Kapitel 63: Ella - Weise Worte.

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Ella

Er starrte mich an. Und ich fühlte mich wie eine Spinne unterm Glas. Wie konnte es sein, dass er mich so leicht durchschaute? Alles was er sagte stimmte.
Nur er sah nicht, dass er mir das Herz brechen würde. Er würde mich zerstören. Ich konnte nicht wieder jemanden verlieren.
Alleine wenn ich darüber nachdachte, was die Medien dazu sagen würden...
Mir war klar, dass der Job da seit sich brachte. Aber James Sinclaire war in den Medien eben dieser große, fettfeindliche, arrogante Mann. Er hatte keinen guten Ruf. Und ich wäre nur die arme Kleine, die seinen Ruf aufbessern sollte.
Ich glaubte nicht, dass James das dachte. Ich glaubte ihm was er sagte. Aber ich...
"Ella?" Seine Stimme nur ein Flüstern. Langsam hob ich den Blick. Bemühte mich darum die Tränen zurückzuhalten.
Papá hatte mir versprochen mich nicht zu verlassen. Ich hatte ihn angefleht und dann dabei zugesehen, wie er verschwand. Wie sein Blick ausdruckslos wurde.
"Ich kann nicht." Es war nicht fair. Noch zu Weihnachten hatte ich mich ihm an den Hals geworfen. Nicht mit dem Gedanken für immer und ewig. Ich hatte... Was hatte ich eigentlich?
Er ließ mich so schön fühlen. Er ließ mich sexy fühlen. Und schlau. Und lustig. Er gab mir das Gefühl ich sei gut so, wie ich war. Und das war genau der Grund. Ich war jetzt schon viel zu tief drin.
Jedes Mal wenn ich ihn sah, wenn ich ihn hörte, wenn er auftauchte dann fühlte ich so viele Dinge. Und es würde mich umbringen, wenn er mich betrügen würde. Wenn er merkte, dass wir nicht zusammen passten. Und es machte mich wütend. Wütend, dass ich ihm etwas unterstellte, was er noch nicht tat. Das ich immer so selbstbewusst tat, doch es eigentlich nur im Schein war.
"Rede mit mir!" Bat er eindringlich. "Ella, bitte!" Flüsterte er noch. Ich sah, wie verletzlich er war. Er hatte mir sein inneres vor die Nase gehalten und ich starrte ihn nur an.
"Es tut mir leid." Sagte ich mit bebender Stimme, wandte mich ab und stürmte aus dem Trailer.
Ich hörte ihn noch meinen Namen rufen, doch ich hielt nicht an. Bis ich das Tor und auch den Parkplatz hinter mir gelassen hatte.
Erst als ich vom Gelände war holte ich rief Luft und hatte das Gefühl, dass ich wieder zu Atem kam.
Schnell kramte ich mein Telefon aus meiner Hosentasche und suchte mit Tränen nach Adrians Nummer.
"Geht es Ihnen nicht gut, Miss?" Erschrocken fuhr ich herum. Vor mir stand ein Mann, mittleren Alters. Er sah etwas verwahrlost aus, doch er lächelte mich freundlich an und schien ehrlich besorgt.
"Mir geht es gut." Flüsterte ich und wischte mir übers Gesicht. Doch er runzelte die Stirn.
"Es ist eben einer dieser Tage." Fügte ich hinzu und rang mir ein Lächeln ab. Doch es fühlte sich an, wie eine Grimasse.
"Oh ja. Solche Tage kenne ich." Sagte er traurig und blickte über seine Schulter. "Aber das sind eben nur schlechte Tage. Ein schlechter Tag in einem guten Monat ist nur ein Bruchteil." Ich nickte mit einem schwachen Lächeln. Er erinnerte mich an Papá. Der warme Blick. Die ruhige Art.
"Eigentlich ist es kein schlechter Tag. Immerhin hat mir der Mann den ich... liebe, gesagt, dass er mit mir zusammen sein will." Sagte ich mit einem Schulterzucken. Ich wusste selbst nicht, warum ich ihm das erzählte. Ich stockte einen Moment an dem L-Wort.
Doch er lächelte mich nur an. "Das klingt doch nach einem guten Tag." Sagte er überrascht.
Er hatte Recht. "Sollte man meinen, nicht? Ich hab ihn abgewiesen. Er wird mir das Herz brechen." Gab ich leise zu. Er sorgte dafür, dass er mir die Wahrheit entlockte.
Für eine ganze Weile dachte er nach. Dann, als es schon eigenartig wurde, begann er wieder zu sprechen.
"Wissen Sie, Miss? Ich habe viel falsch gemacht in meinem Leben." Er sah traurig aus, als er das sagte. "Und ich weiß, dass die Menschen die ich liebe ohne mich besser dran sind." Ich wollte ihm widersprechen, doch ich wusste nicht, was es war das er falsch gemacht hatte. Und nicht alles war wieder gut zu machen.
"Aber nur weil man verletzt wurde, sollte man nicht davon ausgehen, dass jeder einem wehtut." Sagte er ernst, doch ein trauriges Lächeln schob sich auf sein Gesicht.
Er sah aus, als hätte er in seinem Leben schon viel durchgemacht.
"Ich hoffe sehr, dass meine Kinder nicht die Angst haben, glücklich zu sein. Nur weil ich sie nicht glücklich machen konnte." Sagte er dann und ich lächelte ihn an.
Hatte er recht? Ich wusste, dass ich James unterstellte etwas zu tun, was er vielleicht - oder vielleicht auch nicht - mal tun würde. Ich war nicht fair. Und ich schloss ihn aus, wegen dem was passiert war.
Aber war ich bereit ihm mein Herz auf einem Silbertablett zu präsentieren? War ich bereit ihm die Macht zu geben, mich zu zerstören? War ich zu dramatisch? War ich albern? Oder war ich nur ein Feigling?
"Sie sollten sich nicht vor der Welt verstecken, nur weil Sie Angst haben das die Welt nicht gut zu ihnen ist." Sagte er noch mit einem sanften Lächeln.
Ich hob den Kopf, als mein Name gerufen wurde. "Ella?" Jonas tauchte auf und musterte mein Gegenüber mit skeptischem Blick.
"Sie müssen nicht auf meine Worte hören, Ella. Aber vielleicht helfen sie Ihnen trotzdem."
"Danke." Sagte ich ihm. "Für Ihre Worte. Und die Ehrlichkeit." Er lächelte freundlich.
"Wir müssen zum Set, Ella." Sagte Jonas und schien nicht unbedingt angetan von dem Mann mir gegenüber.
"Ich bin Ella. Darf ich nach Ihrem Namen fragen?" Brachte ich noch raus und ging rückwärts ein paar Schritte auf Jonas zu.
"Mein Name ist doch nicht wichtig." Gab er zu und wandte sich zum Gehen. "Mir ist es wichtig." Rief ich ihm nach und er sah mich wieder lächelnd an. "Ray. Mein Name ist Ray." Antwortete er also. "Danke, Ray." Rief ich also, bevor Jonas mich beinahe davon zog. Und ich merkte, dass meine Tränen versiegt und meine Laune besser war.
Doch bei dem leichten Druck in meiner Brust half es nicht. Denn der Schmerz war da und ich befürchtete, dass ich den einzigen, der den Schmerz lindern konnte, abgewiesen hatte. Zweimal.

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