PoV. Sam
Es ist 7:54 Uhr und ich bin bereits mega aufgeregt. Warum? Ganz klar, heute gehe ich mit Matteos Mutter Louisa, mein Hochzeitskleid kaufen. Die letzten Tage habe ich jeden Tag mit Matteo trainiert und ich wurde immer besser in der Selbstverteidigung. Wofür auch immer ich die brauchen werde.
Mittlerweile ist auch meine Flugangst händelbar. Wir sind so oft geflogen, dass ich nun langsam anfange dem Blechvogel zu vertrauen. Heute bin ich sogar so angespannt und will unbedingt endlich los zum Brautmodegeschäft. Ob ich verrückt bin und mich tatsächlich auf die Hochzeit freue? Nein, ich bin immernoch die einzig normale auf diese beschissenen Insel. Großes Ehrenwort!
Aber heute steht etwas ganz besonderes an, denn ich werde mit Louisa alleine wegfahren. Sie hat sich so sehr für mich eingesetzt, damit uns weder Matteo noch irgendwelche Bodyguards begleiten. Vielleicht hat mein Einschleimen dabei etwas geholfen, jedenfalls denke ich das. Doch dieses aufgebaute Vertrauen wird heute zerstört, denn ich bin nicht doof. Wenn ich die Chance habe, werde ich sie ergreifen und abhauen. Ich muss nur den richtigen Moment abwarten.
Zum Abschied muss ich eine Umarmung von Matteo über mich ergehen lassen. In Gedanken sage ich mir immer wieder, dass ich den Schein waren muss. Heute ist mein letzter Tag in dieser Gefangenschaft. Das schwöre ich mir. Nur noch ein paar Tage bis die Hochzeit stattfinden soll. Also höchste Zeit, dass ich hier wegkomme.
<Na bist du sehr aufgeregt?>, fragt er. Nickend bestätige ich: <Ja sehr, ich war noch nie im Brautmodengeschäft.> Gelogen. Ich lüge ihn an, dass dies der Grund meiner Aufregung ist und er scheint mir auch noch zu glauben. Aus der einst ehrlichen Sam ist jetzt ein Mädchen geworden, dass um jeden Preis heute flüchten muss. Ich kann heute Abend nicht wieder hier sein, ich werde ihn nicht heiraten! Er hat weitaus schlimmere Pläne, als ich aktuell vermuten kann. Da bin ich mir sicher.
<Dann viel Spaß euch beiden und sucht was schönes aus. Ich bin schon gespannt.>, sagt Matteo und sieht Louisa und mich grinsend an. Ich grinse zurück und nicke. <Na dann komm. Auf gehts, wir haben einen etwas weiteren Weg vor uns.>, sagt Louisa und schon setzen wir uns in Bewegung. Ich winke Matteo von weitem nochmal zu und er erwiedert es. So naiv für einen Mafia Boss, innerlich lache ich ihn aus.Wir steigen in den Helikopter und der Pilot fliegt los. Ich frage mich wirklich wer sich überlegt auf eine einsame Insel zu ziehen, sei toll? Jeder weiß doch aus unzähligen Filmen wie verrückt die Leute werden, wenn sie vereinsamen. Vielleicht der Grund weshalb Matteo ein minderjähriges Mädchen entführt, um es zu heiraten. Aber da kann er sich gerne eine andere suchen, nicht mit mir! Ich will mein altes Leben wieder haben, meinen Traum verfolgen Polizistin zu werden, wie mein Vater. Ich komme heute nach Hause! Nachdem der Heli gelandet ist steigen wir um in einen Privatjet und fliegen laut Louisa zurück in die Nähe meiner Heimat. Denn dort hat sie damals ihr Hochzeitskleid gekauft und deshalb muss ich dort auch eins finden. Mir nur Recht, dann ist die Flucht leichter.
Auf dem Festland angekommen steigen Louisa und ich, um in ein Auto. Louisa fährt und wir sind nun alleine. Der Pilot wartet hier am Flughafen auf uns oder eher auf sie. Mich wird er nicht wiedersehen. <Ach ich bin so froh Matteo umgestimmt bekommen zu haben. Alleine ist es doch viel schöner. Fühlt sich an wie ein Mutter und Tochter Ausflug.> Ich habe keine Mutter mehr, nur meinen Vater. Meine Mutter ist tod, aber das hat Matteo ihr wohl nicht gesagt. Ich zwinge mich zu einem Lächeln und nicke einfach nur. Nicht daran denken Sam, bald bist du wieder Zuhause, bei Paps.
Wir fahren eine ganze Weile, langsam dämmert es und wird dann dunkel. Das Radio läuft und keiner sagt etwas. Ich sehe mir die Gegend an, endlich mal wieder frei, zumindest fast. Auf dem Navi des Autos taucht eine rote Fläche auf. <Was ist denn das rote da? Habe ich ja noch nie auf einem Navi gesehen.>, frage ich Louisa. <Oh ach so, das hat Matteo sich ausgedacht. Dann weiß man immer wann man sein Revier sozusagen verlässt. Da kann es schnell mal gefährlich werden, wenn sie sein Auto entdecken. Deshalb fahren wir da auch nicht hin.> Ich bezweifle, dass der Psychopath selbst diese Idee hatte. Vermutlich hat einer seiner Männer diese Idee gehabt und auch umgesetzt. Wahrscheinlich in Absprache mit Matteo, aber beim besten Willen glaube ich nicht, dass Matteo auch nur annähernd der Erfinder davon ist. Der ist viel zu blöd. <Ah okay.>, sage ich möglichst uninteressiert. Denn innerlich schreie ich nur so vor Freude, ich muss dahin! Vermutlich ist es das Revier von Collin seinem Vater, dann würde ich meinem Zuhause näher kommen.
Irgendwann fährt Louisa auf eine Tankstelle zu und hält dort an. Ich blicke auf die Tankanzeige, doch diese ist dreiviertel voll. Was sie hier wohl will? Louisa schnallt sich ab und steigt aus. Bevor sie die Tür zu macht, sieht sie nochmal zu mir und sagt: <Musst du auch auf die Toilette? Ich kann leider nicht mehr aufhalten und wir fahren noch eine Stunde bis zum Laden.> <Nein, alles gut ich muss nicht. Ich warte im Auto auf dich.> Sie nickt und schließt die Autotür. Dann geht sie in die Tankstelle rein und spricht mit dem Kassierer. Dieser gibt ihr vermutlich den Schlüssel und sie kommt wieder raus. Unsicher sieht sie zu mir, ich lege meinen Arm gelangweilt an die Fensterscheibe, hoffentlich zieht das und sie lässt mich alleine.
Ich bin so kurz davor abzuhauen.
Wieder sehe ich zu Louisa, sie biegt gerade um die Ecke des Gebäudes. Wahrscheinlich ist dort die Toilette. Das ist meine Chance! Schnell schnalle ich mich ab und klettere auf den Fahrersitz. Den Schlüssel hat sie in ihrer Handtasche auf der Rückbank, wo sie ihn schon seit dem einsteigen nicht rausgenommen hat. Bei dem Auto benötigt man keinen Schlüssel mehr, beziehungsweise man muss ihn zumindest nicht ins Schlüsselloch stecken, sondern nur dabei haben. Schnell schnalle ich mich an, drücke auf den Power-Knopf und bewege die Automatikschaltung von “P” auf “D”. Dann gebe ich Gas und fahre vom Gelände der Tankstelle runter.
Zurück auf der Landstraße fahre ich viel zu schnell, 160 km/h zeigt der Tacho an. Dabei blicken mir die 70er Schilder warnend entgegen. Aber heute höre ich nicht darauf. In diesem Moment bin ich mehr als froh mit Paps schon ein paar Monate begleitend Auto zu fahren. Den Führerschein so früh gemacht zu haben, rettet mir gerade wirklich den Arsch. Ich bin auf der Flucht, auf meinem Weg zurück in mein altes Leben. Mein Herz pocht so sehr, dass ich meinen gesamten Körper pulsieren spüre. Dieses Adrenalin ist der Hammer!
Bald kommt wieder die rote Markierung auf dem Navi zum Vorschein. Da will ich hin!
Ich steuere immer weiter darauf zu. Mich trennt nur noch wenig vom “feindlichen Gebiet”. Ich fahre weiter und entdecke an dem Straßenrand ein schwarzes Auto, es steht am Feldweg. Weiterhin viel zu schnell fahre ich daran vorbei. Ein Blick im Rückspiegel verrät mir, dass das Auto dort nicht länger steht. Es folgt mir!
Kacke, ich hätte ohne Auto weiterlaufen sollen. Wieder gebe ich mehr Gas, ich muss schneller sein. Doch das Auto kommt näher. Kein Wunder, ich bin vielleicht gut im schießen. Aber Auto fahren ist nun wirklich nicht mein Steckenpferd. Ich sehe nach vorne, ein Straßenschild mit dem Ortsnamen von meiner Stadt, mein Zuhause. Ich muss dieses Auto loswerden! Schnell biege ich ab auf einen Feldweg. Das Auto klappert bei den Schlaglöchern, die ich zu schnell durchfahre. Hinter mir entsteht eine Staubwolke. Ich biege wieder ab, ein nächster Feldweg. Auch eine Staubwolke hinter mir. Das Navi zeigt einen nächsten Feldweg an, wieder bremse ich und fahre auf diesem weiter. Dann komme ich auf einer Landstraße an, in ein paar Hundertmetern erkenne ich Lichter.
Als ich näher komme, weiß ich um welches Viertel es sich handelt. Mein Viertel, ich bin Zuhause!!! Schnell biege ich in unsere Straße. Ich parke auf der anderen Straßenseite gegenüber unseres Hauses, da ein fremdes Auto in der Einfahrt parkt. Ein rotes Cabrio? Ich kenne keinen von Paps Kollegen, der so ein Auto fährt. Paps Auto steht auch in der Einfahrt. In der Küche brennt Licht. Das Auto verlasse ich nicht, sehe von hier durch das Küchenfenster. Paps mit einer Frau, sie küssen sich und lachen. Beide stehen am Herd und kochen wohl Abendessen. Eine Welt zerbricht in mir.
Ich wurde entführt, zweimal wohlbemerkt und mein Vater scheint mich gar nicht zu vermissen. Er hat eine Frau gefunden. Vielleicht ist er sogar endlich mal glücklich, dass ich ihm das nicht kaputt mache. Er hat Mama ersetzt und mich gleich mit. Wie sehr habe ich mich gefreut wieder Zuhause zu sein. Ihn in den Arm zu nehmen und ihm alles zu erzählen. Von ihm getröstet zu werden und diese Geborgenheit zu spüren. Aber gerade ist das einzige was ich kann, weinen.
Hat er mich überhaupt gesucht? Oder war er froh mich los zu sein? Wofür bin ich geflohen? Will ich dieses Haus überhaupt noch betreten? Verweint und unendlich traurig starte ich den Motor und fahre langsam weiter in die Nacht.
Weg von dem Ort, der sich immer wie ein Zuhause angefühlt hat. Jetzt jedoch nur noch fremd wirkt.
Wo soll ich bloß hin?[2]
☆☆☆
Habt ihr eine Idee, wo Sam jetzt hinfährt?
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Im Auge der Mafia
Teen Fiction~Abgeschlossene Geschichte~ 》Im Auge der Mafia《 •Erst beobachten sie dich und dann bist du plötzlich selbst mitten drin, im Auge dieser Verbrecherorganisation. Was könnte das Leben der 17-jährigen Sam wohl mehr auf den Kopf stellen? Gleich dreimal e...