Bauernleben

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Schi-So, der sich mittlerweile Hataałii (Schamane) nennen durfte, hatte die Anfrage bekommen, ob er einen Gesang für eine Familie zelebrieren konnte, die am äußersten Rande des Gebiets der Diné lebte. Der blonde Indianer liebte seine Arbeit und sagte gern zu, diese Aufgabe zu übernehmen.

Da die Reise einige Tage in Anspruch nehmen würde, seine Frau Anáá', die ihn gewöhnlich begleitete, aber guter Hoffnung war, hatten sich Gidi und Nitsas-Ini angeboten, ihren Sohn zu begleiten. Schi-So freute sich über dieses Angebot und schon bald brachen die drei auf.

Sie mussten in den Norden fast bis an die Grenze zum Bundesstaat Utah in ein Gebiet, welches sich Red Mesa nannte, zu einem Ort namens Tó likon (Süßwasser).

Die Strecke betrug nicht mehr als siebzig Meilen, doch besonders die ersten zwanzig davon waren unwegsames Gelände und für die Mustangs sehr anstrengend. Darum wurde schon früh am Abend ein Nachtlager aufgeschlagen. Sie hatten zusätzlich ein Packpferd mitgenommen, da es unterwegs jetzt im Sommer kaum Wasserstellen gab. Die vielen kleinen Flüsschen würde erst wieder nach dem großen Regen in der Herbstzeit Wasser führen und auch die meisten Quellen waren versiegt. Darum hatte man nicht nur Lebensmittel, sondern auch einige gut gefüllte Wasserschläuche mitgenommen.

Die Pferde wurden getränkt und angehobbelt, ein Feuer angezündet und das mitgenommene Lammfleisch gebraten. Eine friedliche Stille breitete sich aus, während die drei nach dem Essen zusammensaßen und den Sternenhimmel betrachteten. Bald schon legte man sich schlafen, damit man am Morgen frisch und ausgeruht war.

Nach einem guten Frühstück machte sich die kleine Gruppe wieder auf den Weg. Wie von selbst hatten die beiden Männer die Führung übernommen und Gidi folgte ihnen mit etwas Abstand, das Packpferd an der Hand.

Für Gidi war es wunderbar mit den beiden Männern zusammen zu reisen, die sie am meisten liebte. Immer wieder wanderte ihr Blick vom blonden Schopf ihres Sohnes zu dem schwarzen ihres Mannes.

Alt waren sie geworden, alle beide.

Nitsas-Ini zählte mittlerweile siebzig Winter und Schi-So würde in drei Jahren vierzig werden. Gidi schaute auf ihre eigenen Hände, die runzeliger wirkten als noch vor ein paar Jahren. Anscheinend wurde auch sie älter, obwohl sie sich noch wie eine junge Frau fühlte.

Nur in der letzten Nacht hatte ihr Rücken etwas geschmerzt, bis sie eine richtige Liegeposition gefunden hatte. Sie seufzte leise auf. Dann drückte sie ihrem Mustang die Fersen in die Flanken und dieser trabte nun etwas schneller, bis sie die beiden Männer erreicht hatten.

„Mama, hast du dort drüben die wunderbaren roten Felsen gesehen? Es ist nicht mehr weit bis zu unserem Ziel und ich finde die Landschaft hier sehr reizend."

„Nicht jeder mag den nackten Felsen und das dürre Gras darum herum, aber du hast Recht, man kann hier sehr weit vorausschauen, und die roten Berge scheinen ganz nah zu sein, obwohl sie noch weit weg sind. Werden wir heute noch einmal rasten oder erreichen wir den Ort noch vor dem Sonnenuntergang?"

Nitsas-Ini hob den Kopf und schien nach etwas zu schnuppern.

„Wir sollten uns einen sicheren Rastplatz suchen, es könnte ein Gewitter geben", meinte er.

Nun steckte auch Gidi die Nase in die Luft und schnüffelte.

„Ich rieche nichts, aber ich vertraue dir, obwohl der Himmel wolkenlos ist."

Schi-So lachte.

„Mama, schau, die Vögel fliegen davon, denn der Luftdruck hat sich ein wenig geändert. Papa hat ein ganz feines Gespür für solche Veränderungen und wird Recht behalten. Vielleicht schaffen wir es noch bis zu den Felsen dort drüben, damit wir an der windabgewandten Seite unser Lager aufschlagen können."

Nitsas-IniWo Geschichten leben. Entdecke jetzt