Kapitel 16: James - Schlaflos.

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James

Ich lag wach. Es war nicht, so dass ich sonst ein besonders fester, tiefer oder langer Schläfer war. Doch gar nicht, erschien mir irgendwie doch neu zu sein.
Auch wenn ich keine Lust gehabt hatte zu diesem bescheuerten Letzen Abendmahl zu gehen, wie ich es nannte, war ich um kurz vor sechs losgegangen. Ich hatte noch Ella gesehen, wie sie ein paar Meter vor mir mit diesem Assistenten, zum Haupthaus ging. Und aus irgendeinem Grund überraschte es mich, kein schrilles, lautes Lachen zu hören. 
Immer wenn wir uns trafen lachte sie. Doch nachdem was heute im Fahrstuhl passiert war, was das vielleicht doch nicht so überraschend. Das sie überhaupt zu diesem Essen ging, war eine Überraschung für sich.
Ich fragte mich, warum sie überhaupt in diesen bescheuerten Fahrstuhl gestiegen war, wenn sie solch eine Angst davor hatte. Sie hatte es ja geradezu heraufbeschworen.
Mir saß der Ausdruck in ihrem Blick noch immer in den Knochen. Die Panik in ihren haselnussbraunen Augen. Die Angst in ihrem Gesicht. Und doch war sie gar nicht bei mir, sondern gänzlich woanders.
Genervt schlug ich die Decke zurück. Meine Gedanken waren so von ihr infiltriert und das gefiel mir gar nicht. Ich erhob mich, schnappte mir meine Jogginghose und entschied mich dafür eine kleine Runde zu laufen. Es würde die überschüssige Energie, die ich hatte um an Ella zu denken, hoffentlich abbauen.
Zumal ich hier weniger Training gehabt hatte. Auch wenn die Saison gerade geendet war. Nicht sehr erfolgreich leider.
Es war nicht so, dass ich mich verändert hatte. Nicht bewusst. Mein Spiel war so aggressiv und risikofreudig wie eh und je. Technisch meist einwandfrei. Ich war gut in dem was ich tat. Und doch war ich mit dem Kopf nicht zu hundert Prozent auf dem Platz. Zu meinem Glück war die Saison beendet, bevor jemand merken konnte,  dass ich nicht ganz auf der Höhe war.
Ich hatte noch mindestens fünf Jahre im Sport und ich würde nicht gehen, weil ich die Leistung nicht mehr brachte. Ich würde die besten Spiele meines Lebens spielen und dann würde ich in Rente gehen. So einfach war das.
Ich verließ den Bubgalow und ließ mich in einen leichten Trab, am Strand entlang, fallen.
Ich gehörte nicht zu den Menschen die im Laufen ihre eigenartige Befriedigung fanden. Eher zu den Leuten die rannten und zu erschöpft waren, um zu denken. Doch egal wie, es half mich abzulenken.
Es musste über eine Stunde vergangen sein, bevor ich mich entschloss umzukehren. Dabei war ich die letzte halbe Stunde nur noch gelaufen und hatte einige Kilometer zurückgelegt. Nicht einmal fragte ich mich, ob der Strand hier noch immer zum Resort gehörte. Doch mir war klar, dass er es nicht tat. Denn als ich den Abschnitt betrat stand dort ein großes Schild, dass mich darauf hinwies, dass dies ein Privatstrand war. Das hatte ich wohl übersehen.
Das Wetter war relativ mild dafür, dass es schon November war. Und in meinem Langarmshirt und der Jogginghose schwitzte ich beinahe. Und obwohl ich völlig fertig war, brauchte es nur einen Anstoß.
Ich lief gerade an Ellas Bungalow vorbei, dessen Schieber weit geöffnet war. Die weißen Vorhänge wehten im Wind. Zwar war ich bestimmt fünfzehn Meter entfernt, doch vom Strand konnte ich noch immer beinahe in das kleine Haus sehen, dass den Blick auf das Fußteil des Bettes freigab. Das war mein Anstoß. Denn sofort schoss mir wieder ihr Gesicht durch den Kopf. Es war so eigenartig. Sie war so eigenartig. So anders und so nervig.
Abrupt blieb ich stehen. Ein leiser Schrei. Kurz dachte ich nach. Sollte ich gucken gehen, ob alles in Ordnung war?
"Nein!" Keine Ahnung warum, aber ich setzte mich so schnell in Bewegung, dass ich mir beinahe einen Muskel zerrte. Ich rannte den Strand hinauf, durch die geöffnete Tür in ihr Schlafzimmer. Ich sah mich um, suchte nach etwas, jemandem. Doch ich fand nur Ella. Ella, in ihrem Bett. Ella, halbnackt, in ihrem Bett. Ich erstarrte. "Nein! Bitte!" Rief sie leise.
Mein Blick wanderte über sie hinweg und ich wusste ich sollte gehen. Ich sollte hier nicht herumstehen, wie so ein creep und sie anstarren. Und doch stand ich hier und sah sie an, während sie im Schlaf leise wimmerte. Sollte ich sie wecken?
Aber ich konnte meinen Blick nicht von ihrem Körper abwenden. Von der weichen, hellen Haut die im Mondlicht silbern glitzerte. Ach du scheiße. Reiß dich zusammen, Sinclaire!
Vermutlich wäre es am besten gewesen, einfach wieder zu verschwinden. Das wäre die beste Lösung. Doch ich ging zum Bett, ließ mich auf der Bettkante nieder und hob die Hand. Langsam strich ich ihr über die Wange. Streifte ihr eine verschwitzte Strähne aus der Stirn und flüsterte leise ihren Namen. "Ella?" Sie wimmerte leise, doch sie lehnte sich in meine Berührung. Ein eigenartiges Gefühl breitete sich in mir aus. "Ella? Hey, es ist alles gut." Sagte ich leise und streichelte sanft ihre Wange. "Wach auf." Sagte ich etwas entschiedener und sie blinzelte überrascht, bevor sie die Augen aufriss. Schnell erhob ich mich und trat einen Schritt vom Bett zurück, wäre fast noch über meine eigenen Füße gestolpert.
"James?" Fragte sie verwirrt und starrte mich an, als wäre ich ein Alien. "Was machst du hier?" Sie musterte mich in meinen verschwitzten Sportklamotten. "Du hast geschrien." Sagte ich, als erkläre das alles. "Du hattest wohl einen Albtraum." Fügte ich schnell hinzu. "Ich hab so laut geschrien, dass du mich hören konntest?" Fragte sie mich mit ernster Miene, doch ich schüttelte den Kopf. "Ich war ne Runde laufen. Dabei hab ich dich gehört." Sie nickte, doch sie wirkte noch immer so süß verschlafen. Aber ich sah trotzdem einen Anflug von Panik. Die gleiche Panik, die ich im Fahrstuhl gesehen hatte. Ob sie davon geträumt hatte?
"Erinnerst du dich an deinen Traum" Fragte ich sie und wusste in dem Momen, wo ich es aussprach, dass das vielleicht eine Linie war, die ich nicht übertreten wollte. Sie seufzte. "Ich erinnere mich an alles. Das tue ich immer."

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