Ella
Wir lasen die ersten drei Szenen, bis Kelly uns unterbrach. Dabei spürte ich nicht nur ihren, sondern auch Davids und vor allem James' Blick auf mir.
Ich hob den Kopf und unsere Blicke trafen sich, während er sprach.
Schon in den ersten Szenen spürte man zwischen den beiden Hauptcharakteren ein gewisses Knistern. Und irgendwie übertrug sich das auf den gesamten Raum.
Seine Augen wanderten zu meinen Lippen, als ich sie befeuchtete und meine nächsten Worte sagte.
Meine Handflächen wurden nass und ich wischte sie an meiner Jeans ab. Bevor ich mich noch weiter in dieses Gefühl hineinsteigerte, aber unterbrach uns Kelly Adams.
Sie lachte auf und sah zu David Bruchs, der ebenfalls lächelte. "Das passt perfekt." Gab Kelly Adams zu und nickte. "Ihr beide seid perfekt. Ella du bist die perfekte Ava. Und kannst Derek richtig die Stirn bieten." Ich wurde rot. Es war immerhin mein Job glaubwürdig zu sein.
"James." Mehr sagte sie nicht. Dann machte sie einen Kussmund und fächelte sich Luft zu. Sie war diese eine Person, die so verrückt war. Aber auf eine Liebenswerte Art und Weise. Ich mochte sie. Nicht nur, weil sie mich selbst ausgewählt hatte, sondern weil sie trotz ihrer Schrulligkeit irgendwie die Normalste hier zu sein schien.
"Wie wäre es, wenn wir mal eine Kussszene lesen?" Schlug David vor und ich hob ruckartig den Kopf. Mir war natürlich klar, dass es eine Kussszene geben würde. Und als ich den Anruf von der Agentur bekommen hatte, wurde mit mitgeteilt, dass es einige explizite Szenen geben würde. Und ich war mir nicht sicher warum, aber der Gedanke mit James eine dieser Szenen zu spielen machte mich nervös.
Vielleicht lag es daran, dass es die erste große Rolle war. Als mehrgewichtige Person war es in Hollywood nicht leicht. Denn man war nicht gut genug, wenn man nicht perfekt war. Wenn man nicht das perfekte Gewicht, die perfekten Maßen und zu allem ja und Amen sagte. Es hatte mich fast vier Jahre und acht Zusammenbrüche gekostet, bis das Angebot kam.
"Okay." Sagte James und zuckte mit den Schultern, also blätterte ich weiter und überflog dabei sehnsüchtig, die ganzen Szenen in denen wir uns stritten. Es war einfach sich mit James zu streiten. Es fühlte sich irgendwie natürlich an.
James musterte mich und fragte mich dann mit einem kurzen Nicken, ob ich bereit war. Ich nickte. Ich hatte die Szene gefunden und war bereit. So bereit, wie ich sein konnte.
Er begann zu lesen und ich war überrascht, wie überzeugend er war. Ich spürte in seinen Worten, was der Charakter zu denken schien. Und es war einfach mich in Ava hineinzuversetzen.
Und mit jedem Wort, dass James sagte, fühlte sich die Rolle, fühlte sich Ava irgendwie vertrauter an.
Ich hatte immer Schwierigkeiten am Anfang mit den Rollen etwas zu fremdeln. Und es dauerte immer einen Moment, bevor ich die Person und den Charakter verstand. Und ich hätte es nie laut gesagt, niemals zugegeben, aber James Sinclaire war tatsächlich hilfreich.
Auch wenn ich nicht vergaß, wie anmaßend und übergriffig er sich gegenüber dicken Personen äußerte und was für eine absolut beschränkte Meinung gegenüber Mehrgewichtigen Menschen er hatte, war er jetzt gerade doch hilfreich.
Niemand war nur schlecht und niemand nur gut. Und ich war voreingenommen. Doch ich war eine mehrgewichtige Person. Immer schon gewesen und vermutlich würde ich immer mit meinem Gewicht zu kämpfen haben. Aber ich war definitiv nicht weniger Wert, weil mein Körper eben so war.
Ich machte Sport und aß gesünder, als die meisten Menschen die ich kannte. Ich trank keinen schwarzen Tee, Kaffee oder (selten) Alkohol. Und durch meine Krankheit achtete ich noch mehr darauf, was ich zu mir nahm und was nicht. Ich achtete auf genügend Schlaf, wenig physischen Stress und versuchte mich regelmäßig zu erden. Trotzdem hatte ich immer Probleme mit meiner Figur gehabt. Auch wenn ich nicht unbedingt ein Problem damit sah.
Natürlich war ich keine Idiotin und mir war klar, dass Übergewicht einfach das Risiko für bestimmte Krankheiten erhöhte. Aber mal im Ernst, die Krankheiten die ich hatte, erhöhten das Risiko auch und machten es wesentlich schwerer abzunehmen. Machten manchmal sogar das wach sein wesentlich schwerer. Es war ein ständiger Kampf und ich weigerte mich, deswegen auf all das zu verzichten, dass mir zustand. Ob nun dick oder dünn.
Und weil James Sinclaire, Tennisprofi und - keine Ahnung - dritter auf der Weltrang-Liste eben so anderer Meinung war, wie ich, wusste ich nicht, wie ich unvoreingenommen sein konnte. Er hatte mich verurteilt, bevor er mich je gesehen hatte. Ich hatte dahingehend einen Vorsprung und hatte immerhin gehört, was er über Menschen zu sagen hatte, die er nicht kannte, nicht verstand und alle über einen Kamm scherte.
James berührte meine Hand, welche die Seite des Drehbuchs fest umklammert hielt und riss mich so aus meiner Trance. Überrascht blinzelte ich ein paar Mal. "Dein Stichwort." Flüsterte er mit einem schiefen, überheblichen Grinsen. Doch ich schaltete sofort, nickte und begann mit meinem Text.
Wobei die Szene eher von James geführt wurde. Die Regieanweisungen waren für mich interessanter. Doch ich warf die nächsten Zeilen ein und steigerte mich förmlich in die Szene rein.
Sein Blick war auf mich gerichtet. Immer wieder zuckte sein Blick zu meinen Lippen wenn ich meine kurzen Zeilen las. Doch seine moosgrünen Augen gruben sich förmlich in meinen Verstand hinein.
"Ich? Ich...?" Sagte ich empört und warf die Arme etwas in die Luft, hörte zu wie er mindestens genauso empört die nächste Zeile sagte und am Ende verzweifelt schnaubte. "Aber ich mach doch gar nichts." Erklärte ich ihm und spürte, wie er mich weiter verzweifelt anstarrte. So verzweifelt, dass ich es in meinem Bauch spüren konnte. Dass ich sogar Angst hatte, dass er zu viel von mir sah. Zu viel von Ella sah.
Oh, er war gut. Er war so gut. Er war zu gut! Doch ich starrte zurück. Ließ nicht zu, dass er mich verunsicherte und hielt seinem Blick stand.
Bis Kelly Adams uns wieder unterbrach. Und bis mein Herz aufhörte in meiner Brust zu donnern. Erst da fiel mir auf, dass James und ich uns näher gekommen waren und uns beide schwer Atmend anstarrten. Ruckartig rückte ich von ihm ab, was ihm wieder eins dieser überheblichen Lächeln entlockte. Es war erschreckend, wie leicht ich zu Ava werden konnte und wie viel Derek in ihm zu stecken schien.
Oh man! Das würde entweder richtig, richtig gut werden. Oder aber eine Katastrophe.
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The Big Move
RomansaJames Sinclair ist heiß. Nicht auf die süße Art und Weise. Sondern auf die Er-weiß-genau-wie-er-auf-Frauen-wirkt-Weise. Und er ist ein Arschloch. Als Sportler ist er es gewohnt mit wunderschönen schlanken Frauen zu verkehren. Als Berühmtheit ist er...