Kapitel 47: Ella - Dinge ändern sich (nie)

129 11 2
                                    

Ella

Heilig Abend war immer am schönsten. Mir war klar, dass die meisten den Weihnachtsmorgen wohl am besten fanden. Wegen der Geschenke und dem allen. Aber ich liebte den heiligen Abend.
Es war der Abend, an dem wir alle unten in der Restaurantführer waren und gemeinsam kochten. Wie jedes Jahr ließ sich Matheo nicht reingehen und diskutierte mit Mamá über die richtige Zubereitung des Truthans. Adrian und Lucas kümmerten sich um die Beilagen und Mamá wirbelte herum, um noch Tamales zu machen. Ich kümmerte mich wie jedes Jahr um die Nachspeise und um einige Knabbereien für die nächsten drei Tage. Dabei lief im Hintergrund kitschige Weihnachtsmusik. Jedes Jahr öffneten wir den Gastraum für Familien aus der Gegend und ich konnte sehen, dass einige alte Bekannte wieder hier waren. Sobald die Plätzchen im Ofen waren, würde ich mal raus gehen und allen Hallo sagen. James stand neben mir und half mir beim Ausrollen des Zuckerteiges. Wir hatten schon Polvorones gebacken, wobei Lucas davon schon die Hälfte wieder verputzt hatte.
Danach würde ich noch einen Milchkuchen machen. Nach dem Familienrezept meines Vaters. Ich liebte ihn. Und meine Familie auch. Aber wir aßen ihn nur zu Weihnachten und ich freute mich jedes Jahr darauf.
Mamá kam gerade wieder in die Küche und sah mich an.
"Timo pregunta por ti." Sagte sie mit einem schiefen Lächeln und ich verdrehte die Augen. Timo und ich waren zusammen gewesen noch vor ich nach LA gegangen war. Schon mit Achtzehn hatte meine Mamá unsere Hochzeit geplant. Und insgeheim hoffte sie wohl darauf, dass ich ihn zurücknehmen würde. Doch wir waren Freunde. Oder so etwas ähnliches. Wie sahen uns alle paar Monate. Oder Jahre. Es war nicht komisch und ich freute mich. Aber wir hatten nichts mehr gemeinsam.
Lucas hinter mir machte Kuss-geräusche und Adrian fehlte sich einen. "Mi amor, er ist so ein lieber Junge." Gab sie hinzu jnd bekam diesen verträumten Ausdruck. Genervt schnaubte ich. Ignorierte James fragenden Ausdruck. "Und er ist so süß!" Rief Lucas und fasste sich dramatisch an die Brust. Verträumt legte er die Hände an die Wange. "Eres un Idiota!" Rief ich und warf ihm mit einem kleinen Teigklumpen ab. Er lachte.
"Du hast ihm das Herz gebrochen, pequeño!" Sagte Adrian mit einem Grinsen und ich warf auf ihm einen Todesblick zu. Er ließ sich selten auf solche Albernheiten ein. Aber wenn zeigte es nur, dass er glücklich war. Weshalb ich ihm nicht böse sein konnte.
"Na los." Scheuchte meine Mutter mich los. "James und ich bekommen das auch ohne sich hin, oder Jaime?" Fragte sie und sprach seinen neuen Spitznamen spanischer aus, als erlaubt sein sollte. Wieder verdrehte ich die Augen. Doch ich fügte mich. Aber nicht ohne mich zu allen umzusehen und meinen Brüdern einen bösen Blick zuzuwerfen. "Ich hasse euch!" Sagte ich und alle drei fingen an zu lachen. Mamá blickte ernst und James sah mich nur ausdruckslos an. 
Also trat ich mit meiner Schürze und dem Mehl in meinem Gesicht, aus der Küche und sah Timo an einem der Tische mit seiner Nana und seiner kleinen Schwester Josie sitzen. Als ich zu seinem Tisch kam, sah er auf und sprang beinahe zeitgleich auf die Füße. "Ella?" Stürmisch umarmte er mich. "Wie geht es dir? Was machst du so? Deine Mamá erzählte mir du hast eine große Rolle. Das ist super." Er überschlug sich beinahe vor Freude. Auch Josie begann aufgeregt in die Hände zu klatschen doch ihre Nana schüttelte den Kopf und ermahnte sie aufs spanisch.
"Hast du Lust kurz raus zu gehen? Ein wenig zu quatschen?" Fragte er, also nickte ich. Es wäre schön etwas von ihm zu erfahren. Er führte das Leben, dass ich hinter mir gelassen hatte.
Wir verließen das Restaurant und setzten uns draußen auf die Bordsteinkante, wie wir es früher schon gemacht hatten.
"Erzähl mal, wie läuft es bei dir?" Fragte er also undnich lächelte schwach.
"Ich bin immer noch in LA. Drehe aber im Moment in New York City. Ein Liebesfilm. Es ist ziemlich aufregend." Gab ich zu. Doch mehr gab es in meinem Leben doch nicht zu erzählen. "Ich habe einen sehr guten Freund in LA, Nate. Wir haben zusammen gekellnert und er ist ein wenig verrückt." Sprach ich weiter. "Ansonsten ist nicht sehr viel los. Ich bin noch immer die gute, alte Ella. Erzähl mir von dir! Wie geht es deinen Eltern? Wie läuft es im neuen Job? Du hast doch bei dieser Technik-Firma angefangen, oder?" Er nickte.
"Ja, richtig. Ich arbeite da jetzt schon seit drei Monaten. Ich mag den Job. Ist wohl etwas langweilig. Aber du weißt ja, ich und zahlen." Er zuckte mit den Schultern. Das hatte ich früher schon so an ihm gemocht. Er war irgendwie bescheiden.
"Meine Eltern sind noch immer so verliebt wie eh und je. Sie sind dieses Jahr bei unseren Großeltern in Puebla." Sprach er weiter. "Aber mit Josie und Nana wird es auch schön." Ich nickte. "Das wird es bestimmt. Josie ist so groß geworden." Sagte ich und blickte durch dir Scheibe hinein. Er nickte lachend. "Manchmal kann ich es kaum glauben, obwohl ich sie jeden Tag sehe. Sie hat jetzt ihren ersten Freund." Ich sah ihn an. Josie war erst acht? Neun?
Er lachte über mein Gesicht. "So habe ich auch geguckt. Aber eigentlich spielen die beiden nur zusammen. Sie sind ein wenig wie wir beide." Fügte er hinzu und ich starrte Josie an. "Wow." Flüsterte ich und war überrascht, dass eben nicht alle Sachen so blieben wie sie waren.
"Man die Zeit vergeht." Flüsterte ich und Timo sah mich lange an. "Und die Dinge ändern sich doch nie." Ergänzte er. Sein Blick lag eindringlich auf mir und ich wusste, worauf er hinaus wollte. Vielleicht war ich zu ambitioniert gewesen, als ich sagte, wir seien nur gute Freunde. Er wollte vielleicht mehr. Und jedes Mal wenn wir uns sahen, sagte er es wieder.
"Manche Dinge ändern sich schon." Sagte ich leise und griff nach seinen Fingern. Ich wollte dieses Gespräch nicht führen. Nicht schon wieder.
"Meine Gefühle zum Beispiel schon. Das weißt du. Und wenn ich könnte, würde ich dich wählen. Aber ich kann es nicht und das tut mir leid."
Timo lächelte traurig. "Ich weiß. Aber es schadet nicht, ab und an mal nachzufragen." Seufzend legte ich meinen Kopf auf seine Schulter und drückte seinen Arm. "Es tut mir leid, Timo." Flüsterte ich. "Es tut mir wirklich leid."

The Big Move Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt