IN DER STADT DER BLEICHGESICHTER

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Das Häuptlingspaar saß wie gewohnt gegen Abend vor seinem Hogan und rauchte gemeinsam das Kalumet um den Tag ausklingen zu lassen.

„Nitsas-Ini, ich habe einen Wunsch", begann Gidi ihr abendliches Gespräch.

„Sprich, meine Squaw", antwortete der Häuptling.

„Wie du weißt, versuche ich den Diné ein wenig die westliche Welt und deren Errungenschaften nahezubringen. Doch ich selbst habe nicht genug Wissen, um ihnen alle Fragen zu beantworten. Und auch Ma'iitso kann mich auf die Dauer nicht unterstützen. Was mir fehlt, sind Lehrbücher. Die bekomme ich nur in einer der großen Städte. Und nur gegen Geld."

Nitsas-Ini blickte lange vor sich hin.

„Meine Frau hat Großes vor. Die nächstgrößere Stadt der Bleichgesichter ist Santa Fé. Doch es ist eine beschwerliche Reise bis dorthin. Einen großen Teil des Weges kann man zwar mit dem Feuerross und der Postkutsche zurücklegen, aber wie du selbst erfahren hast, ist dies nicht unbedingt sicher. Natürlich kann man auch dorthin reiten, doch der Weg ist weitaus länger und noch gefährlicher. Wahrscheinlich ist es tatsächlich unauffälliger, wenn eine Weiße allein reist als in Begleitung einiger Diné. - Du stellst mich vor eine schwere Entscheidung."

Bedächtig rauchte er einige Züge und schaute dann zu seiner Frau.

„Gidi ist mutig und engagiert. Ich halte es für sehr gut möglich, dass sie die Reise unbeschadet übersteht. Aber ich möchte nicht, dass sie fortgeht."

„Mein Mann mag bedenken, welchen Vorteil es für die Diné hat, wenn wir auf die Technik der Weißen zurückgreifen können. Warum sollen wir das Rad neu erfinden, wenn andere es schon optimiert haben?"

„Ich werde mit den Ältesten darüber beraten."

Der Rat der Ältesten war dem Gedanken sehr zugetan, neues Wissen zu erlangen. Nach langem Palaver kamen die Ältesten zu dem Beschluss, dass die Weiße gleichzeitig auch Handels- beziehungen aufbauen könnte. Sie hofften darauf, dass eine weiße Lady mehr erreichen konnte als ein roter Mann. Sie wollten ihr eine Auswahl von selbstgemachtem Schmuck und Decken mitgeben und hofften, dass sie Erfolg haben würde.

Nitsas-Ini war nicht einverstanden gewesen. Es widerstrebte ihm, seine Frau allein eine solch weite Reise antreten zu lassen. Da kam ihm Ma'iitso zu Hilfe. Da er ursprünglich selbst auch nach Santa Fé hatte reisen wollen, bot er sich an, Gidi nicht nur zu begleiten, sondern auch zu unterstützen. Sein geplanter Handelsposten sollte zwar Holz vermarkten, aber er konnte sie mit einigen Unternehmern bekannt machen und vor allem darauf achten, dass niemand die Frau betrog oder gar Hand an sie legte.

Trotzdem blieb der Häuptling skeptisch. Er sagte dies auch seiner Frau, und dass er sie am liebsten begleiten wollte.

„Geliebter, ist das die Angst, die dich treibt? Oder befürchtest du, mir könne es in Santa Fé so gut gefallen, dass ich nicht zurückkehre?", fragte Gidi.

Der Häuptling rauchte bedächtig. Das Paar saß wie gewöhnlich vor seiner Behausung und blickte auf den Sonnenuntergang. Dann reichte er das Kalumet seiner Frau.

„Nein, das ist nicht meine Sorge. Du würdest uns nie allein lassen, davon bin ich überzeugt."

„Ich mache dir einen Vorschlag: Die Postkutsche von Fort Defiance nach Gallup kannst du mit ein paar Kriegern zu Pferd begleiten. Dort werden Martin Wolf und ich den Zug besteigen. Wenn du uns weiterhin begleiten möchtest, wirst du im Güterwagen reisen müssen wie jeder rote, schwarze oder gelbe Mensch. Santa Fé ist eine große Handelsstadt. Dort gibt es viele Indianer der verschiedensten Stämme. Da wirst du dann nicht sehr auffallen. Ich könnte dich ja auch als meinen Sklaven mitnehmen und du musst alles tragen, was ich dir aufbürde."

Nitsas-IniWo Geschichten leben. Entdecke jetzt