Kapitel 37: Ella - Wunder.

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Ella

"Hola, Hermanita." Sagte Adrian skeptisch. Ich rief ihn eben nicht immer um sieben Uhr morgens an. "Geht's dir gut?" Wollte er wissen. Ich seufzte. "Hast du wieder diese Träume?" Er kannte mich zu gut.
"Ich vermisse euch sehr." Sagte ich. Es machte keinen Sinn über diese Träume zu reden. Es änderte nichts daran.
"Wir vermissen dich auch sehr." Sagte er leise. Er klang irgendwie verschlafen.
"Oh nein. Ich hab dich geweckt." Rief ich erschrocken. Ich hatte nicht daran gedacht, dass er zwei Stunden zurück war.
"Mach dir keine Sorgen, pequeño!" Versuchte er mich zu beruhigen. Ich hasste es.
Seit dem Unfall hatte ich versucht so zu tun, als sei das nie passiert. Es war mittlerweile fast Sechs Jahre her. Und doch kam es immer wieder und es beeinträchtigte nicht nur mich, sondern auch meine Familie. Und vor allem Adrian.
Er war der einzige der von meinen Alpträumen wusste. Ich hatte weder meiner Mom, noch Matheo oder Lucas erzählt, dass ich mich überhaupt erinnern konnte. Es würde meiner Mom das Herz brechen.
"Ich vermisse ihn." Flüsterte ich und wischte mir die ersten Tränen von der Wange.
"Ach, hermanita. Todo estará bien!" Sagte er leise. Das tat es immer. Es wurde immer gut. Und dann kam es wieder.
Diese Träume, die Erinnerungen, die Ängste. Ich hasste es. Jede Minute davon. Irgendwie hatte ich geglaubt, dass ich jetzt, wo ich diese Chance bekommen hatte, auf die ich so lange hatte hingearbeitet, keine Träume mehr haben würde. Dass es magischerweise perfekt laufen würde.
"Ich glaube ich kann das nicht." Sagte ich und versuchte nicht zu Schluchzen. Doch ich spürte den Heulkrampf in meinen Knochen.
"Du bist Isabella Rodriguez. Puedes hacerlo todo. Unsere Familie gibt niemals auf. Das weißt du doch, pequeño!"
Ich nickte. Er hatte Recht. Ich schaffte das. Ich sollte mich zusammenreißen.
"Danke, hermano." Sagte ich leise und schlug die Decke zurück.
Ich würde da raus gehen. Auch wenn ich mich nicht zu hundert Prozent gut fühlte. Würde ich das doch schaffen. Ich war eine Rodriguez.ich war stark und ich schaffte das.
"Ich freue mich so euch bald zu sehen. Nur noch ein paar Tage." Sagte ich, bevor ich mich verabschiedete.
"Ich hole dich vom Flughafen ab." Sagte er noch, dann war er weg.
Mit rasendem Herzen erhob ich mich, schmiss mein Telefon auf die Matratze und ging ins Bad. Ich sah furchtbar aus. Aber ich würde Miranda überlassen das zu lösen. Ich putzte mir also nur die Zähne, wusch mich ein wenig und warf mir einen Pulli und meine Jogginghose über.
Als Jonas mich eine Viertelstunde später abholte, runzelte er die Stirn, doch er sagte nichts. Ich hatte mir die Kapuze über den Kopf gezogen. Ich sah vermutlich etwas verwahrlost aus, aber das war mir egal. Ich würde einfach den Kopf einziehen und den Tag mit Bravur hinter mich bringen.
Schweigend fuhren wir aufs Gelände. "Ich kümmere mich um den Text." Sagte Jonas und verabschiedete sich ungewöhnlich seltsam von mir, nachdem er mich fragt, ob ich noch etwas brauchte. Doch ich schüttelte den Kopf.
"Ich ziehe mich um. Bin dann bei Miranda." Flüsterte ich, doch er war schon im Gebäude.
Mit geschlossenen Augen seufzte ich. Es war einfach einer dieser Tage, an dem ich nicht das Bett hatte verlassen sollen. Ich fühlte mich unwohl. Ich hatte keine Lust und es kostete mich so viel Kraft hier zu sein.
Doch ich war eine Rodriguez. Und wir gaben niemals auf. Ein Mantra, dass ich vielleicht glaubte, wenn ich es nur oft genug sagte.
Tief holte ich Luft. Öffnete die Augen und machte einen Schritt. Doch ich kam nicht weit, denn ich wurde unsanft von einer menschlichen Mauer gebremst. "Kannst du nicht... Ella?" Warum? Warum? Warum?
Ich hob den Blick. Es war klar, dass ich ausgerechnet James in due Arme laufen musste. "Hey." Flüsterte ich. Versuchte so zu tun, als wäre alles wie immer. Doch er musterte mich und runzelte ebenfalls die Stirn, wie Jonas es getan hatte. Doch ich konnte mich nicht darauf verlassen, dass er ebenso schlau wäre und Schweigen würde.
"Bist du krank?" Fragte er und verzog das Gesicht. Dabei machte er eine kleine Rückwärtsvewegung. Ich war mir nicht sicher, ob es daran lag, dass ich ihn nicht anstecken sollte, oder oder er versuchte mich unter der Kspuze besser zu sehen.
Doch bevor ich ihm antworten konnte, lag seine Habd auf meiner Stirn. Sofort begann mein Herz zu rasen und in meinem Bauch schien such alles zu verknoten. Ich war kurz davor loszuheulen. Ich spürte es. Und plötzlich fühlte ich mich noch nackter, als in seinem Wohnwagen. Ich wollte nicht vor James heulen. Auf. Keinen. Fall!
"Ich bin nicht krank." Sagte ich abweisend und schlug seine Hand weg. Er verzog ungläubig das Gesicht. "Du siehst aber so aus." Murmelte er einfach. Und ich wusste es gab nur einen Ausweg, wenn ich nicht vor ihm heulen wollte.
"Weißt du, James; nur weil eine Frau nicht deinen Ansprüchen genügt, muss die noch kange nicht krank sein. Vielleicht hab ich nur schlecht geschlafen? Vielleicht hab ich geheult? Vielleicht habe ich meine Tage? Vielleicht hatte ich auch nur eine sehr lange Nacht!" Schnauzte ich ihn an.
Überrascht blinzelte er. Doch ich sah, wie er beinahe sofort dicht machte. Es war nicht fair, das wusste ich selber. Aber ich hatte die Schauze voll von diesem Tag und er hatte noch nicht mal wirklich abgefangen.
"Also wenn du mir nicht noch mal sagen willst, dass ich total beschissen aussehe, würde ich jetzt reingehen. Wenn du erlaubst?"
Ohne seine Antwort abzuwarten ging ich um ihn herum und wischte mir wieder eine Träne von der Wange.
Schnurstracks marschierte ich zur Maske und ignorierte die fragenden Blicke. Stattdessen hoffte ich einfach, dass Mirandas Magie ausreichen würde.
Denn jetzt gerade konnte mir wirklich nur noch eins helfen: ein Wunder.

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