Epilog

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Seit einer Woche hatte Nitsas-Ini sein Lager nicht mehr verlassen und als er am vergangenen Tag in tiefe Bewusstlosigkeit gefallen war, hatten die Krieger ihn vor den Hogan getragen. Dort lag er nun, geschützt vor den Blicken der Diné, an der rechten Außenwand seiner Hütte, mit dem Gesicht gen Osten.

Gidi saß Tag und Nacht an seinem Lager, pflegte ihn und strich ihm immer wieder seine vom Schweiß feuchten Haare aus dem Gesicht. Sie hielt seine Hand und wartete auf den letzten Atemzug. Ab und zu kam Schi-So vorbei, brachte seiner Mutter Essen und Trinken und hockte sich neben den Vater, damit sie sich selbst frischmachen konnte.

Gidi tat es im Herzen weh, ihren Mann so hilflos daliegen zu sehen, wünschte sich nichts sehnlicher, als dass er endlich loslassen konnte.

Loslassen? Wie konnte er loslassen, wenn sie es nicht tat?

Und so beugte sie sich über ihn, küsste zum letzten Mal seine Stirn und flüsterte:

„Geliebter, wir hatten sechzig schöne Jahre zusammen. Nun ist es an der Zeit für dich zu gehen. Ich komme schon allein zurecht."

Sie hatte das Gefühl, als würde er noch einmal ihre Hand drücken. Und dann tat er den letzten erlösenden Atemzug.

Aus Schi-Sos Tagebuch:

Papa ist tot.

Die letzte Woche hat er sich nicht mehr von seinem Lager erhoben und wir haben ihn an die nördliche Wand seines Hogans gebettet, mit dem Gesicht nach Osten, sodass er einen guten Blick auf den Sonnenaufgang hat. Mama hatte ihre Felle neben ihm ausgebreitet und verließ diesen Platz nur noch, um sich frisch zu machen. Anáá' und ich kümmerten uns um ihr leibliches Wohl und die Kinder gingen täglich zu den beiden, um Zeit mit ihnen zu verbringen.

Ich war mit meiner Frau auf dem Weg zu ihnen, als ich Mama ihren Platz verlassen und auf einen der Felsen über dem See klettern sah. Da wusste ich Bescheid. Papa war den Weg – wohin auch immer – gegangen.

Ich bat Anáá', die Dorfbewohner zu informieren und kletterte Mama hinterher.

Da saß sie, die Beine angewinkelt und den Kopf auf die Knie aufstützend.

Ich hatte Angst, Angst davor, dass sie ein Leben ohne Papa nicht aushält, Angst, dass sie jeden Moment aufspringt und sich vom Felsen stürzt.

„Mama?", sprach ich sie leise an.

Sie drehte sich zu mir um. Ihr Gesicht war tränennass, doch ihr Mund lächelte und die Augen strahlten.

Sie klopfte leicht neben sich auf den Felsen und ich setzte mich zu ihr.

Nach einer Weile lehnte sie sich an mich und meinte:

„Ich bin so glücklich!"

Ich schrak zusammen und sie bemerkte dies natürlich. Dann lachte sie.

„Schi-So, sechzig Jahre durfte ich an der Seite dieses herrlichen Menschen verbringen, sechzig Jahre, die wir gemeinsam verbrachten und die mir nun Trost spenden. Wenn ich heute Abend mein Lager aufsuche, bin ich nicht allein, denn die Erinnerungen begleiten mich. Ich bin so glücklich, Schi-So, Papa ist friedlich eingeschlafen und hat viele, wunderbare Erinnerungen hinterlassen. Ich brauche nur die Augen zu schließen, dann sehe ich ihn, dann spüre und höre ich ihn. Und erlebe all die schönen Tage immer und immer wieder."

Nachwort

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Nachwort

Die Triologie von Nitsas-Ini basiert auf dem Roman „Der Ölprinz" von Karl May, und greift auch immer wieder auf andere Figuren aus Mays Romanen zurück.

Einige Figuren habe ich mir mit Genehmigung von den Autoren auf Fanfiction ausgeborgt, andere haben wirklich gelebt und deren Geschichte habe ich mit meiner verwoben.

Ein weiteres Gemisch aus Wahrheit, Fantasie und Halbwissen betrifft das Leben, die Philosophie und die Zeremonien der Navajos, die in meinen Büchern zur Sprache kommen.

Das Gleiche betrifft Landschafts und Ortsbeschreibungen. 

Nitsas-IniWo Geschichten leben. Entdecke jetzt