Die Anderen

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Es war an einem warmen Frühlingsabend, als Adolf und Schi-So von einer längeren Reise durch die Staaten zurückkehrten. Die beiden jungen Männer hatten es sich zur Aufgabe gemacht, zwischen den verschiedenen Indianerstämmen und den Weißen zu vermitteln und Friedensverträge auszuhandeln. Viele der befreundeten Clans hatten schon aufgegeben und waren in verschiedenen Reservaten untergebracht, doch unter herabwürdigenden Lebensumständen, die die beiden versuchten zu mildern. Sie hatten Sitting Bull getroffen, mit Geronimo verhandelt und wurden sogar in Washington von Präsident Grover Cleveland empfangen.

Nachdem die beiden ihre Familien begrüßt und sich von den Strapazen der letzten Wochen erholt hatten, setzten sie sich mit Nitsas-Ini, Gidi, Bee Sid und einigen anderen Diné zusammen, um von ihren Erlebnissen und Erfolgen zu berichten.

„Es war erschreckend, wie schlecht es vielen der Menschen in den Reservaten geht und unter welchen Zuständen unsere Brüder und Schwestern leben müssen."

Schi-So berichtete sein Erleben in englischer Sprache, die alle Anwesenden dank Gidi verstanden.

„Viele unserer Brüder und Schwestern verstehen kaum Englisch und die Soldaten kommunizieren in der Gebärdensprache, die sie aber auch nur mangelhaft beherrschen. Es gibt Dolmetscher, die aber selbst kaum in der Lage sind, das auszudrücken, was wirklich gemeint ist. Immer wieder kommt es zu Missverständnissen und jedes Mal sind wir Indianer die Leidtragenden. Stellt euch vor, es gibt Dolmetscher, die sprechen spanisch und vielleicht Apachi, der nächste spricht spanisch und französisch und der dritte englisch und französisch. So erzählt der Amerikaner dem Franzosen etwas, das dieser ins spanische übersetzt das dann wiederum zum Apachi wird. Das ist wie stille Post!

Ich habe mit Sitting Bull gesprochen, der nicht nur ein hervorragender Krieger, sondern auch ein weiser Schamane ist. Doch er ist ein Hunkpapa-Lakota-Sioux, spricht nur sehr wenig Englisch und ich bin seiner Sprache nicht mächtig. Und doch konnten wir uns verständigen. Durch Anáá' spreche ich ein wenig Lakota, und wo die Worte fehlten, kamen Hände und Füße zur Sprache. Ihr könnt euch nicht vorstellen, was die Weißen mit ihm gemacht haben!

Dieser große Schamane, der nur das Eine möchte, dass sein Volk die Anerkennung bekommt, die es verdient, wurde durch Buffalo Bill zum Narren gemacht. Sitting Bull reiste mit Buffalo Bill durch die Staaten, im Glauben, er könne die Menschen über sein Volk aufklären. Er hat Reden gehalten und um Verständnis gebeten. Es war ihm nicht bewusst, dass er in einer Show auftrat, niemand seine Sprache verstand und er nur vorgezeigt wurde. Ich bin froh, dass ich ihm die Lage erklären konnte. Er hat sich von der Show zurückgezogen, aber er ist ein gebrochener Mann."

Eine Weile diskutierten die Männer und Frauen nun darüber, wie dankbar sie waren, dass Gidi ihnen die Sprache der Weißen vermittelt hatte. Besonders Nitsas-Ini, der sich noch gut an die eigene Internierung erinnern konnte, wusste, wie wichtig es war, die Sprache des Feindes zu verstehen und zu nutzen.

„Wir trafen Geronimo und seinen Schwiegersohn Naiche. Kennst du diese?", fragte Schi-So nun seinen Vater.

„Ich habe den Vater Naiches gekannt, ihn und auch Tom Jeffords, seinen weißen Bruder." Nitsas-Ini vermied es, den Namen Cochise auszusprechen, doch jeder der Anwesenden wusste, wer gemeint war.

„Geronimo und Naiche kämpfen im Süden New Mexicos noch immer gegen die Soldaten. Ich war erschüttert, wie wütend ein Mensch sein kann. Naiche ist voller Zorn und kämpft seine eigene Schlacht. Stellt euch vor, seine Frau wollte sich den Weißen ergeben, und um sie daran zu hindern, schoss er ihr ins Bein! Geronimo selbst ist einsichtiger, doch Naiche hat viel Einfluss auf ihn. Ich hoffe, dass sie bald diesen Krieg aufgeben, der nichts mehr mit der Verteidigung eines Volkes zu tun hat."

Nitsas-Ini schüttelte den Kopf über so viel Sturheit. Er berichtete, welch einfühlsamer und friedlicher Mensch Cochise gewesen war, ähnlich wie Winnetou. Trotzdem oder gerade deswegen waren beide hervorragende Anführer und weitsichtige Krieger gewesen, die leider nicht lang genug gelebt hatten, um ihre Völker in die neue Welt zu führen.

Nitsas-IniWo Geschichten leben. Entdecke jetzt