Kapitel 2: James - Schweigen ist Gold.

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James

Ich war völlig verkatert und hatte absolut keine Nerven für diese Scheiße. Mal im Ernst, da hielt einem ein Papparazzo eine beschissene Kamera ins Gesicht, folgte einem den ganzen Abend, tatschte sogar seine Begleitung an und beleidigte ihn auch noch; und wenn er sich dann, wie er fand angemessen, wehrte, war die Hölle los.
"Verstehst du was ich dir sagen will, James?" Fragte Morgan, sein Agent ihn. Er nickte brav. "Deine Sponsoren haben keinen Bock mehr. Ich habe so ziemlich alles getan, dass sie dich nicht direkt fallen lassen. Aber du musst dich entschuldigen." Genervt hob ich den Blick. "Nein." Sagte ich schlicht. Ich würde mich doch nicht bei einem solchen Arschloch entschuldigen. Er hatte verdient was er bekommen hatte und das konnte man nicht leugnen. Eine gebrochene Nase war sogar noch zu wenig. 
"Oh doch. Damage-Controll. Müsste dir eigentlich ein Begriff sein." Erklärte Morgan bissig. "Sie sind immer noch sauer, wegen dem Interview bei Fallon. Du muss lernen, den Mund zu halten, James." Wieder verdrehte ich die Augen. 
"Ich kann doch auch nicht, wenn die Leute so empfindlich sind und die Wahrheit nicht vertragen." Morgan holte tief Luft. Diesen Ausdruck kannte ich schon. Er stand kurz vor dem Platzen. "Du hast so ziemlich jede dicker Person der Welt beleidigt." Versuchte er es. Aber ich hatte nur gesagt, was die Wahrheit ist. 
Wer fett ist, entscheidet sich nun mal dazu. Niemand zwingt einen dazu fett und ungesund zu sein. Man konnte auch einfach mal ein wenig auf Fastfood und Cola verzichten. Wenn man sich nur ein wenig zusammenriss und sich ein bisschen bewegte. Das war doch nicht so schwer.
"Und es ist dir vielleicht nicht klar, aber die Durchschnittsgröße in diesem Land liegt bei einer 44. Das halbe Land ist dick. Die Leute fangen an dich zu hassen. Du warst unterhaltsam. Aber jetzt bist du einfach nur lästig. Und wenn du nächstes Jahr bei Olympia starten willst, musst du dich jetzt zusammenreißen." Sagte er gepresst. 
"Ich werde mich nicht entschuldigen." Erklärte ich trotzig und verschränkte die Arme vor der Brust und sah Morgan an. An seiner Schläfe pochte diese Ader, die verriet wie kurz er davor war, zu explodieren. 
"Gut. Das dachte ich mir schon. Ich habe gestern noch ein paar Kontakte spielen lassen. Das Gericht lässt dich durchkommen, wenn du ein paar Sozialstunden ableistest. Und für die Publicity ist das auch nicht schlecht. Also wirst du ein paar Problemkindern erklären, wie man einen Tennisschläger hält und dabei nett in die Kamera  lächeln. Verstanden?" Fragte er mich und schien das Thema zu beenden. Ich nickte. 
Auch wenn ich es unterhaltsam fand mit ihm zu diskutieren, wusste ich doch, dass er nur das beste im Sinn hatte und vermutlich hatte er recht. Also würde ich mich fügen. Wie schlimm konnte es schon sein mit ein paar Kids Tennis zu spielen? Würde vielleicht sogar Spaß machen. 
"Ach und Amber hat da noch ein Angebot. Ein Schritt in die Richtige Richtung, würde ich sagen." Skeptisch sah ich ihn an. Normalerweise kramte Amber selten wirklich gute Angebote heraus. Doch ich hörte sie mir alle an. "Wir haben vor einiger Zeit doch über Sportfilme gesprochen." Ich nickte. "Nun es gibt da ein vielversprechendes Angebot. Es ist nicht gerade Eastwood. Aber es könnte möglicherweise zu einer Reihe von Tennis-Filmen werden. Und dich damit näher an die jüngere Zielgruppe heranbringen." Ich nicke wieder. Das klang nicht schlecht. "Okay, von welcher Art Film reden wir hier. Erwachseneninhalt vermutlich ausgeschlossen." Ich grinste. Er schnaubte. 
"Amber sagte etwas von steamy Szenen. Aber immer noch eine romantische Komödie." Ich verzog das Gesicht. "Ich weiß, ich weiß. Aber die Gage stimmt und es wird dir nicht Schaden. In zwei Wochen findet sich der Cast in Hawaii ein und ich möchte das du dorthin fliegst." Wieder verdrehte ich die Augen. "Ich bin kein Schauspieler." Sagte ich also, doch er reagierte nur mit einer wegwerfenden Handbewegung. "Sie benutzen deinen Namen. Und du brauchst sie, um dir ein paar Fans zu gewinnen." Er beugte sich vor, legte seine Hände auf den Schreibtisch vor sich und sah mich ernst an. "Das hier ist deine letzte Chance, James. Verbock das nicht." 
Ich nickte. Ich wusste das Michael Morgan einer der besten Sportagenten des Landes war. Und ich wusste auch, dass er das beste für mich wollte. Mal davon abgesehen, dass ich ihm kein Geld verdiente, wenn ich nicht erfolgreich war. Aber ich betrachtete ihn als Freund. Ohne ihn würde ich immer noch heimlich auf dem Platz des Country Clubs spielen auf dem ich mit fünfzehn gearbeitet hatte. Er hatte mich entdeckt und gefördert und ich war ihm dankbar.
Doch das Land konnte dankbar sein, dass es mich hatte. Dritter der Weltrangliste und noch weit entfernt von der Rente. Ich gewann über 80% meiner Spiele auf Weltklasseniveau und gehörte damit verdienterweise an die Spitze. Ich erbrachte meine Leistung auf dem Platz.
Aber es stimmte. Ich würde nicht ewig Tennis spielen können und auch ein zweites Standbein aufzubauen, würde nicht schaden.
Die Schauspielidee war Morgan gekommen und er hatte mir versichert, dass es kein unüblicher Schritt war. Viele Sportler versuchten sich daran. Die Frage war nur, ob sie es auch schafften.
Ich war kein Schauspieler, doch den Teenagern, die mein Merch kauften, war das egal. Ich sah gut aus und fauchte ihre unschuldigen Fantasien an. Bei einigen Frauen machte ich diese Fantasien sogar wahr.
Vielleicht nicht gerade das ganze Liebes-Gewäsch. Denn ich spielte ihnen nie vor die große Liebe zu sein. Das war etwas rein körperliches. Und bis jetzt hatte sich da schon jede Frau drauf eingelassen.
"Du fängst morgen mit den Sozialstunden an. Um neun wirst du abgeholt."
Als hätte er es geplant klingelte sein Telefon und bevor ich auch nur noch ein Wort sagen konnte, hob er ab und entließ mich mit einer Handbewegung.
Ich hatte eh besseres zu tun, als hier zu sitzen und mir anzuhören, wie schrecklich ich doch war. Es war gerade Mittag. Die perfekte Zeit für ein kaltes Bier.

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