PoV. Collin
Nach meiner Ansage hat sie einfach nur noch geweint. Ich weiß nicht ob sie mittlerweile wieder aufgehört hat, denn ich habe ihr einfach ein belegtes Brötchen auf den Tisch gelegt, bevor ich dann gegangen bin. Das Wohnmobil habe ich sicherheitshalber abgeschlossen, wobei Sam nicht den Anschein macht, in dieser Verfassung abhauen zu können. Die anderen haben derweil schon eine Sitzecke draußen aufgebaut, wo wir nun am Lagerfeuer sitzen und essen.
Alle sind fröhlich drauf, so ein gemeinsamer Ausflug schweißt schließlich doch nochmal mehr zusammen. Ich bin jedoch ziemlich nachdenklich, Sams Reaktion auf ihre Mutter war so merkwürdig. Eigentlich sollte es mich nicht interessieren, aber ich muss dabei an meine Mutter denken, die ich in letzter Zeit viel zu selten gesehen habe. Sie ist selten im Bürogebäude bei meinem Vater, viel lieber verbringt sie ihre Zeit mit Zeichnen in unserem Ferienhaus. Ich freue mich sie in zwei Tagen wieder zu sehen. Vielleicht geht es Sam ähnlich, sie vermisst wahrscheinlich einfach nur ihre Mutter und hat Heimweh.
<Hey Collin, was ist los? Du wirkst so bedrückt.>, fragt mich Kenan. Er weiß immer genau, was in mir vor geht. <Ja, Sam war etwas merkwürdig vorhin. Ich werde mal nach ihr sehen, genießt ihr schön den Abend.>, damit verabschiede ich mich schnell von der Gruppe und gehe zurück zum Wohnmobil. Es ist da drinnen stockdunkel, kein Wunder, denn in der Zwischenzeit hat natürlich keiner das Licht angemacht. Ich bin schließlich zuletzt hinausgegangen und habe das Licht ausgemacht. Ich schließe die Tür des Wohnmobils auf und trete ein, dann schalte ich das Licht an. Im nächsten Augenblick verschließe ich die Tür wieder von innen, nur um sicher zu gehen. Als ich mich umdrehe stockt meine Atmung, wo ist Sam? Sie sitzt nicht mehr auf der Sitzbank. Scheiße! <Sam?!>, rufe ich durchs Wohnmobil, erwarte aber eigentlich keine Antwort. Weshalb ich mich erschrecke als ich Sams Stimme ein zaghaftes <Ja?> antworten höre. Ich gehe näher zur Sitzbank, da von dort ihre Stimme gekommen ist und sehe sie unter dem Tisch sitzen. Dort hat sie sich total zusammengekauert, nur ihr Handgelenk welches an der Sitzbank festgekettet ist, liegt auf dieser.
Meine erste Reaktion ist, dass ich sie daraus holen muss, weshalb ich die Handschelle von der Sitzbank löse und nach Sams Hand greife. Erst will sie ihre Hand wegziehen, aber greift dann doch in meine. Dabei entgleitet mir ein leichtes Lächeln, sie ist wirklich mutig und keines wegs mit einem anderen Mädchen vergleichbar. Ich ziehe sie unter dem Tisch hervor und sehe wie angeschwollen ihre Augen sind. Noch immer kullern Tränen aus ihnen, weshalb ich vermute, dass sie diese ein einhalb Stunden durchgeweint hat. Ist sie überhaupt schonmal von Zuhause weg gewesen, wenn sie so dolles Heimweh hat? Ich setze mich zu ihr auf den Boden und ziehe sie neben mich, dabei lege ich einen Arm um sie. Eigentlich mache ich soetwas nicht und das darf auch niemals einer erfahren, dass Collin Moreno ein Mädchen tröstend in den Arm nimmt. Aber dennoch glaube ich, es ist das was Sam gerade braucht. Vielleicht ist es heute alles etwas viel für sie gewesen. Ihren Kopf lehnt sie an meine Schulter, so sitzen wir schweigend auf dem Teppichboden und schauen ins Nichts. Keiner sagt etwas, ich nicht weil ich nicht weiß was ich sagen soll. Und Sam will wahrscheinlich gar nichts loswerden, dafür ist sie viel zu sehr in Gedanken. Nach einer gefühlten Ewigkeit unterbreche ich die Stille: <Möchtest du etwas essen?> Sie schüttelt den Kopf: <Kein Hunger.>, ist ihre schlichte Antwort. Ich sehe zum Tisch und entdecke dort auch das unangerührte Brötchen, sie hat es nicht gegessen. Vielleicht mag sie den Belag nicht. <Magst du das Brötchen nicht?>, frage ich daher nochmal nach. <Keine Ahnung, ich habe es nicht ausgepackt.> <Es ist belegt mit Käse, Salami und Salat. Remolade ist auch drauf.>, erkläre ich ihr. Sie erwidert darauf zwar nichts, aber ihr Bauch antwortet mit einem Magenknurren, weshalb ich lachen muss.
<Du musst heute noch etwas essen Sam, mir egal was, hauptsache etwas.> Sie nickt, immernoch etwas in Gedanken. Dann sagt sie: <Ich müsste zuerst auf Klo.> <Okay komm mit, wir haben hier hinten eins.> Zusammen mit Sam stehe ich auf und schiebe sie voran in das kleine Badezimmer. Dann warte ich vor der Tür auf sie. Ich bin kein einfühlsamer Mensch, das bin ich nie gewesen, aber gerade habe ich ein neues Gefühl in mir. Ein Gefühl, dass mir sagt, sie braucht mich. Irgendwie absurd, aber ich bin zugegebenermaßen neugierig was passiert. Bleibt dieses Gefühl oder geht es wieder? Meine Gedanken werden von Sam unterbrochen, die aus dem Badezimmer kommt. Ich begleite sie wieder zurück zu der Sitzbank und setze mich direkt neben sie. Aus dem Nichts beginnt sie, mir ihre Geschichte zu erzählen.
PoV. Sam
Ich weiß auch nicht wieso das Verlangen so groß ist, Collin von meiner Familie zu erzählen. Vielleicht weil ich sie sehr vermisse und meine Gedanken loswerden muss. Andererseits hoffe ich auf etwas Mitleid, was ihn vielleicht dazu bewegt mich gehen zu lassen. Wobei ich bezweifle, dass Collin so etwas spüren kann.
<Ich bin drei Jahre alt gewesen, als meine Mum gestorben ist. Erinnern kann ich mich eher wenig an sie, aber ich weiß sie war eine sehr glückliche Person. Wenn mich diese Erinnerungen wieder einholen, dann wünsche ich mir oft, dass sie wieder zurück kommt. Paps und ich kommen zwar auch gut alleine klar, aber sie fehlt einfach. Es ist nicht das selbe, wie wenn sie noch bei uns wäre. Mein Vater hat oft erzählt wie sie gewesen ist und dass sie mich über alles liebt. Am liebsten hat sie mich in Kleider gesteckt und mit mir Blumen gepflückt. Ich frage mich oft, ob ich heute anders wäre. Würde ich dann immernoch in pinken Kleidern rumlaufen? Vielleicht in High Heels und zu den typischen Zicken der Schule gehören. Hätte ich dann vielleicht mit Ballett statt mit Schießen begonnen? Ich könnte ein ganz anderer Mensch sein, es könnte alles anders sein. Wahrscheinlich wäre ich dann gar nicht hier, in dieser beschissenen Lage, sondern in einem fünf Sterne Hotel auf Hawaii.>, phylosophiere ich vor mir her.
Zwischendurch muss ich lächeln, weil manche Gedanken so absurd sind. Collin hört mir währenddessen gespannt zu und verkneift sich auch ab und zu ein Lächeln. <Aber das ist alles nur ein großes Fragezeichen, was ich niemals lösen werde. Damit muss ich nunmal klar kommen. Als du mich vorhin daran erinnert hast, dass sie nicht da ist und ich dann vielleicht anders wäre, ist irgendwie alles hoch gekommen.> Dann wird mir wieder bewusst, was ich hier tue. Als ob Collin das überhaupt interessiert. <Tut mir leid, dass ich deine Zeit verschwende, du hast sicherlich andere illegale Geschäfte zu erledigen. Ich will dich nicht unnütz aufhalten.>, beende ich meinen Monolog und packe das Brötchen aus, was mir Collin vorhin mitgebracht hat, um es zu essen.
☆☆☆
Was denkt ihr, wie Collin nun über sie denkt?
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Im Auge der Mafia
Teen Fiction~Abgeschlossene Geschichte~ 》Im Auge der Mafia《 •Erst beobachten sie dich und dann bist du plötzlich selbst mitten drin, im Auge dieser Verbrecherorganisation. Was könnte das Leben der 17-jährigen Sam wohl mehr auf den Kopf stellen? Gleich dreimal e...