Winnetou und Nitsas-Ini

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Winnetou war ins Dorf gekommen und hatte ein paar Tage bei den Diné gerastet. In gewisser Weise sah der Apache in Nitsas-Ini so etwas wie einen Vater und auch zu Gidi empfand er eine besondere Zuneigung.

Bei jedem Besuch seinerseits suchte sie mindestens einmal das Gespräch mit ihm. So auch an einem dieser Tage. Gidi hatte den Apachen gebeten, sich mit ihr zusammen vor ihren Hogan zu setzen.

„Ich freue mich, dich wiederzusehen, Winnetou. Wie geht es dir?"

Winnetou lächelte leicht.

„Gidi ist die einzige Squaw, die Winnetou diese Frage stellen darf, ohne ihn zu beleidigen."

Jetzt lächelte Gidi auch.

„Du hast nicht immer so empfunden. Ich erinnere mich noch gut daran, dass du mich verabscheut hast, weil ich eine Weiße bin."

„Ich habe seitdem viel gelernt, auch über die Bleichgesichter."

„Ja, das hast du. Und ich habe viel von euch Indianern gelernt."

„Ich habe Sorge, dass die Soldaten uns unser Land wegnehmen. Wir Apachen haben, genau wie die Diné, Verträge mit der Regierung geschlossen. Doch unser Land ist wegen der Bodenschätze begehrt, wir werden von den Soldaten provoziert und man versucht, uns gegeneinander aufzuhetzen. Darum möchte ich die Stämme im Norden aufsuchen. Sie müssen über die Machenschaften der Weißen unterrichtet werden."

„Es ist eine große Verantwortung, die du dir da aufgebürdet hast. Was macht Matho-yahtaka?"

„Matho-yahtaka ist noch sehr jung und unüberlegt. Ich hatte gehofft, dass er einmal meine Nachfolge antreten wird, doch bis dahin muss er noch viel lernen."

„Matho-yahtaka ist intelligent und ehrgeizig, aber als ich ihn das letzte Mal sah, fehlte ihm noch die Weitsicht und das Wissen über Verantwortung."

„So wie du sie hast?"

„Spotte ruhig über mich, ich habe einen Mann, der auf mich aufpasst! Hat Matho-yahtaka über seine Erlebnisse während des Schaftriebs erzählt?"

„Ja, das hat er. Es war ein besonderes Erlebnis für ihn, diese Aufgabe zur Zufriedenheit aller ausgeführt zu haben."

„Hat er – hat er auch etwas über mich gesagt?"

„Er hat mich nur gefragt, ob man alle Squaws besser anbindet, wenn man die Verantwortung für sie trägt."

Gidi wurde rot vor Scham. Dann erzählte sie Winnetou, was bei dem Viehtrieb vorgefallen war und dass Matho-yahtaka ihr das Leben gerettet hatte.

Der Häuptling der Apachen beschloss für sich, sollte sich sein Herz jemals wieder für eine Frau öffnen, dann auf keinen Fall für eine Weiße. Ihm reichte die Verantwortung für sein Volk und er bewunderte Nitsas-Ini für seine Geduld, die er bei dem Zusammenleben mit Gidi aufbringen musste.

Winnetou hatte geplant, die Stämme im Norden zu besuchen. Das bedeutete eine Reise von mehreren Wochen und wie er erhofft hatte, wollte Nitsas-Ini sich ihm anschließen.

Sie hatten keine Route festgelegt, planten nur, durch Wyoming nach Montana zu reiten, um dort irgendwo auf die Crows und Blackfeet zu stoßen, mit denen sie über die drohende Übernahme ihrer Gebiete durch die Bleichgesichter sprechen wollten.

Der Häuptling nahm sich am Abend Zeit, mit seiner Frau über das Unternehmen zu sprechen.

„Geliebte, Winnetou und ich möchten hinauf nach Montana", begann der Diné das Gespräch.

Gidi kuschelte sich an ihren Mann.

„Geliebter, ich glaube, es wird dir guttun mit Winnetou zu reiten. Du bist im Moment im Dorf abkömmlich und Bee Sid ist ein guter Unterhäuptling. Du solltest ihn aber vorher als offiziellen Vertreter für dich bestimmen. Es wird Zeit, dass du einen zweiten Häuptling auswählst."

Nitsas-IniWo Geschichten leben. Entdecke jetzt