29. Kapitel - Zurück

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PoV. Sam

Ich fahre irgendwann ins nächste Viertel. Ein Gebiet voller Nachtclubs, nie wäre ich hier hingegangen. Auch mit Freunden hat mich hier nichts gereizt. Partys sind nichts für mich, ich will ja Polizistin werden. Korrigiere, ich wollte. Seit ein paar Stunden und viel weinen, will ich nicht länger was mich an meinen Vater erinnert.
Langsamer fahre ich nun durch das Viertel, lieber nicht auffallen. In dem Auto offensichtlich nicht so leicht, viele bemuskelte Männer schauen zu mir. Ein paar nehmen ihr Handy zu Hand. Lange Ruhe habe ich nicht mehr, ich sollte verschwinden.

Doch dann sehe ich etwas, was mich vom Gegenteil überzeugt. Ein mir sehr gut bekanntes Auto. Mit dem Kennzeichen “CM”. Meine Wut wird mehr, umso länger ich es ansehe. Nur er ist an all dem Schuld. Mein Leben war perfekt. Doch dann kam er und hat es mir gestohlen.
Das gibt Rache Collin Moreno!

Ich bremse ab, lasse Matteos Auto stehen. Die Automatikschaltung steht auf “P”, das Handschubfach öffne ich. Meine Hoffnung wurde erhört, eine Schusswaffe. Bewaffnet steige ich aus dem Auto. Um mich herum bemerke ich die Blicke der Männer und höre wie Waffen entsichert werden. Alle Blicke sind auf mich gerichtet.

Hier laufen nur die Gestalten der Nacht umher. Kein Wunder, nachts können sie ungestört "arbeiten". Ich gehe an Collins Auto vorbei, damit weiterfahren, wäre eine Überlegung wert. Irgendwohin wo ich neu anfangen kann. Die Türen sind verriegelt, das verrät das rote Blinken der Alarmanlage. Vermutlich würde ich eh nicht den Schlüssel kriegen, wie auch? Als ob Collin mir den einfach geben würde. Trotzdem will ich mit ihm reden, er schuldet mir was. Und ich will wissen wie er es verantworten kann mich diesem Psychopathen auszuliefern. Seine Flucht beim Unfall, werde ich so schnell nicht vergessen, Arschloch!

Auch wenn Collin mich entführt hat, ging es mir bei ihm deutlich besser als bei Matteo, daher befürchte ich nichts wenn ich ihm gleich gegenüber stehe. Schlimmer als bei Matteo kann es eigentlich doch gar nicht werden, oder? Ich bin geprägt von der Zeit, Sam ist viel stärker zurück als er vermuten würde.

Gerade will ich am Türsteher vorbei, doch der hält mich auf: <Name?!>, fragt er monoton. Sein ernst? <Das geht dich nen Scheißdreck an!>, maule ich ich an. Meine Laune ist sowieso schon im Keller. Er lacht: <Sorry Püppi, aber heute ist der Club reserviert. Du kommst hier nur mit Einladung rein.> Einladung also, tja die kann ich nicht herzaubern. <Ach so, na dann nicht so wichtig.>, antworte ich unsicher. Gerade drehe ich mich um und will gehen, doch ich bleibe stehen und sehe ihn nochmal an. Die nette Sam, die keine Probleme machen will habe ich doch aussortiert. Ich lass mich hier nicht wegjagen: <Weißt du was, ich muss auch gar nicht in den Club. Du kennst doch den Besitzer von dem Auto oder?> <Wer will das wissen? Hör zu Püppi, er bindet sich nicht. Es war eine einmalige Nacht und jetzt verzieh dich.>, erwiedert er gelangweilt. <Igitt! Als ob ich mit dem Arschloch ins Bett steigen würde. Außerdem bin ich weder ein One-Night-Stand von Collin noch eine Püppi du Großmaul.> Leicht überrascht weiten sich seine Augen, bevor sie mich wieder völlig abgeklärt ansehen. Ich drehe ihm erneut den Rücken zu und gehe zu Collins Auto. <Tuh nichts unüberlegtes, er bringt dich um.>, höre ich ihn sagen. Weshalb er wieder meine Aufmerksamkeit auf sich zieht. <Sag mir nicht was ich tun soll, der Kerl hat mein Leben zerstört. Ich habe nichts mehr zu verlieren.>, antworte ich bevor ich mit der geklauten Waffe mehrmals in das hintere Fenster des Lamborgini schieße. Das Fenster geht kaputt und ich entferne mit der Waffe noch die restlichen Splitter der Scheibe. Dann greife ich hindurch und entriegel so die Beifahrertür. <Collin soll sich mit feiern mal etwas beeilen, ich glaube sein Auto müsste mal in die Werkstatt.>, sage ich mit einem provokanten Lächeln. Damit öffne ich die Beifahrertür und setze mich hinein. Der Türsteher spricht sofort in sein Headset und nur ein paar Sekunden später stürmen mehrere Männer aus dem Club. Mittensdrin steht Collin. Mit seinen kurzen dunkelbrauen Locken und dem trainierten Körper. Als hätte ich ihn erst gestern zuletzt gesehen. Bei ihm hat sich nichts geändert, sein Leben ist das gleiche wie vorher. Doch meins hat er zerstört und das hat er nun auszubaden.

<Sam?!>, ruft er erstaunt und bleibt vor seinen Männern, etwas entfernt vom Auto stehen. <Steig ein und ich leg die Waffe weg!>, antworte ich monoton ohne ihn weiter anzusehen. Mehrere Waffen höre ich entsichern worauf ich doch wieder zurückblicke. Doch mein Blick scheint auch Collin zu schocken. So kennt er mich nicht, so kenne vorallem ich mich nicht. Doch so werde ich jetzt wohl sein. Keine Ahnung was ich mit meinem Leben überhaupt noch anfangen kann. Lohnt es sich noch am Leben zu bleiben, mit der Gefahr im Nacken von Matteo gefunden zu werden? Meine Lebenseinstellung hat sich geändert, nicht um 90 Grad, nein um 180 Grad gewendet. Eine völlig neu erfundene Sam, die sich mit Mafiosis umgibt. Collin beschwichtigt seine Männer mit einer kurzen Handgeste, diese packen die Waffen wieder gesichter weg. Und Collin kommt tatsächlich zu seinem Auto. Geht vorne an der Motorhaube vorbei und steigt durch die Fahrertür ein, nachdem das Auto den Schlüssel in der Nähe erkannt und sich automatisch entriegelt hat. <Waffe?>, fragt er ruhig. Ich gebe sie ihm, ohne ihn anzublicken. Schaue nur geradeaus. Er legt sie in die Fahrertür, startet den Motor und fährt los. Wohin? Keine Ahnung, aber ich weiß ja eh nicht wohin ich will.

<Du fragst gar nicht, wie es mir seit unserem Unfall geht. Ziemlich egoistisch von dir mich einfach auszuliefern an einen Psychopathen.>, beginne ich das Gespräch. <Wie gehts dir seit dem Unfall?>, fragt er vorsichtig. Wissend, dass es provozierend ist. Vermutlich ist genau das seine Taktik, um rauszufinden was ich will. Wieso ich ihn beim Feiern störe. <Das Eis ist dünn Moreno.>, warne ich ihn und wende die gleiche Taktik wie er bei Matteo an. Er scheint Leute auf die er nicht gut zu sprechen ist, beim Nachnamen zu nennen. Vielleicht versteht er mich ja so besser.

Doch er lacht: <Also ich muss ehrlich sagen. Ich habe mit jedem vor dem Club gerechnet, außer mit dir. Das musst du mir jetzt erstmal erklären.> Ich schnaube verärgert. <Das kann dir Matteo erklären, wenn er sein Auto vor deinem Club abholt. Du hast jetzt nur eine Aufgabe, mir ein neues Leben zu besorgen. Ich will raus aus der Stadt, eine Wohnung und eine neue Identität. Keiner darf mich finden oder wissen, dass ich noch lebe. Am besten denken alle ich wäre tot.>, erkläre ich ihm völlig monoton, er soll wissen mir ist es ernst.
<Wie bitte?>, fragt er sichtlich überrascht. Nun sehe ich ihn direkt an. Wir stehen an einer Ampel und unsere Blicke treffen sich. <Sehe ich aus, als würde ich Scherze machen? Du hast keine Ahnung, was ich hinter mir habe. Mein ganzes Leben ist zerstört. Mein bisschen Familie, die ich hatte, ist mir fremd. Hat mich einfach ersetzt. Es ist verfickt nochmal nicht zuviel verlangt mir ein neues Leben zu besorgen. Ein Neuanfang, als Wiedergutmachung, dass du mein Altes-Ich umgebracht hast.>
Collin schluckt sichtlich. Es ist wieder grün, unsere Blicke trennen sich und er fährt weiter. Wählt über die Freisprecheinrichtung die Nummer von Ivo, sein Name steht im Display. Ivo geht ran und es erscheint sein Video. <Boss, was kann ich tun. Ich dachte du feierst heute.>, beginnt Ivo das Gespräch. <Planänderung, hol mal Kenan dazu.>, erwiedert Collin monoton. Kenan scheint direkt daneben zu sitzen und nun sind beide im Video zu sehen. <Ist das Sam?>, fragt Kenan. <Kenan, organisier einen Termin in unserer Werkstatt, eine Scheibe ist defekt.>, weist Collin ihn an, ohne auf seine Frage einzugehen. Klar, dass sein Auto mal wieder an erster Stelle steht. Ich kommentiere es nur mit einem: <Dein fucking Ernst?> Doch werde von allen Parteien ignoriert. Kenan antwortet Collin: <Klar Boss, wird erledigt.> <Ivo, Sam benötigt eine neue Identität, Wohnung, Job etc. du weißt was dazu gehört. Alissa soll ein paar Klamotten besorgen und Haarfärbemittel. Niemand darf Sam finden oder wissen, dass sie lebt. Tom soll einen Unfall inszenieren, bei dem die "alte" Sam ums leben kommt.>, erklärt Collin. Nun huschen auch die Gesichter von Alissa und Tom ins Bild. <Was ist passiert?>, fragt Alissa. <Ihr habt Zehn Minuten.>, damit legt Collin auf.

<Freundlicher bist du auch nicht geworden.>, sage ich. <Gleichfalls.>, antwortet er.
Jetzt müssen wir beide doch lächeln. Collin ist schon so ein Mafiosi für sich, aber anscheinend tut er wirklich was ich will. Das gefällt mir.

Im Auge der MafiaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt