, und sie zog es hastig über. Dann blickte sie sich weiter um. Der Raum war rund, ein Stück war mit einer Decke verhängt. Neugierig schaute sie dahinter, fand einen Eimer mit Wasser, daneben einen leeren. Erleichtert setzte sie sich auf diesen und verrichtete ihre Notdurft. Dann untersuchte sie den Raum weiter. Eine Art Herd stand in der Mitte, darauf Töpfe und Pfannen. Ansonsten schien der Raum leer. Sie entdeckte eine Tür und streckte vorsichtig den Kopf hinaus. Erschrocken schrie sie auf und fing an zu weinen.

Vor der Tür stand ein halbnackter Mann mit langem schwarzem Haar. Er sah sie mit wildem Blick an und streckte eine Hand nach ihr aus. Entsetzt schlug sie die Tür zu, die über keinen Riegel verfügte. Hektisch sah sie sich um. Und dann blieb ihr nur noch, unter die Felle zu kriechen und zu hoffen, dass der Fremde sie nicht entdeckte.

*

Nitsas-Ini hatte einen Ausritt mit seiner Frau gemacht. Fröhlich war sie vor ihm her galoppiert und hatte den Wind genossen, der ihr durch ihr offenes Haar wehte. Sie jauchzte auf und trieb ihren Mustang zu einem immer schnelleren Tempo an, ließ die Zügel fahren und riss die Arme in die Höhe.

Der Wallach, den sie ritt, war feurig und wurde immer schneller auf dem glatten Felsboden. Sie stürmten auf eine kleine Felsspalte zu, die der Mustang normalerweise ignorierte und einfach darüber galoppierte. Doch diesmal setzte er zu einem weiten Sprung an. Gidi war darauf nicht vorbereitet, kam ins Rutschen und stürzte vom Pferd.

Normalerweise konnte sie sich ganz gut abrollen, doch der Sturz kam so überraschend, dass sie es nicht mehr schaffte sich abzufangen. Wie ein Stein knallte sie auf den Boden und blieb bewusstlos liegen.

Erschrocken zügelte Nitsas-Ini sein Pferd, sprang ab und kniete sich bei seiner Frau nieder. Sie atmete, welch Glück. Ihre Gliedmaßen schienen nicht gebrochen und es waren keine Wunden zu sehen.

Sachte tätschelte er ihre Wange und träufelte ihr aus seinem Wasserbeutel etwas Flüssigkeit ins Gesicht, doch sie regte sich nicht. Vorsichtig hob er sie hoch und trug sie auf den Armen zurück ins Dorf. Er traute sich nicht Gidi auf eins der Pferde zu legen. Zu groß war die Gefahr, dass sie durch die unsanfte Behandlung Schaden nehmen konnte.

Im Dorf angekommen suchte er sofort die Medizinfrau auf, die Gidi untersuchte. Sie stellte eine Beule am Kopf fest, konnte sonst aber keine Verletzungen erkennen. Sie riet dem Häuptling, seine Frau auf ihr Lager zu betten und abzuwarten. Nitsas-Ini nahm seine Frau wieder hoch und trug sie in ihren Hogan. Dort zog er sie aus und bettete sie liebevoll auf ihr Lager. Dann ging er einen Moment vor die Hütte und zündete sein Kalumet an.

Nitsas-IniWo Geschichten leben. Entdecke jetzt